Bezeichnungen von Arzneimitteln

Vorsicht! Verwechslungsgefahr

Remagen - 22.05.2017, 07:00 Uhr

So einfach ist es bei den meisten Arzneimitteln aus der Apotheke nicht zu erkennen, wogegen man sie einsetzt. (Foto: shidlovski / Fotolia)

So einfach ist es bei den meisten Arzneimitteln aus der Apotheke nicht zu erkennen, wogegen man sie einsetzt. (Foto: shidlovski / Fotolia)


Die Arzneimittelbezeichnung ist ein wichtiges Identifikationskriterium und spielt daher eine bedeutende Rolle für die Arzneimittelsicherheit. Was muss eine Bezeichnung uns denn sagen und was darf sie nicht beinhalten? Hierzu gibt es einen neuen ausführlichen Leitfaden des österreichischen Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen.

Arzneimittelbezeichnungen, das ist ein Thema für sich. Früher waren die Namen gerne einfach und möglichst plakativ. Der emeritierte Pharmazieprofessor Hermann J. Roth hat sich des Sujets einmal in einer launigen historischen Betrachtung angenommen. Als Beispiele von bemerkenswerten und kuriosen Arzneimittelnamen aus der dritten Auflage des GEHES CODEX aus dem Jahr 1920 führt er darin unter anderem an: „Antimarin“ gegen Seekrankheit, „Katerin“ gegen die Folgen übermäßigen Alkoholgenusses, „Wanzalin“ gegen Wanzen an. Da weiß man gleich, was man vor sich hat. Heute sei aus den Arzneimittelnamen kaum noch etwas Semantisches, Etymologisches, Romantisch-Phantasievolles, Rationelles abzulesen, eher Unaussprechliches und Unlogisches, schreibt Hermann J. Roth weiter. Die Namen seien meist informationsarm bis informationslos. 

Dem kann die Autorin dieses Beitrags nur beipflichten. Viele Arzneimittel werden heute in der gesamten EU in den Verkehr gebracht. Die Hersteller müssen deshalb eine Bezeichnung finden, die sich so gut wie möglich in viele Sprachen „einpasst“ und sich zudem überall von Vergleichbarem abhebt. Bei der Durchforstung des Community Registers, in das die zentralen europäischen Zulassungen aufgenommen werden, stößt man überwiegend auf erstaunliche und befremdlich anmutende Wortschöpfungen, wie z. B. Akynzeo, Byetta, Cymbalta, Exforge, Firdapse, Jylamvo, Odefsey, Synjardy, Venclyxto oder Xyltrophy*, die keinerlei Assoziation zu irgendeiner Sprache in Europa aufkommen lassen. Wer heute bereits im pharmazeutischen Berufsleben steht, mag eine gewisse Erleichterung verspüren, dass er sich das alles nicht für ein Staatsexamen in geballter Form merken muss.

Neuer österreichischer Leitfaden

Das österreichische Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG/AGES) hat einen neuen Leitfaden herausgebracht, der die Regeln und Empfehlungen in Bezug auf Bezeichnungen und Namen von Arzneispezialitäten zusammenfasst. Er soll die Hersteller dabei unterstützen, für ihre Präparate geeignete Bezeichnungen zu finden. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und das Paul-Ehrlich-Institut stellen übrigens einen solchen Leitfaden zur Verfügung.


Wie dürfen Arzneimittel heißen?

Die Bezeichnung eines Arzneimittels besteht aus dem Namen gefolgt von der Stärke und der Darreichungsform. Der Name des Arzneimittels kann nach dem europäischen Kodex für Humanarzneimittel entweder ein nicht zu Verwechslungen mit dem gebräuchlichen Namen führender Phantasiename oder ein gebräuchlicher oder wissenschaftlicher Name in Verbindung mit einem Warenzeichen oder dem Namen des Zulassungsinhabers sein. Der „gebräuchliche Name“ ist der international gebräuchliche Name des Wirkstoffs (Internationaler Freiname, INN) bzw., sofern es keinen INN gibt, der übliche gebräuchliche Name. Als Beispiele für zulässige Namen werden hiernach in dem Leitfaden „Glibenclamid Marmala“ (INN + Kurzform des Zulassungsinhabers) oder Glibenclamid Endros (INN + Warenzeichen) angeführt. Demgegenüber wäre beispielsweise „Glibenclamid Co“ nicht zulässig, denn „Co“ ist keine für diese Firma übliche Abkürzung und außerdem irreführend, weil damit ein Kombinationsprodukt gemeint sein könnte.

„XL“, „well“ oder „Top“ sind nicht erlaubt

Namen von Arzneispezialitäten dürfen sich weder in der Handschrift noch der Aussprache noch der gedruckten Form (Computer-Listen) zu stark ähneln. Wegen des Wiedererkennungswerts sollten sehr kurze oder sehr lange Namen vermieden werden. Der Name soll in der deutschen Sprache leicht auszusprechen sein, fordert der Leitfaden, und z.B. nicht aus einer reinen Abfolge von Konsonanten bestehen.  

Häufig kommen in Arzneimittelbezeichnungen sogenannte Qualifier vor. Sie sollen besondere Hinweise geben, zum Beispiel auf ein Mono- oder ein Kombinationspräparat, auf die Stärke oder eine modifizierte Freisetzung, etc.. Beispiele für seit Langem verwendete und vertraute, akzeptable Qualifier sind comp, forte bzw. mite, retard, depot, akut oder rapid. Ein Qualifier darf jedoch bezüglich der therapeutischen Wirkung und Wirksamkeit, den pharmazeutischen Eigenschaften oder der Zusammensetzung der Arzneispezialität nicht irreführend sein. Als Beispiele für nicht akzeptable Qualifier nennt der österreichische Leitfaden die Kürzel „XL“, „well“ oder „Top“.  

Schwierig kann es werden, wenn Namen von Präparaten, die nie vermarktet, aufgehoben oder umbenannt wurden, wieder verwendet werden sollen. Hier muss in der Regel ein zeitlicher Abstand zwischen dem Abverkauf und Verbrauch des bisherigen und der Markteinführung des neuen Arzneimittels eingehalten werden. 




Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Arzneimittelnamen vor Markteeinführung verbindlich überprüfen!

von Thesing-Bleck am 22.05.2017 um 15:12 Uhr

Seit nunmehr fast 20 Jahren prüft eine Gruppe ehrenamtlicher Kollegen und Kolleginnen, zu der ich auch gehöre, für eine amerikanische Charity-Organisation die Paxistauglichlich von Arzneimittelnamen für neue Wirkstoffe, die kurz vor der Zulassung stehen. Wir überprüfen die neuen Namen nach einen genau festgelegten Verfahren in erster Line auf mögliche Arzneimttel-Verwechslungen durch "sound alikes" und "look alikes" aber auch auf festgelegte Kriterien für eine Praxistauglichkeit.
Einige forschende Hersteller lassen ihre Arzneimittelnamen vor der Zulasseung prüfen, aber vermulich nicht alle. Deshalb sollte diese Prüfung durch muttersprachlich deutsch sprechende Pharmazeuten vor der Markeinführung eines neuen Arzneimittels im deutschsprachigen Raum verbindlich vorgeschrieben werden.

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