Sozialgericht Oldenburg

73-jähriger Herzpatient erhält vorerst keine COVID-19-Impfung

Berlin - 22.01.2021, 17:30 Uhr

Wer wird zuerst geimpft? Die Corona-Impfverordnung beschäftigt derzeit Gerichte. (Foto: imago images / Action Pictures)

Wer wird zuerst geimpft? Die Corona-Impfverordnung beschäftigt derzeit Gerichte. (Foto: imago images / Action Pictures)


Während eine Hamburger Krebspatientin eine COVID-19-Impfung erhalten hat, obwohl sie nach der Corona-Impfverordnung nicht mit „höchster Priorität“ zu impfen ist, scheiterte in Niedersachsen jetzt ein 73-jähriger herzkranker Mann mit seinem Antrag auf vorgezogene Impfung vor Gericht.

Ein 73-jähriger Mann, der unter einer schweren Herzerkrankung leidet und damit das Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf hat, wollte sich vor dem Sozialgericht Oldenburg eine vorzeitige Impfung verschaffen. Doch mit seinem Eilantrag, das niedersächsische Gesundheitsministerium zu verpflichten, ihm sofort eine Impfung gegen das Coronavirus zu verschaffen, ist er nun gescheitert.

Was war passiert?

Der Antragsteller hatte beim für seinen Wohnort zuständigen Impfzentrum nach einer COVID-19-Impfung gefragt. Doch dort wurde er darauf hingewiesen, dass er nicht zu dem Personenkreis gehöre, der derzeit geimpft werde. Der Mann wandte sich daraufhin an das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung. Dort machte er geltend, dass er einen Anspruch auf sofortige Impfung habe, da er aufgrund seines Alters und der schweren Gesundheitsstörungen ein signifikant erhöhtes Risiko trage, nach einer Infektion mit dem Virus schwer zu erkranken oder zu versterben. Diesen Antrag lehnte das Ministerium mit dem Hinweis darauf ab, dass die gültige Corona-Impfverordnung eine Impfung des Antragstellers erst ermögliche, sobald alle unter die Gruppe nach § 2 CoronaImpfV fallenden Personen (Schutzimpfungen mit höchster Priorität, 1. Gruppe) vollständig geimpft seien. Er falle erst in die Gruppe der von Schutzimpfungen mit „hoher Priorität“ (§ 3 CoronaImpfV). Das Ministerium sei an diese in der Verordnung vorgenommene Priorisierungsentscheidung des Verordnungsgebers gebunden.

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Daraufhin suchte der Mann zunächst beim Verwaltungsgericht Oldenburg einstweiligen Rechtsschutz. Dort wurde er allerdings an das Sozialgericht Oldenburg verwiesen. Und dieses folgte nun der Argumentation des Ministeriums, dass der Antragsteller nicht der zuerst zu impfenden Gruppe von Personen nach § 2 CoronaImpfV angehöre. Eine Öffnungsklausel, die es möglich machen würde, ihn im Rahmen einer Einzelfallentscheidung dieser Gruppe zuzuordnen, sei in der Verordnung nicht enthalten.

Priorisierung nicht zu beanstanden – Verordnungsgeber hat weiten Gestaltungsspielraum

Nach Auffassung des Gerichts ist es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Wahrung der dem Gesetzgeber obliegenden Schutzpflichten nicht zwingend erforderlich, die gewünschte vorgezogene Impfung sicherzustellen. Die vom Verordnungsgeber in der Corona-Impfverordnung normierten Priorisierungsentscheidungen wahrten die Schutzpflichten hinreichend, so das Gericht. Hier bestehe ein weiter Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielraum, der Raum lasse, etwa mit dem Schutz des Individualinteresses konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Die in der Corona-Impfverordnung getroffenen Priorisierungsentscheidungen hielten sich in diesem weiten Gestaltungsspielraum.

Da gegenwärtig noch nicht ausreichend Corona-Impfstoffe verfügbar seien, sei es nicht zu beanstanden, wenn zunächst die in § 2 CoronaImpfV genannten Personen geimpft würden. Die priorisierte Impfung der über 80-Jährigen und Heimbewohner diene nicht allein deren individuellem Schutz, sondern in hohem Maße auch dem Schutz der Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen. Denn bei dieser Personengruppe bestehe ein signifikant erheblich größeres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sodass eine besondere Belastung der Intensivkapazitäten in den Kliniken zu erwarten sei. Ein krankheitsbedingter Ausfall ebenfalls höchst prioritär zu impfenden Betreuer dieser Personen würde ebenfalls die Funktionsfähigkeit der medizinischen Versorgungseinrichtungen gefährden.

Das Gericht sah auch keine besondere Eilbedürftigkeit. Es sei dem Antragsteller zumutbar, sich vor einer Ansteckung durch verstärkte Schutzmaßnahmen und Kontaktvermeidung zu schützen – gerade auch weil er zeitnah mit einer Impfung rechnen könne. Er sei der Gruppe zuzuordnen, für die nach Abschluss der laufenden Impfungen eine Impfung erfolgen würde.

Erst Anfang der Woche wurde bekannt, dass eine Krebspatientin kurz vor der OP und Chemotherapie eine vorgezogene Impfung vor Gericht erwirken konnte. Das Landgericht Hamburg hatte die Auffassung vertreten, dass der Verordnung eine adäquate Härtefallregelung fehlt, die Einzelfallentscheidungen erlaubt. Am 20. Januar wurde sodann in der Stadt Hamburg ein Verfahren etabliert, nach dem Härtefälle geprüft und nach medizinischer Prüfung vorrangig geimpft werden können.

Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 21. Januar 2021, Az.: S 10 SV 1/21 ER - nicht rechtskräftig



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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