Umstrittene Substitution

G-BA legt Kriterien für Austausch von Biopharmazeutika fest

Berlin - 16.06.2023, 13:45 Uhr

Der G-BA hat seine Hinweise zum Biologika-Austausch in der Apotheke beschlossen. (Foto: Svea Pietschmann/G-BA)

Der G-BA hat seine Hinweise zum Biologika-Austausch in der Apotheke beschlossen. (Foto: Svea Pietschmann/G-BA)


Allem Gegenwind zum Trotz ist der Gemeinsame Bundesausschuss seinem gesetzlichen Auftrag nachgekommen und hat geregelt, unter welchen Vorgaben Apotheken künftig biologische Referenzarzneimittel gegen Biosimilars beziehungsweise Biosimilars untereinander auszutauschen haben. Die Änderung der Arzneimittel-Richtlinie wird frühestens im Oktober in Kraft treten. Die Pharmaverbände hoffen noch auf einen Stopp.

Auch wenn seit geraumer Zeit klar ist, dass massiver Kostendruck die Versorgungssicherheit gefährden kann – im Bereich der biotechnologisch hergestellten Arzneimittel will der Gesetzgeber den Krankenkassen zu weiteren Einsparungen verhelfen. Ähnlich wie bei Generika sollen statt teurer Originale möglichst kostengünstige Biosimilars zum Einsatz kommen. Die Weichen dafür wurden 2019 mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) gelegt. Damals wurde dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) aufgegeben, in seiner Arzneimittel-Richtlinie Hinweise zur Austauschbarkeit von biologischen Referenzarzneimitteln zu verankern. Für Ärzte sollte dies noch 2020 geschehen, für Apotheken bis August 2022. Während für die Ärzteschaft seit November 2020 die Hinweise des G-BA für eine wirtschaftliche ärztliche Verordnungsweise von Biologika gelten, blieb das Vorhaben auf Apothekenebene stecken. Die Widerstände, vor allem aus der Industrie, aber auch aus der Apothekerschaft, waren und sind massiv. Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gab der Gesetzgeber den Plänen daher ein weiteres Jahr Aufschub und beschränkte den Regelungsauftrag für den G-BA überdies: Zunächst sollte es nur Hinweise für Apotheken zur Austauschbarkeit von parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten geben.

Am gestrigen Donnerstag hat der G-BA nun nach einem erneuten Stellungnahmeverfahren seinen Beschluss zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie gefasst. Für die Herstellung von parenteralen Zubereitungen mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln sollen Apotheken künftig wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Produkt auswählen. Gibt es einen Rabattvertrag mit der Kasse, gilt die Wirtschaftlichkeit als sichergestellt und ein weiterer Kostenvergleich ist nicht notwendig.

Übereinstimmende Applikationsarten und Anwendungsgebiete

Wesentliche Voraussetzung für den Austausch ist, dass das verordnete mit dem von der Apotheke verarbeiteten Fertigarzneimittel mindestens in den Applikationsarten übereinstimmt. Zudem muss das genutzte Arzneimittel mindestens für die Anwendungsgebiete des verordneten Fertigarzneimittels zugelassen sein.

Eine Ersetzung kann grundsätzlich im Verhältnis eines Referenzarzneimittels zu seinen Biosimilars sowie zwischen Biosimilars untereinander erfolgen, sofern diese mit Bezug auf dasselbe Referenzarzneimittel zugelassen sind.

Die Anlage VIIa der Arzneimittel-Richtlinie – eine Übersicht über die Zusammenhänge der in Deutschland zugelassenen Biologika sowie deren Biosimilars – dient dabei den Apotheken als eine Grundlage zur Austauschentscheidung. Diese Anlage gibt es bereits seit März 2022 und wird fortlaufend durch den G-BA aktualisiert.

Apotheke kann von Austausch absehen

Wie auch bei anderen Arzneimitteln kann der Arzt einen Austausch ausschließen. Zudem kann die Apotheke „unter Würdigung patientenindividueller Aspekte von einer Ersetzung absehen“. Das wäre beispielsweise bei entsprechender Kenntnis der Apotheke von in der Vergangenheit aufgetretenen Nebenwirkungen, Unverträglichkeiten oder Allergien der oder des Versicherten denkbar, wie der G-BA erläutert.

Pharmaverbände vereint gegen die automatische Substitution

Die Pharmaverbände (BAH, BPI, vfa und AG Pro Biosimilars) warnten in einem gemeinsamen Statement erneut vor einer automatischen Substitution von Biopharmazeutika. Die Politik dürfe im Biologika-Bereich nicht dieselben Fehler machen wie bei Generika. Es gebe bereits einen funktionierenden Wettbewerb in diesem Marktsegment. Eine weitere Steuerung, die zu noch mehr Preisnachlässen führe, „ist überflüssig und birgt die Gefahr eines ruinösen Wettbewerbs, der bereits bei Generika zur Abwanderung der Produktion und Lieferengpässen geführt hat“. Die Verbände fordern den Gesetzgeber daher auf, im Zuge des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes den Auftrag an den G-BA zu streichen oder zumindest klarzustellen, dass nach den Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung Schluss ist. 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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