GLP-1-Agonist normalisiert assoziatives Lernen

Insulin-Resistenz – wieder schlau, dank Liraglutid?

11.10.2023, 07:00 Uhr

Das assoziative Lernen wurde in einer placebokontrollierten Cross-over-Studie bei Personen mit normaler und beeinträchtigter Insulin-Sensitivität untersucht. (Foto: Leo / AdobeStock)

Das assoziative Lernen wurde in einer placebokontrollierten Cross-over-Studie bei Personen mit normaler und beeinträchtigter Insulin-Sensitivität untersucht. (Foto: Leo / AdobeStock)


Das dopaminerge Mittelhirn spielt eine entscheidende Rolle beim Lernen von adaptivem Verhalten und ist teils sensitiv gegenüber peripheren, metabolischen Signalen wie dem Glucagon-like-Peptide (GLP) 1. Neue Studienergebnisse zeigen, dass die Aktivierung des GLP-1­-Rezeptors das zuvor beeinträchtigte assoziative Lernen bei Insulin-resistenten Menschen mit Adipositas normalisiert.

In einer sich ständig verändernden Welt sind Lernassoziationen entscheidend, damit Lebewesen sich an Umweltbedingungen anpassen können und überleben. Dieses assoziative Lernen ermöglicht es, sensorische Signale zu verstehen, und motiviert zu einem bestimmten Verhalten, z. B. Nahrung aufzunehmen. Auf neuronaler Ebene regulieren dopaminerge Neuronen im ventralen Mittelhirn und deren Projektionsziele adaptives Verhalten. Eine zentrale Rolle dabei, Belohnungs­signale zu verarbeiten und unser Verhalten an Belohnungserwartungen anzupassen, spielt der Mesoaccumbens-Signalweg, das heißt, die dopamin­erge Projektion vom ventralen tegmentalen Areal zum Nucleus accumbens. Das System reagiert besonders empfindlich auf periphere Stoffwechselsignale, wie das Darmhormon Glucagon-like-Peptide 1. 

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Übermäßiger Nahrungsmittelkonsum und letztendlich Fettleibigkeit stehen im Zusammenhang mit metabolischen Dysfunktionen in Form von verminderter Insulin-Sensitivität, möglicherweise unzureichender GLP-1-Signalgebung, signifikanten Veränderungen in der Funktion des dopaminergen Belohnungssystems und beeinträchtigtem adaptiven Lernen von sensorischen Assoziationen. Es gibt Hinweise darauf, dass GLP-1-Rezeptoragonisten die Insulin-Sekretion steigern und motiviertes Verhalten bei Insulin-resistenten Menschen wiederherstellen können.

Gehirnaktivität während Lernprozess untersucht

In einer randomisierten, kontrollierten Cross-over-Studie wurde der Effekt der GLP-1-Rezeptoraktivierung durch Liraglutid auf das assoziative Lernen untersucht. Dabei wurde die Gehirnaktivität von Probanden mit normaler (n = 30) und beeinträchtigter Insulin-Sensitivität (n = 24) während des Lernprozesses mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) dargestellt und analysiert. Sensorische, assoziative Lernaufgaben wurden von jedem Teilnehmer an zwei separaten Tagen absolviert, entweder nach Verabreichung eines Placebos oder von Liraglutid. Die Aufgabe bestand darin, Assoziationen zwischen auditiven Reizen (hoher oder niedriger Ton) und nachfolgenden visuellen Eindrücken (eines von zwei Bildern) herzustellen. Bei den Teilnehmern mit beeinträchtigter Insulin-Sensitivität wurde eine Lernstörung festgestellt, die durch die Behandlung mit Lira­glutid korrigiert werden konnte.

Unklarheit über die genauen Wirkmechanismen von Lira­glutid

Die Studie hat Einschränkungen, darunter die Unklarheit über die genauen Wirkmechanismen von Lira­glutid und mögliche Interaktionen mit Insulin. Geschlechtsspezifische Unterschiede wurden nicht berücksichtigt. Zudem kann das angewandte Analysemodell subtilere Effekte auf dopaminerge Lernprozesse nicht erfassen. Dennoch verdeutlicht die Studie, dass assoziatives Lernen nicht ausschließlich von äußeren Faktoren beeinflusst wird, sondern auch von der Homöo­stase des Körpers abhängig ist.

Das regenerative Potenzial von GLP-1-­Analoga könnte auch für andere Erkrankungen von großer Bedeutung sein, die durch eine gestörte dopaminerge Funktion und damit einher­gehende Stoffwechselstörungen gekennzeichnet sind, wie Psychosen, Parkinson oder Depressionen.

Literatur

Hanssen R et al. Liraglutide Restores Impaired Associative Learning in Individuals With Obesity. Nature Metabolism 2023;5:1352-1363, doi: 10.1038/s42255-023-00859-y


Stefanie Schneider, Dipl.-Biochem und MSc Toxikologie


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