ABDA-Geschäftsbericht 2019/2020

Schmitz fordert „mehr Beinfreiheit in der Offizin“

Berlin - 29.10.2020, 13:00 Uhr

Dr. Sebastian Schmitz, Hauptgeschäftsführer der ABDA, betont in seinem Bericht die großen Leistungen der Apothekenteams während der Pandemie. (c / Foto: imago images / Jürgen Heinrich)

Dr. Sebastian Schmitz, Hauptgeschäftsführer der ABDA, betont in seinem Bericht die großen Leistungen der Apothekenteams während der Pandemie. (c / Foto: imago images / Jürgen Heinrich)


Im Vorwort zum Geschäftsbericht der ABDA für 2019/2020 fordert ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz „mehr Beinfreiheit in der Offizin“. Der Bericht enthält neben vielen bekannten Fakten einige Hinweise auf neue Aktivitäten der EU-Kommission. Demnach hat die Kommission eine Studie zu den Ausbildungsinhalten für Apotheker ausgeschrieben und bemüht sich um einheitliche Regeln für die Auswertung von Gesundheitsdaten in Big-Data-Projekten. Außerdem gibt es Daten zur Alarmquote bei Securpharm.

Den Geschäftsbericht der ABDA präsentiert der Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz normalerweise beim Deutschen Apothekertag. Die Fakten aus dem Bericht sind dann üblicherweise schon bekannt. Interessanter sind die Auswahl der vorgestellten Themen, womit der Hauptgeschäftsführer eine politische Wertung ausdrückt, und ergänzende Neuigkeiten, die noch nicht im gedruckten Bericht stehen. In diesem Jahr steht jedoch nur der gedruckte Bericht zur Verfügung. Er ist am 26. Oktober erschienen.

Größere pharmazeutische Spielräume

In seinem Vorwort erklärt Schmitz, die vielen wichtigen Themen für die Apotheker seien durch die Pandemie nicht obsolet geworden. Er nennt die Einführung des E-Rezeptes, die Digitalisierung von Arbeits- und Kommunikationsprozessen und die ordnungspolitischen Herausforderungen für den Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung. Doch auch diese Themen stünden im Zusammenhang zur Pandemie. Denn in der Pandemie zeige sich besonders, dass das wohnortnahe und dezentrale System der Apotheken unverzichtbar sei. In den vorigen Monaten hätten Öffentlichkeit und Politik die Apotheken als besonders „krisenresilient“ wahrgenommen. Daraufhin argumentiert Schmitz, Apotheken müssten dauerhaft größere pharmazeutische Spielräume bekommen. Die starke Zunahme von Lieferengpässen erfordere „mehr Beinfreiheit in der Offizin“, sonst könnten Patienten nicht sicher versorgt werden. Zudem betont Schmitz die großen Leistungen der Apothekenteams während der Pandemie und folgert: „Und die Erfahrung dieser Krise hat nicht nur ihre letzten Monate geprägt, sondern wird wohl auch im positiven Sinne prägend sein für die politische Gestaltung ihrer Zukunft in den nächsten Jahren.“

Berichte zum Europarecht

Da der Bericht den Informationsstand vom Mai 2020 beschreibt, sind die meisten Inhalte längst bekannt. Doch an einzelnen Stellen des Berichts liefert die ABDA einige zusätzliche oder bisher kaum beachtete Informationen. Dies betrifft insbesondere das Europarecht. Demnach hat die EU-Kommission ihre langjährigen Bemühungen zur Deregulierung der freien Berufe im Berichtszeitraum fortgesetzt. In einem neuen langfristigen Aktionsplan für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften habe die EU-Kommission angekündigt, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten eine „Task Force“ zu gründen. Allerdings werde das Berufsrecht dabei nicht als Schwerpunkt erwähnt.

Zum EuGH-Urteil über die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 4. Juli 2019 betont die ABDA, das Gericht gehe dabei nicht so weit wie bei der Entscheidung zur Arzneimittelpreisbindung vom 16. Oktober 2016, die allerdings von einer anderen Kammer des Gerichts stammt. Gemäß dem Urteil zu den Architektenhonoraren muss ein Mitgliedstaat zwar darlegen, dass seine Regelungen für das gesetzte Ziel geeignet und erforderlich sind, aber er muss nicht belegen, dass sich das Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme erreichen lässt.

Außerdem informiert die ABDA über die Richtlinie 2018/958/EU zur Verhältnismäßigkeitsprüfung vor dem Erlass neuer Berufsreglementierungen. Diese Richtlinie sei bis Juni 2020 umzusetzen gewesen. Der ABDA und den Landesapothekerkammern sei in diesem Zusammenhang gelungen, in einzelnen Bundesländern zunächst geplante Einschränkungen der Regelungsbefugnisse der Kammern und neue Genehmigungserfordernisse für Kammersatzungen zu verhindern.

Neue Studie zur Apothekerausbildung in Europa

Zusätzlich zu diesen bekannten Aspekten des Europarechts berichtet die ABDA über ein neues Thema. Die EU-Kommission habe eine Ausschreibung für eine Studie gestartet, „mit der eine mögliche Aktualisierung und Modernisierung der apothekerlichen Ausbildungsinhalte in der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie vorbereitet werden soll“. Erfahrungsgemäß dauere ein solches Verfahren mehrere Jahre. Die ABDA bringe sich in die Ermittlung des gegenwärtigen Ausbildungsstands und in die Positionierung der europäischen Apotheker ein.

EU-Kommission will Gesundheitsdaten für Big Data nutzen

Als weitere Aktivität der EU-Kommission erwähnt die ABDA die forcierte Diskussion „um die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Nutzung von Gesundheitsdaten“ unter dem Schlagwort „European Health Data Space“. Gesundheitsdaten seien gemäß der EU-Datenschutzgrundverordnung besonders schützenswert. Um diese im Rahmen von Big-Data-Analysen auswerten zu können, möchte die EU-Kommission die Regelungskonzepte zwischen den EU-Staaten abstimmen. Die ABDA verfolge diese Diskussion gemeinsam mit der europäischen Apothekerorganisation ZAEU und bemühe sich dabei, die heilberufliche Position der Apotheker mit ihrer besonderen Vertrauensbeziehung zu den Patienten hervorzuheben. Beachtenswert erscheint insbesondere der Hinweis der ABDA, dass diese europäische Debatte inhaltlich stark mit den gesetzgeberischen Aktivitäten zur Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland verknüpft sei.

0,26 Prozent Alarmquote bei Securpharm

Eine weitere Neuigkeit im Geschäftsbericht der ABDA sind wohl die jüngsten Daten zum Securpharm-System. Demnach lag die Stabilität im ersten Betriebsjahr bei 99,83 Prozent. Das Ziel sei die hundertprozentige Verfügbarkeit. Die Abweichung von diesem Ziel beruhe insbesondere auf einer Systemstörung im August 2019. Ein weiteres Ziel sei die Minimierung von Fehlalarmen. Anfang Mai 2020 sei die Alarmquote auf 0,26 Prozent der Transaktionen gesunken. Dies sei weit niedriger als im europäischen Durchschnitt. Dieser betrage 0,58 Prozent. Dennoch merkt die ABDA an, dass die absolute Fehlerzahl „noch deutlich zu hoch“ sei. Zur Verringerung von Fehlalarmen weise die ABDA kontinuierlich auf mögliche Ursachen hin und stelle umfassende Informationen bereit. Aufgedeckte tatsächliche Fälschungen meldet die ABDA in ihrem Geschäftsbericht nicht.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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