DAZ aktuell

„Akut“ muss akut wirken

Gericht erlaubt Zusatzbezeichnung nur bei schneller Wirkung

BERLIN (jz). Arzneimittel dürfen den Zusatz „akut“ nur tragen, wenn sie aus Verbrauchersicht auch wirklich schnell wirken. Das hat das Verwaltungsgericht Köln bereits im Februar (Urteil vom 5. Februar 2013, Az. 7 K 6575/10) klargestellt und auch keine Berufung zugelassen. Das akzeptierte der konkret betroffene und klagende Arzneimittelhersteller nicht und stellte einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Doch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen wies den Antrag zurück (Beschluss vom 19. Juli 2013, Az. 13 A 719/13). Damit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hofft nun, dass diese Entscheidung zur Sensibilisierung der Hersteller beiträgt.

Im Jahr 2009 wurden Omeprazol-haltige Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht entlassen. Der Generikahersteller Hexal zeigte im März 2010 beim BfArM die Änderung der Bezeichnung seines Präparats in „OMEP® akut 20 mg“ an. Es ist zur Behandlung von Sodbrennen und saurem Aufstoßen zugelassen. Das BfArM sah darin eine Verletzung des Irreführungsverbots und lehnte die Änderung mit der Begründung ab, dass der Zusatz „akut“ mit einem besonders schnellen Wirkeintritt verbunden werde – eine Zeitdauer von ein bis zwei Stunden sei damit aber nicht vereinbar. Anders beurteilte das Hexal: Aus Sicht des Unternehmens verweist der Zusatz nicht auf den Wirkeintritt, sondern auf den Krankheitsverlauf. Daher zog das Unternehmen vor Gericht.

Irreführende Bezeichnung

Das Verwaltungsgericht Köln entschied jedoch im Sinne des BfArM: Die Ablehnung der Bezeichnungsänderung sei rechtmäßig gewesen, heißt es im Urteil. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG verbiete es, Arzneimittel mit irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen. Eine solche Irreführung liege insbesondere dann vor, wenn Arzneimitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen oder Wirkstoffen eine Aktivität beigelegt werden, die sie nicht haben. Wann eine Bezeichnung irreführend ist, bestimmt sich im Arzneimittelrecht aus der Sicht eines „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers“, erklärt das Gericht. Und ein solcher verbinde mit dem Bezeichnungszusatz „akut“ in erster Linie eine schnelle Wirkung des Arzneimittels. Da das Präparat aber keine besonders schnelle oder zumindest schnellere Wirkung habe, sei der Bezeichnungszusatz irreführend.

Apotheken können Vorräte aufbrauchen

Hexal bedauert zwar nach eigenen Angaben, dass das Gericht der Argumentation des Unternehmens nicht gefolgt ist. Gleichwohl ist man dort überzeugt, dass das eigene Produkt auch mit einem leicht veränderten Namen weiterhin Erfolg haben wird: Aufgrund des jetzt rechtskräftigen Urteils werde „OMEP akut“ nun in „OMEP HEXAL“ umbenannt und auch dazugehöriges Werbematerial entsprechend angepasst, kündigte ein Sprecher an. Das OTC-Präparat sei aber weiterhin nur für Sodbrennen und saures Aufstoßen zugelassen – im Unterschied zum verschreibungspflichtigen OMEP HEXAL. „OMEP akut“-Ware, die Apotheken noch vorrätig haben, können dem Sprecher zufolge aber weiter abverkauft werden – ebenso dürfe Werbematerial derzeit noch verwendet werden.

Folgen für Bestandsmarkt

Neben dem Präparat von Hexal sind derzeit noch weitere Arzneimittel mit dem Bezeichnungszusatz „akut“ im Verkehr. Den kompletten Bestandsmarkt der zugelassenen Arzneimittel will das BfArM aber dennoch nicht angehen – jedenfalls solange sich für Patienten daraus keine Risiken ergäben, wie eine Sprecherin erklärte. Man werde die gerichtliche Entscheidung vornehmlich bei der Kontrolle von Neuzulassungen und Änderungsanträgen berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte ebenfalls erklärt, für die Entscheidung sei es „unerheblich“, dass derzeit auch andere Arzneimittel mit diesem Bezeichnungszusatz im Verkehr seien – es handle sich dabei um Präparate mit anderen Indikationen, die jeweils anhand des konkreten Einzelfalles zu bewerten seien.

BfArM streitet für Verbraucherschutz

Walter Schwerdtfeger, Präsident des BfArM, begrüßte die Gerichtsentscheidung als wichtigen Beitrag für den Verbraucherschutz. Patienten müssten sich bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ganz besonders auf die Bedeutung von Namenszusätzen verlassen können, betonte er. „Ihre Sicherheit darf nicht durch falsche Vorstellungen über das Arzneimittel und seine Wirkung gefährdet werden.“ Um der pharmazeutischen Industrie bei der Auswahl von Arzneimittelnamen und -zusätzen engere Grenzen zu setzen und klare Arbeits- und Entscheidungshilfen an die Hand zu geben, hat das Institut zusammen mit dem Paul-Ehrlich-Institut im März die „Leitlinie zur Bezeichnung von Arzneimitteln“ veröffentlicht. Sie soll dem „Trend“ in der Pharmaindustrie entgegenwirken, bei der Entwicklung neuer Arzneimittelbezeichnungen verstärkt Marketingstrategien in den Vordergrund zu stellen – laut BfArM werden immer häufiger Zusätze wie „super“ oder „express“ beantragt. 

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