Spahn eröffnet conhit

„Digitalisierung muss man nicht erleiden, sondern gestalten“

Berlin - 18.04.2018, 07:00 Uhr

Auch wenn Spahn das Thema Digitalisierung in seiner ersten gesundheitspolitischen Debatte vor einem Monat ausklammerte, zeigte er sich auf der IT-Messe Conhit am gestrigen Dienstag Feuer und Flamme für den Bereich E-Health. (Foto: bj / DAZ.online)

Auch wenn Spahn das Thema Digitalisierung in seiner ersten gesundheitspolitischen Debatte vor einem Monat ausklammerte, zeigte er sich auf der IT-Messe Conhit am gestrigen Dienstag Feuer und Flamme für den Bereich E-Health. (Foto: bj / DAZ.online)


Die Digitalisierung im Gesundheitswesen sei kein Selbstzweck, sondern solle die Patientenversorgung effizienter gestalten, erklärte Jens Spahn auf der Gesundheits-IT-Messe Conhit in Berlin. In seiner Eröffnungsrede kündigte der Bundesgesundheitsminister an, welche drei digitalen Themenfelder sein Ministerium nach der Sommerpause in Angriff nehmen will.

„Auch Digitalisierung hat mittlerweile eine Historie“, eröffnete Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am gestrigen Dienstag die Conhit-Messe in Berlin. Die dreitägige IT-Messe, bei der über 10.000 Teilnehmer erwartet werden, richtet sich an digitale Anbieter und Fachbesucher der Gesundheitsbranche.

Digitalisierung soll Doppelarbeit vermeiden

Seit etwa zehn Jahren nehme die Bedeutung der Digitalisierung im Gesundheitswesen zu, jedoch stoße sie immer noch bei einigen Beteiligten auf Widerstand, erklärte Spahn in Berlin. Mancher Gesundheitsexperte sei des Begriffs inzwischen müde. Doch Spahn sieht nach wie vor große Chancen für Gesundheit und Pflege und betonte mehrfach in seiner Rede, dass er ein „Überzeugter“ der digitalen Transformation des Gesundheitswesens sei. „Digitalisierung muss man nicht erleiden, sondern gestalten“, bekräftigte Spahn.

Dabei sei es wichtig, dass die E-Health-Branche nicht dem Selbstzweck, sondern einer effizienteren Patientenversorgung diene. Mit digitalen Lösungen, welche die relevanten Schnittstellen berücksichtigten, könne Mehrfacharbeit vermieden werden. Wären beispielsweise Pflegeheime und Krankenhäuser miteinander vernetzt, lägen die Daten auf der richtigen Station schon vor, wenn ein älterer Heimbewohner in die Klinik müsse.  

Kompromisse beim Datenschutz notwendig

Die Gesundheitsbranche sei allerdings im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen mit einem hohen Maß an Regulierungen verbunden. So müsse der Datenschutz beachtet werden, wobei aus Sicht von Spahn Kompromisse erforderlich sind: „Übertriebene Datenschutzanforderungen an bestimmten Stellen verunmöglichen, dass Dinge tatsächlich aus Patienten-, Ärzte-, Apotheker- und Pflegesicht effizienter gestaltet werden können. Selbst mit Einwilligung desjenigen, um dessen Daten es hier geht.“   

Telemedizin: Akzeptanz steigt mit dem Mehrwert 

Spahn erklärte, er habe in seinem Ministerium eine Abteilung für Digitalisierung neu eingerichtet, die sich nach der Sommerpause unter anderem den folgenden drei Themen widmen soll: Telemedizin, die Nutzung von Forschungsdaten sowie die Evaluierung von digitalen Produkten zur Prävention wie beispielsweise Gesundheits-Apps.

Die Telemedizin wird die Versorgung in der Fläche verbessern, sagte Spahn. Etwa bei der Hälfte aller Arzt-Patientenkontakte handele es sich um reine Abklärungsfragen, die sich auch per Fernbehandlung beantworten ließen. Des Weiteren wolle er die digitale Patientenakte vorantreiben. „Die Akzeptanz wird kommen, wenn die Erleichterung spürbar wird“, ist sich Spahn sicher. Deshalb müsse die digitale Patientenakte mehr Nutzen bieten, als lediglich die Stammdaten abrufbar zu machen, sagte er, ohne konkrete Zusatzfunktionen zu benennen. Des Weiteren wolle er den elektronischen Medikationsplan weiterentwickeln.

Im Zusammenhang mit der elektronischen Gesundheitskarte verwies Spahn auf seine gesundheitspolitische Karriere vor seinem Amt als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium: „Ich weiß noch, wie wir 2004 die elektronische Gesundheitskarte in einen Gesetzesentwurf geschrieben haben.“ Dass diese 14 Jahre später immer noch nicht umgesetzt sei, bedeute für ihn einen zusätzlichen Ansporn.  

Datenspende für „Big Data“

Ein weiteres digitales Themenfeld sei die breitere Nutzung von Patientendaten, die aus der Forschung kommen und die Spahn als „Big Data“ zusammenfasste. Es gebe „massig“ Versorgungsdaten, die nicht oder nur unzureichend genutzt würden.

Wenn man diese Datenmengen mit künstlicher Intelligenz verknüpfe, ließen sich Krankheitsverläufe vorhersagen, kombinierte Spahn. Auch hier sei der Datenschutz ein limitierender Faktor. Jedoch gibt es nach Ansicht von Spahn viele Patienten, die im Sinne einer „Datenspende“ bereit seien, anderen Betroffenen durch die Auswertung ihrer anonymisierten Daten zu helfen. Der Ethikrat beschäftige sich aktuell mit dem Thema.

TÜV-Siegel für Gesundheits-Apps

Das dritte Thema, mit dem sich Spahn und sein Ministerium befassen wollen, sind digitale Produkte, welche die Bürger zur Prävention nutzten, beispielsweise Gesundheits-Apps. Für die Nutzer ist laut Spahn wenig transparent, wie vertrauenswürdig die Informationen aus diesen Anwendungen sind. Spahn schwebt eine Art Zertifizierung für frei zugängliche Gesundheitsanwendungen vor, wie es bei Medizinprodukte der Fall ist.  

Insgesamt gebe es bei der digitalen Transformation der Gesundheitsbranche noch viel „zu tun und zu heben“, fasste Spahn abschließend zusammen. „Anders als in anderen Bereichen sind wir noch ein Stück hinterher. Aber umso weiter man hinterher ist, umso mehr kann man aufholen. Und das wollen wir in den nächsten drei Jahren tun.“



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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