Biosimilars sind nicht „wirkstoffgleich“

BMG beanstandet G-BA-Beschluss zum Biologika-Austausch in Apotheken

Berlin - 21.08.2023, 15:15 Uhr

Der G-BA muss an seinen Beschluss zum Biologika-Austausch in Apotheken nochmals Hand anlegen. (Foto: IMAGO / Steinach)

Der G-BA muss an seinen Beschluss zum Biologika-Austausch in Apotheken nochmals Hand anlegen. (Foto: IMAGO / Steinach)


Das Bundesministerium für Gesundheit ist mit dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 15. Juni dieses Jahres zum Biologika-Austausch in Apotheken nicht einverstanden. Es stößt sich an der Verwendung des Begriffs „wirkstoffgleich“, der auf Biosimilars gerade nicht zutreffe. Nun soll das Gremium nachbessern.

Der Austausch von Biologika in Apotheken sorgt weiter für Unruhe. Nach langem Ringen legte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am 15. Juni 2023 erstmals einen Beschluss vor, in dem die Substitution biotechnologisch hergestellter Arzneimittel durch Apotheken geregelt werden sollte – konkret geht es darin um den Austausch von parenteral zu applizierenden Zubereitungen aus Biologika-Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung. Damit ein solcher Beschluss in Kraft treten kann, muss dieser zuvor noch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) passieren, dem die Rechtsaufsicht über den G-BA obliegt. Wie vergangene Woche bekannt wurde, beanstandet das BMG den genannten Beschluss allerdings und fordert das Gremium auf, nachzubessern.

In einem Schreiben, das auf den 14. August 2023 datiert, erläutert BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller die Gründe für diesen Schritt. Insbesondere stößt sich das Ministerium demnach an der Verwendung des Begriffs „wirkstoffgleich“ in Zusammenhang mit Biosimilars. Der gesetzliche Regelungsauftrag an den G-BA nach § 129 Absatz 1a Satz 5 SGB V sehe vor, dass sich die Hinweise zum Austausch auf „im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel“ beziehen sollen. „Diese Vorgabe erfolgte, weil Biosimilars zwar im Wesentlichen gleich in Bezug auf das Referenzarzneimittel, jedoch gerade nicht ‚wirkstoffgleich‘ sind“, führt Müller aus.

Biologisch hergestellte Arzneimittel werden dem Schreiben zufolge im Gegensatz zu synthetisch hergestellten Arzneistoffen nicht allein durch ihre Molekülstruktur definiert, sondern darüber hinaus durch das Herstellungsverfahren selbst charakterisiert. „Biosimilars sind demnach dem Originalprodukt ähnlich, jedoch nicht identisch“, betont der Abteilungsleiter. Bisher sei der Begriff „wirkstoffgleich“ im Sozialrecht den klassischen Generika vorbehalten (§ 129 Absatz 1 und 2 SGB V) – ein wirkstoffgleicher Austausch erfolgt bei Biosimilars jedoch gerade nicht. „Deshalb wird davon ausgegangen, dass die unterschiedliche Verwendung des Begriffs ‚wirkstoffgleich‘ in der Praxis als widersprüchlich bewertet wird“, heißt es weiter.

Keine Kritik an fachlichen Erwägungen

Nach Einschätzung des BMG stehe die vorgeschlagene Regelung daher dem Gesetzeswortlaut entgegen und sei folglich rechtswidrig. Gleichzeitig unterstreicht Müller, dass die fachlichen Erwägungen des Beschlusses nicht Gegenstand der Beanstandung seien – insbesondere nicht jene zu den Austauschmöglichkeiten von Biosimilars. Gleichwohl könne das Ministerium ein Inkrafttreten der aus seiner Sicht rechtswidrigen Regelungen nicht tolerieren. Aus diesem Grund fordert es den G-BA auf, den Beschluss „unter Beachtung der sozialgesetzlichen Vorgaben zu biologischen Arzneimitteln und Biosimilars neu zu fassen“.

Biologika-Austausch in Apotheken – ein zähes Ringen

Sind Biologika und die daran angelehnten Biosimilars auf Apothekenebene gegeneinander austauschbar – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? An diesen Fragen arbeitet sich die Fachwelt bereits seit einigen Jahren ab. Fahrt nahm die Debatte auf durch das im Juni 2019 beschlossene Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Darin war vorgesehen, dass der G-BA bis 16. August 2022 einen Beschluss fassen sollte, wie der automatische Austausch von Biologika in Apotheken aussehen könnte. Diese Frist konnte zunächst nicht eingehalten werden – dann verschob sie die Ampel auf Drängen der Beteiligten mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz um ein Jahr auf den 16. August 2023. Zudem beschränkte der Gesetzgeber den Auftrag an den G-BA „zunächst“ auf die Austauschbarkeit von Biologika in parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patientinnen und Patienten. An diesen im Juni gefassten Beschluss muss das Gremium nun nochmals Hand anlegen.

Die Idee, auch für Biosimilar-Fertigpräparate einen automatischen Austausch in den Apotheken zu ermöglichen, ist allerdings noch nicht vom Tisch. Zwar hat der G-BA seinen Auftrag aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorfristig erfüllt – einen weitergehenden Auftrag mit entsprechender Fristsetzung hat das Gremium laut einer G-BA-Sprecherin bisher nicht erhalten. Aus der im Gesetz gewählten Formulierung „zunächst“ ist aber abzuleiten, dass ein solcher womöglich noch folgen könnte.


Christina Grünberg (gbg), Apothekerin, Betriebswirtin (IWW), DAZ-Redakteurin
cgruenberg@daz.online


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