Valsartan-Rückrufe

LAV-BaWü-Chef Becker: Wie kann eine solche Verunreinigung nirgends auffallen?

Stuttgart - 13.07.2018, 09:00 Uhr

LAV-Präsident Fritz Becker wundert sich, dass in rund 20 Hersteller-Betrieben, die valsartanhaltige Arzneimittel produzieren und die offenbar denselben Wirkstofflieferanten haben, nirgends eine Verunreinigung im Rahmen der Qualitätskontrolle aufgefallen ist. (s / Foto:LAV )

LAV-Präsident Fritz Becker wundert sich, dass in rund 20 Hersteller-Betrieben, die valsartanhaltige Arzneimittel produzieren und die offenbar denselben Wirkstofflieferanten haben, nirgends eine Verunreinigung im Rahmen der Qualitätskontrolle aufgefallen ist. (s / Foto:LAV )


Vor dem Hintergrund des flächendeckenden Rückrufs valsartanhaltiger Arzneimittel fordert der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) ein stärkeres Engagement der Arzneimittelhersteller bei der Qualitätskontrolle ihrer Produkte. Außerdem müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit Wirkstoffproduktion auch wieder in Europa und unter europäischen Standards stattfinde, heißt es in einer Mitteilung. 

LAV-Präsident Fritz Becker sieht hier in erster Linie die Hersteller der Arzneimittel in der Pflicht, auf die massiven Rückrufe von Arzneimitteln, in denen der potenziell verunreinigte Wirkstoff Valsartan des chinesischen Herstellers Zhejiang Huahai Pharmaceutical verbaut wurde, zu reagieren: „Bei allem Verständnis dafür, dass überall auch mal Fehler passieren können: Ich frage mich schon, wie es sein kann, dass in rund 20 Hersteller-Betrieben, die valsartanhaltige Arzneimittel produzieren und die offenbar denselben Wirkstofflieferanten haben, nirgends eine solche Verunreinigung im Rahmen der Qualitätskontrolle aufgefallen ist.“ Becker fordert die Hersteller deshalb auf, ihre Bemühungen um eine strenge Qualitätskontrolle im Sinne des Patienten noch weiter zu verbessern. „Trotz aller Sparbemühungen in der Arzneimittelversorgung und des wirtschaftlichen Drucks, den die Hersteller hierdurch haben, können und dürfen wir uns keine Nachlässigkeiten bei der Qualität unserer Arzneimittel erlauben. Wir müssen uns auch weiterhin darauf verlassen können, dass die Arzneimittel, die unsere Patienten zum Teil lebensnotwendig brauchen, qualitativ einwandfrei in der Apotheke ankommen.“

„Man darf sich nicht allein auf Zertifikate von irgendwo verlassen“

Allein auf Zertifikate, die irgendwo in der Welt ausgestellt wurden und die die Qualität der Wirk- oder Ausgangsstoffe für unsere Arzneimittel verbriefen sollen, dürfe man sich bei den Herstellern der Endprodukte nicht verlassen, meint Becker. Hier müssten mindestens Proben gezogen werden, die sorgfältig analysiert werden und die die bescheinigte Qualität auch einwandfrei bestätigten. „So etwas, wie derzeit, darf nicht noch einmal passieren. Hier sind jetzt klar und eindeutig die Hersteller gefordert, in einer Art Qualitätsoffensive das Vertrauen in ihre Produkte wieder herzustellen“, sagt Becker.

Auch an den Gesetzgeber richten sich die Forderungen. „Auch wenn der Ball im Augenblick sicher bei den Herstellern liegt: Die deutsche und auch die europäische Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, damit Wirkstoffproduktion auch wieder in Europa und unter europäischen Standards stattfindet“, so Becker. Mittlerweile würden Generika wie auch Originalpräparate immer häufiger im Ausland produziert. Heute kommen mehr als vier von fünf Wirkstoffen aus Indien oder China – und nehmen dabei zum Teil eigenartige Wege, bis sie eine deutsche Apotheke erreichen. Becker: „In Asien hergestellt, in Ungarn oder Rumänien verpackt, in Malta kontrolliert und zum Schluss nach Deutschland transportiert – solche globalen Wege sind für Arzneimittel längst keine Ausnahme mehr. Dass das der Qualität wenig zuträglich ist, dürfte klar sein.“


jb / DAZ.online
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7 Kommentare

Ph.Eur und so weiter...

von AR am 16.07.2018 um 17:37 Uhr

Solange nicht geklärt ist mit welchem Gehalt die Verunreinigung überhaupt enthalten ist, ist es doch absolut zweckfrei den Schwarzen Peter zu verteilen..

Wenn wir die, im Studium so geliebte, Ph.Eur zu rate ziehen sehen wir, dass unbekannte Verunreinigungen bis 0,1% toleriert werden und bis 0,05% sogar ignoriert werden dürfen. Wenn jetzt die Summer aller Verunreinigungen auch noch niedriger als 0,3% ist haben wir ein "sauberes Produkt"

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Haarsträubender Unfug

von W. Berger am 14.07.2018 um 22:57 Uhr

Einen unqualifizierteren, dümmlicheren Kommentar, wie den des Herrn Müller, hat man wohl selten gelesen. Haarsträubend, was der Mann da für einen Unfug von sich gibt!

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AW: Nachtrag!

von W. Berger am 14.07.2018 um 23:05 Uhr

Den absolut schlüssigen Ausführungen des werten Herrn Kollegen Fritz Becker hingegen ist uneingeschränkt zuzustimmen! Chapeau!

Vertrauenswürdige Zertifikate

von Norbert Veicht am 14.07.2018 um 9:44 Uhr

Ich sehe da einen erheblichen Unterschied, ob das Zertifikat von einem Hersteller in einem weit entfernten Billiglohnland stammt, oder aus einem Betrieb, der EU-Recht unterliegt. Glauben Sie denn wirklich, dass sich die Hersteller in Ländern, in denen ein Menschenleben nicht viel zählt, an unsere GMP-Regeln ... halten?

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AW: AW: Vertrauenswürdige Zertifikate

von W. Berger am 14.07.2018 um 23:20 Uhr

@ Norbert Veicht:
Exakt! Denn in einem Kulturkreis, in dem z.B. Katzen und Hunde verspeist werden, ist vieles mit unseren Vorstellungen nicht vereinbar.

Ball flach halten No. II

von Wolfgang Müller am 13.07.2018 um 11:41 Uhr

Lieber Kollege Becker,

manchmal frage ich mich, ob dem DAV als Sachwalter der Geschäfte selbständiger Unternehmer/innen die Konsequenzen bestimmter Äußerungen und Maßnahmen klar sind.

Beurteile ich den aktuellen Valsartan-Sachverhalt wirklich als DERMASSEN alarmierend wie Sie es hier ausführen, und schmeiße ich das arbeitsteilige System um, dass ich mich auf "Zertifikate" (also Freigaben) bestimmter Hersteller verlassen kann, die im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung eben auch im Ausland zur Herstellung solcher "zertifizierten" Produkte berechtigt sind, bedeutet das:

Jeder zur Herstellung eines Endprodukts verwendete Wirkstoff muss von JEDEM Endprodukt-Hersteller in seinem Betrieb schon erst einmal auf BEKANNTERMASSEN mögliche Verunreinigungen untersucht werden.

Also auch und gerade in der Apotheke.

Denn solch eine extreme Vielfalt verschiedenster Arten von insbesondere potentiell krebserregend verunreinigten Wirkstoffen gibt es sonst nirgends. Sogar pflanzliche, was da alles drin sein kann.

Die Industrie macht diese Verunreinigungs-WE-Kontrolle ja jetzt schon, aber eben in eher zurückhaltendem Umfang, und definitiv mindestens beschränkt auf BEKANNTE mögliche Verunreinigungen. Aber die Konsequenzen gingen ja weiter:

Denn darüber hinaus dürften auch die Apotheken als Endprodukt-Hersteller sich entspr. Ihren Ausführungen nicht nur auf die Risiko-Analysen der Wirkstoff-Hersteller verlassen, sondern müssten von ihren eigenen pharmazeutischen Chemikern kontinuierlich ggf. strengere Analysen bzgl. möglicher Verunreinigungen durchführen lassen. ALLER verschiedenen Synthesen bzw. vor Allem auch: Drogen-Anbau- und Extraktions-Verfahren ALLER Wirkstoff-Hersteller (auch: Landwirte).

All diese Risiko-Analysen müsste also realistischerweise "Das Arzneibuch" für uns durchführen. Leisten die Verantwortlichen DORT das denn eigentlich jetzt schon, besser als „die Industrie“?

Woraus sich dann auch jeweils neue Analyse-Verfahren ergäben (meist wohl sowas apparatives wie HPLC), die es in jeder Apotheke zu validieren gälte.

Dass Alles müsste dann gemäß DAV-Vorschlag wohl demnächst so in eine neue Apotheken-Betriebsordnung übernommen werden. Als Verunreinigungs-Wareneingangs-Kontrolle für Rezeptur-Wirkstoffe.

Normal, dass bestimmte Apotheker das so sehen. Bestimmte Apotheker trauen ja noch nicht einmal Identitäts-Zertifikaten der Wirkstoff-Lieferanten, selbst wenn die seit 10 Jahren nach den selben strengen Kriterien von einer Qualified Person persönlich verantwortlich freigegeben werden wie alle unser Fertigarzneimittel.

Dass sich Apotheker/innen immer wieder WIRKLICH auf solche nicht zu Ende gedachten Wege begeben, beweist die Tatsache, dass ich seinerzeit Forderungen nach persönlicher QM- bzw. GMP-Inspektion des von mir geleiteten industriellen Herstellungsbetriebes von Apotheker-Seite bekommen habe. Denn schließlich würden in den Apotheken der Möchtegern-Inspektor/innen Arzneimittel aus diesem Betrieb verkauft.

Vom DAV erhoffe ich mir Anderes. Wie Kollegin Minges schon zum Artikel über „Zwangsfortbildung“ sinngemäß kommentierte: Eine ECHTE Zukunftsstrategie. Keine wohlfeile Aufregung und daraus abgeleitet regelmäßig Forderungen nach mehr Zwang und Kontrolle. Eine Zukunftsstrategie, die uns bitte ein Bestehen im immer schwierigeren Markt unter wesentlich EINFACHEREN Bedingungen mit NIEDRIGEREM Aufwand ermöglicht. Und nicht „Alle Räder stehen still, weil …..“

Mit freundlichen Grüßen,

Wolfgang Müller

PS mir ist schon klar, dass Sie das Alles nicht wirklich wollen können. Aber dann ziehen Sie auch bitte die Konsequenzen, was die Anerkennung von Identitäts-Zertifikaten betrifft. Auch wenn unlogische Stimmen zu erwarten sind: „Also, jetzt doch GERADE nicht!“

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AW: Ball flach halten No. II

von Christian Becker am 13.07.2018 um 14:56 Uhr

Die Forderung, nicht den Zertifikaten zu vertrauen, hat mich auch verwundert. Schließlich gibt es sie genau dafür. Und es ist meines Wissens ja auch nicht so, dass die irgendwer einfach ausstellt. Da finden ja schon vorher Kontrollen statt.

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