Gesundheitspolitik

VG Köln: Dachmarken-Strategie führt Verbraucher in die Irre

BfArM ärgert sich über so manche Namensgebung in der Pharmaindustrie

Berlin (ks). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat sich vor dem Verwaltungsgericht Köln in einem Rechtsstreit gegen den Pharmakonzern Novartis durchsetzen können: Nach dem – nicht rechtskräftigen – Urteil hat das BfArM dem Unternehmen zu Recht untersagt, eine Creme gegen Lippenherpes unter der Dachmarke "Fenistil" zu führen. (Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 12. April 2011, Az.: 7 K 4284/09)

Novartis vertreibt unter dem Handelsnamen Fenistil insgesamt zehn rezeptfrei erhältliche Präparate, die meisten dienen der Behandlung von Allergien. Der Klassiker ist das Fenistil Gel mit dem Wirkstoff Dimetindenmaleat. Beim BfArM zeigte Novartis im Jahr 2005 unter anderem an, auch seiner Lippenherpescreme den Markennamen Fenistil voranzustellen – dies stand im Zusammenhang mit einem OTC-Switch des Präparates. Das BfArM teilte dem Unternehmen jedoch mit, dass die beabsichtigte Änderung des Arzneimittelnamens nicht akzeptiert werde, da der Wirkstoff Dimetinden des Arzneimittels Fenistil Gel in dem Produkt nicht enthalten sei, eine entsprechende Wirkung durch ein Antihistaminikum, die nicht gegeben sei, jedoch suggeriert werde.

Novartis erhob hiergegen Widerspruch. Das Arzneimittelgesetz stelle an die Produktbezeichnung keine bestimmten Anforderungen, sodass der pharmazeutische Unternehmer in seiner Wahl grundsätzlich frei sei, argumentierte das Unternehmen. Mit der gewählten Bezeichnung "Fenistil Pencivir bei Lippenherpes" werde der Wirkstoff Penciclovir in abgekürzter Form übernommen und eine für den Patienten unnötig lange Bezeichnung vermieden. Sie gewährleiste zudem die Unterscheidbarkeit zu dem Wirkstoff des eingeführten Produkts Fenistil als Gel. Die Forderung des BfArM, dass jedes unter dieser Bezeichnung vertriebene Produkt den Wirkstoff Dimetindenmaleat enthalten müsse, sei nicht nachvollziehbar.

Berufung zugelassen

In der ersten Instanz konnte sich jedoch das BfArM durchsetzen. Das Verwaltungsgericht kommt zu dem Schluss, dass die Änderung einer Arzneimittelbezeichnung und damit die Verwendung eines bereits für einen anderen Wirkstoff etablierten Markennamens für anders zusammengesetzte Arzneimittel nicht zulässig ist. Diese Ausdehnung des Namens ziele darauf ab, das Vertrauen in ein bereits bekanntes Produkt auf Produkte mit anderen Wirkstoffen zu übertragen. Verbraucherinnen und Verbraucher würden aber unter einem bekannten Arzneimittelnamen auch den bekannten Wirkstoff erwarten, so das Gericht. Damit bestehe eine Verwechslungsgefahr und liege eine Irreführung vor. Da die Frage der Zulässigkeit der Zusammenfassung wirkstoffverschiedener Arzneimittel unter einer einheitlichen Hauptbezeichnung in der obergerichtlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist, hat das Verwaltungsgericht jedoch Berufung zugelassen.

Sicherheit vor Marketinginteressen

BfArM-Präsident Prof. Dr. Walter Schwerdtfeger sieht dennoch bereits jetzt den Verbraucherschutz durch das Urteil gestärkt: "Patientinnen und Patienten müssen darauf vertrauen können, auch wirklich das Arzneimittel zu bekommen, das sie kennen und vertragen. Ihre Sicherheit muss absoluten Vorrang vor den Marketinginteressen der pharmazeutischen Industrie haben." Bereits seit Jahren setze sich das BfArM in etlichen Verfahren kritisch mit Fragen der Namensgebung von Arzneimitteln auseinander. So wurde der Name "Blutreinigungstee" für einen Nierentee ebenso untersagt wie der Zusatz "sanft" für ein Nasenspray für Babys, das nicht mehr als fünf Tage angewendet werden darf und bei längerem Gebrauch irreparable Schäden in der Nase anrichten kann.



AZ 2011, Nr. 20, S. 2

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