Deutscher Apothekertag 2022

„Mit Fug und Recht historisch“

ABDA-Hauptgeschäftsführer würdigt pharmazeutische Dienstleistungen

tmb | ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz hob die ­Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen in seinem Geschäftsbericht als „historisch“ hervor. Als aktuelle Kontroverse stand die geplante Erhöhung des Apothekenabschlags im Mittelpunkt. Das E-Rezept sprach Schmitz erst am ­Ende seines Berichts an, womit er wohl die große Bedeutung der Digitalisierung für die Zukunft unterstreichen wollte.
Foto: DAZ/Alex Schelbert

ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz sieht in Impfungen und pharmazeutischen Dienstleistungen Ereignisse, die sich erheblich auf die Berufsausübung auswirken werden.

Am Bericht des Hauptgeschäftsführers beim Apothekertag sind üblicherweise zwei Aspekte besonders interessant: Erstens, welche der vielen Ereignisse des Berichtsjahres hebt er bei dieser Gelegenheit hervor? Zweitens, welche Erwartungen zur Zukunft beschreibt er? In diesem Jahr erklärte Schmitz zunächst, auch in dieser Zeit mit ihren „abnormen Zuständen“ – wie die Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine – gebe es Gutes zu berichten.

Erfahrungen aus der Pandemie

Schmitz blickte auf den bisherigen Verlauf der Pandemie zurück und ­erklärte zum Umgang damit: „Wir ­haben in den Jahren der Pandemie zwar gelernt, die richtigen Fragen zu stellen, in deren Beantwortung sind Gesellschaft und Politik aber nicht viel sicherer geworden.“ Zur derzeitigen Lage stellte Schmitz fest, inzwischen stünden die Apotheken vor einer Situation, in der sie nicht mehr hinreichend wahrgenommen würden, weil ihre ­Arbeit „lautlos erfolgt“. Dies zeige die geplante Erhöhung des Apotheken­abschlags. Doch der Dank für die Leistungen in der Pandemiebekämpfung dürfe nicht die Kürzung des Honorars sein, erklärte Schmitz. Außerdem kritisierte er das Setzen äußerst kurzer Fristen für Stellungnahmen zu Gesetz- und Verordnungsentwürfen, das in der Pandemie leider zur Gewohnheit geworden sei. Doch die Verbändebeteiligung an der Rechtssetzung sei „keine überflüssige Formalie, sondern wesent­licher Bestandteil des demokratischen Verfahrens“, mahnte Schmitz.

Zusätzliche Kompetenzen

Dann kam Schmitz auf die positiven Aspekte zu sprechen – auf Ereignisse, „die sich erheblich auf die zukünftige Art und Weise der Berufsausübung auswirken werden“: die Grippeimpfungen in Apotheken und die pharmazeutischen Dienstleistungen. Außer in den Apotheken seien die Kompetenzen auch auf der Ebene der Berufsorganisationen ausgeweitet worden. Die Bundesapothekerkammer habe eine eigenständige Rolle bei der Definition der Schulungsanforderungen für die COVID-19-Impfungen und bei der Erstellung der Richtlinie für die praktische PTA-Ausbildung erhalten. Außerdem sei der Deutsche Apothekerverband Melde­stelle für die Impfzertifikate und habe per Rechtsverordnung die Aufgabe ­erhalten, sein Meldesystem für die Impfsurveillance bei Impfungen in den Apotheken bereitzustellen. Diese Entwicklungen seien mit Blick auf die eigenen strategischen Ziele nicht hoch ­genug zu bewerten, erklärte Schmitz und verwies dazu auf Forderungen im mittlerweile aktualisierten Perspektivpapier 2030. Im Jahr 2022 gebe es nicht mehr nur Ideen für erweiterte Kompetenzen, sondern es seien mit pharmazeutischen Dienstleistungen, Grippeimpfungen und Funktionen bei der ­Digitalisierung „erlebbare und rechtlich abgesicherte Kompetenzen hinzugekommen“. Dazu erinnerte Schmitz an die lange Entwicklung der pharmazeutischen Dienstleistungen, ausgehend von einem ABDA-Thesenpapier zur pharmazeutischen Betreuung von 1993. Der Kerngedanke dabei sei ­immer gleich: „Die Kombination aus Expertentum, ausgeübt als freier Beruf, und unmittelbarer Nähe zu den Patientinnen und Patienten erzeugt einen Nutzen, den andere nicht erzeugen können.“ Nun seien die pharmazeutischen Dienstleistungen in der Regelver­sorgung angekommen. Dies könne für den Berufsstand „mit Fug und Recht als historisch bezeichnet werden“.

Etappenziel zur ­Approbationsordnung

Ein langer Atem sei auch bei den ­notwendigen Änderungen der Approbationsordnung erforderlich. Dazu ­erinnerte Schmitz an das erreichte „Etappenziel“. Die Bundesapothekerkammer habe einem Positionspapier dazu zugestimmt. Schmitz fasste dies zusammen, berichtete dazu aber keine Neuigkeiten.

Honorarkürzung statt Dank für Corona-Mühen

Trotz der Entwicklung bei den pharmazeutischen Dienstleistungen bleibe die Inkohärenz der politischen Entscheidungen ein Ärgernis, kritisierte Schmitz. Denn was helfe es zukunftsorientierte Leistungen auszubauen, wenn im nächsten Gesetzesvorhaben „mit einem Rückgriff auf uralte Instrumente den Apotheken die Grundlage für diese Leistungen genommen wird“. Mit dem GKV-Finanzstabilisierungs­gesetz wolle die Regierung wieder einmal an einer der einfachsten Stellschrauben zur Kostenreduzierung drehen: dem Apothekenabschlag. „Einfach ist aber nicht immer besonders gut, hier ist es besonders schlecht“, folgerte Schmitz. Die Apotheken seien in der Corona-Krise an ihre Belastungsgrenze gegangen und sollten gemäß dem Koalitionsvertrag gestärkt werden. Kern der Argumentation gegen die Honorarkürzung bleibe die Feststellung, dass die Apotheken keine Kostentreiber sind und dass die Kostenentwicklung keine Honorarkürzung zulasse.

Keine Inhalte zur ­Organisationsüberprüfung

Zur Öffentlichkeitsarbeit der ABDA verwies Schmitz auf die zunehmende Nutzung sozialer Medien in der Pandemie, den schon fünf Jahre bestehenden Newsroom sowie die Kampagne in ­neuem Look und mit neuem Claim „Einfach da für Dich“. Zur Überprüfung der Organisation der ABDA ­erinnerte er an den im Mai veranstal­teten „Konvent“. Die Ergebnisse der ­Analyse und Diskussion würden in ein Gesamtkonzept eingebracht, das im nächsten Schritt in den Gremien beraten werde. Doch Schmitz ließ in keiner Weise erkennen, was dort inhaltlich beraten wird und welche Veränderungen zu erwarten sind.

Datensicherheit als neues ­Diskussionsthema von der EU

Dagegen klang bei seinem Bericht über die Arbeit der ABDA im Rahmen der europäischen Apothekerorganisation ZAEU an, dass einige laufende Projekte der Europäischen Union noch folgenreich sein könnten. Es sei unver­kennbar, dass die EU ihren Einfluss auf die europäischen Gesundheits­systeme stetig weiter ausbauen wolle, erklärte Schmitz. Das Projekt einer Euro­päischen Gesundheitsunion werde seit 2020 zielstrebig vorangetrieben. Die EU wolle insbesondere den Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) befördern, der die Datenschutzanforderungen massiv beeinflussen werde. Es gehe beispielsweise um die Frage: „Ist es wichtiger, Daten zu schützen oder Daten zu nutzen?“ Das betreffe die Rechte des Einzelnen und das Nutzungsinteresse der Gesellschaft. Dazu seien noch wichtige Diskussionen zu erwarten. Weitere wichtige europäische Themen seien der „Green Deal“ mit dem Europäischen Klimagesetz und das Paket „Fit für 55“ mit der Überarbeitung von klima-, energie- und ­verkehrsbezogenen Rechtsvorschriften.

E-Rezept in den Apotheken ­angekommen

Als letzten Aspekt sprach Schmitz das E-Rezept an. Da er keinen Ausblick ­formulierte, sollte damit wohl angedeutet werden, dass dieses Thema die Zukunft besonders prägen wird. Schmitz stellte allerdings fest, dass die Digitalisierung trotz der Prioritätensetzung durch die Politik in Deutschland eine „Geschichte von Terminsetzungen und Termin­verschiebungen“ bleibe. Doch seit dem 1. September müssten die Apotheken E-Rezepte verarbeiten können. Dies sei ein Beweis für die Digital-Affinität der öffentlichen Apotheken, folgerte Schmitz. Nun sollte den Patienten vermittelt werden, dass die öffentliche Apotheke der beste Ort zur Einlösung des E-Rezepts sei. ­Außerdem müsse die Verarbeitung des E-Rezepts reibungslos und rechtlich ­sicher erfolgen und die Patientendaten müssten sicher sein. Das Motto „egal wie, Hauptsache schnell“ sei hier nicht zu akzeptieren, erklärte Schmitz und gab zu verstehen, dass die ABDA bei dieser Arbeit erfolgreich gewesen sei. Zudem vermittelte Schmitz einen Überblick über die zahlreichen Detailaufgaben der ABDA im Zusammenhang mit dem E-Rezept und nahm dies zum Anlass für seinen Dank an das ABDA-Team. Die anschließende Gelegenheit zur Diskussion nutzten die Delegierten nicht. |

 

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