Zweitkarriere für Gelenkpräparate

Studie: Schützt Glucosamin Herz und Gefäße?

Berlin - 20.05.2019, 09:00 Uhr

Doppeleffekt für ältere Patienten? Einer neuen Studie zufolge, könnten Gelenkpräparate mit Glucosamin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senken. (c / Foto: imago images / Panthermedia)

Doppeleffekt für ältere Patienten? Einer neuen Studie zufolge, könnten Gelenkpräparate mit Glucosamin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse senken. (c / Foto: imago images / Panthermedia)


Während der Nutzen von Glucosamin bei Arthrose noch umstritten ist, haben Forscher eine erfreuliche „Nebenwirkung“ der Supplemente entdeckt: Die Ergebnisse einer Kohortenstudie mit über 400.000 Datensätzen zeigten, dass die Einnahme von Glucosamin mit einem geringeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert war. Über einen kausalen Zusammenhang lässt sich derzeit nur spekulieren. Um zu beurteilen, ob sich die Supplemente zur Kardioprävention eignen, dafür wären weitere Studien erforderlich.

Nahrungsergänzungsmittel mit Glucosamin sollen Arthrosebeschwerden lindern. Ob die Supplemente tatsächlich die Gelenke schmieren, darüber streitet die Wissenschaft. Doch das Glykosaminglykan kann offenbar noch mehr: Einer prospektiven Kohortenstudie zufolge, deren Ergebnisse vor kurzem im British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht wurden, könnten die Arthrose-Supplemente das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen senken.

Mehr als 400.000 Datensätze

Dazu wertete das internationale Forscherteam unter Leitung der Tulane Universität New Orleans Daten der UK-Biobank von 466.039 Personen aus, die zu Studienbeginn keine Herz-Kreislauferkrankungen aufwiesen. Die Teilnehmer wurden durchschnittlich über sieben Jahre beobachtet. Die Wissenschaftler erfassten dabei unter anderem, welche Nahrungsergänzungsmittel eingenommen wurden. Als Endpunkte werteten die Forscher aus, wie viele Teilnehmer im Studienverlauf eine koronare Herzkrankheit entwickelten, einen Schlaganfall erlitten oder aufgrund von kardiovaskulären Ursachen verstarben.

19,3 Prozent der Teilnehmer hatten Glucosaminpräparate eingenommen. Genauere Angaben zur Dosierung nennt die Publikation allerdings nicht. Die Glucosaminverwender waren zu 64 Prozent weiblich und zeichneten sich im Vergleich zur Gesamtpopulation durch einen höheren Nichtraucher- und einen geringeren Diabetikeranteil aus. Außerdem wiesen die Teilnehmer der Glucosamingruppe höhere Blutdruck- und Cholesterinwerte auf und nahmen mehr Vitaminpräparate und NSAR (außer ASS) ein. Die beiden Gruppen wiesen jeweils ähnliche genetische Risikoscores für KHK und Schlaganfall auf, die über die Datensätze der UK-Biobank zuvor validiert wurden.

Kardiovaskuläres Risiko um 15 Prozent gesenkt

Bei den Glucosaminverwendern war das adjustierte Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse um 15 Prozent vermindert. Im Einzelnen war in der Glucosamingruppe das Risiko für Schlaganfälle um 9, für koronare Herzkrankheit um 18 und für den kardiovaskulären Tod um 22 Prozent verringert.

Simuliert Glucosamin eine „low-carb" - Ernährung?

Die Effekte für den kombinierten Endpunkt kardiovaskuläre Ereignisse (Schlaganfall, KHK und kardiovaskulärer Tod) waren über viele Subgruppen konsistent wie etwa bei unter und über 55-Jährigen, Rauchern oder Nicht-Rauchern. Unterschiede gab es bei den Diabetikern oder denjenigen, die NSAR einnahmen: Bei diesen Personengruppen verlor sich die Signifikanz für den Vorteil unter Glucosamin.

Weshalb sich das Gelenkpräparat positiv auf das kardiovaskuläre Risiko auswirken soll, dafür gibt es aus Sicht der Autoren verschiedene Hypothesen. Einerseits würden Tierversuche darauf hinweisen, dass Glucosamin durch Hemmung der Glykolyse die Effekte einer kohlenhydratarmen Ernährung simulieren würde. Und „low-carb“ werden beim Menschen präventive Effekte für Herz und Gefäße zugeschrieben.

Mögliche antientzündliche Effekte

Die zweite Theorie zielt auf mögliche antientzündliche Effekte des Glykosaminglykans ab: Dem National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) zufolge, ist die Glucosamin-Einnahme mit niedrigeren Werten von C-reaktivem Protein (CRP), ein Marker für systemische Entzündungen, verbunden. Neueren Erkenntnissen zufolge spielen chronische Entzündungsprozesse bei der Pathophysiologie von Herz-Kreislauferkrankungen ebenfalls eine Rolle.

Allerdings, räumen die Autoren ein, könnten die Ergebnisse auch dadurch verzerrt sein, dass die Glucosaminverwender insgesamt einen gesünderen Lebensstil führten, was sich zusätzlich risikominimierend auswirken könnte. Um einen möglichen kausalen Zusammenhang von Glucosamin zu überprüfen, wären weitere Studien erforderlich. Interessant wären in dem Zusammenhang auch Dosis-Wirkungsbeziehungen.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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