Ein Pharmazierat berichtet

Zwangsschließung einer Apotheke – wie kommt es dazu?

03.02.2017, 09:25 Uhr

Wann schließt die Behörde eine Apotheke zwangsweise? (Foto: dpa)

Wann schließt die Behörde eine Apotheke zwangsweise? (Foto: dpa)


Eine 83-jährige Apothekerin aus Bonn musste ihre Apotheke zwangsschließen. Was dazu führte – die Apothekerin hält sich bedeckt. Doch: Was sind überhaupt gravierende Gründe, die zu einer Zwangsschließung führen?  DAZ.online hat einen Pharmazierat gefragt.

Nach 46 Jahren schloss die Falken-Apotheke der 83-jährige Apothekerin Ursula Knott aus Bonn. Nicht – wie man bei dem fortgeschrittenen Alter vielleicht zunächst vermutet – weil die Apothekerin in den wohlverdienten Ruhestand gewechselt hat. Nein – ihre Apotheke wurde zwangsweise geschlossen. Eine Begehung der Apotheke im Dezember 2016 brachte Mängel in der Falken-Apotheke zutage, die die betagte Approbierte offensichtlich nicht beseitigte. Über die genauen Gründe, die zur Schließung ihrer Apotheke führte, äußerte sich die Pharmazeutin nicht.

Doch was sind überhaupt gravierende Anlässe, die eine „Zwangsschließung“ rechtfertigen? DAZ.online hat nachgefragt, bei jemandem, der sich mit diesem Thema auskennt: Dr. Wolfgang Kircher ist selbst Apothekeninhaber und arbeitet als ehrenamtlicher Pharmazierat für die Kreisverwaltungsbehörden in Bayern.

Zwei Arten von Zwangsschließungen

Wer in Deutschland eine Apotheke betreiben will, „bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde“, heißt es wörtlich im Apothekengesetz § 1 Abs. 2. Hierfür muss der Antragsteller unter anderem voll geschäftsfähig sein, über die deutsche Approbation verfügen und „die für den Betrieb der Apotheke erforderliche Zuverlässigkeit“ besitzen. Diese Betriebserlaubnis ist personengebunden, erlischt sie – aus unterschiedlichen Gründen – schließt folglich auch die Apotheke, wenn sich kein Nachfolger mit einer neuen Betriebserlaubnis findet.

Wolfgang Kircher unterscheidet zunächst zwei Arten von „Zwangsschließungen“, also Schließungen, die behördlich angeordnet sind und nicht vom Apothekeninhaber vorgesehen, weil dieser vielleicht in den Ruhestand geht. 

Kurzfristige Schließung: Kein Approbierter in der Apotheke

Kurzzeitige Schließungen – teilweise auch nur von wenigen Stunden – veranlasst der Pharmazierat beispielsweise, wenn er im Rahmen seiner „kollegialen Visitationen“ eine Offizin betrete und es stelle sich heraus: „Keine approbierte Kraft weit und breit“. Meist sei das übrige pharmazeutische Personal in solchen Fällen in heller Aufregung, berichtet der Apotheker – und um kreative Erklärungen zur Abwesenheit des Apothekers nicht verlegen. So sei der Chef schon mal schnell für Botengänge zur Post oder beim Zahnarzt oder müsse sich nach der Scheidung um das hochfiebernde Kind kümmern. Hier warte Kircher zunächst eine gewisse Zeit, tauche der Approbierte allerdings dann nicht auf, so „bin ich dazu verpflichtet, die Schließung der Apotheke zu veranlassen“, erklärt Kircher.

Dazu berechtigt ist er selbst jedoch nicht. Zuständig für die Schließung sind die Aufsichtsbehörden. Als Pharmazierat berichtet er an die jeweilige verantwortliche Kreisverwaltungsbehörde in Bayern. Die folge jedoch in aller Regel seiner Empfehlung. 

Die Apotheke bleibt bei derartigen Vorkommnissen allerdings in der Regel nur für eine kurze Dauer zu. Trifft der Approbierte ein, „dann sperr ich wieder auf“, sagt Kircher. Von Zeit zu Zeit sei es auch schon vorgekommen, dass er selbst als Apotheker eingesprungen sei. PTA müssen Rezepte vor Abgabe der verschriebenen Arzneimittel vorzeigen – zumindest bei Privatverordnungen. „Ist kein anderer Apotheker da, dann agiere ich schon mal kurzfristig als Kollege und übernehme diese Aufgabe“. Als eine „Abwendung von Gefahr im Verzug“, beschreibt Kircher diese Aushilfstätigkeit.

Rüge und Bußgeld für Abwesenheit des Apothekers

Mit welchen Konsequenzen muss ein säumiger Apotheker in solchen Fällen rechnen? Die Schließung der Offizin ist für den Inhaber der Apotheker wirtschaftlich kein Desaster, die Apotheke nimmt meist innerhalb weniger Stunden ihren Betrieb wieder auf. Doch ganz ungeschoren kommt der Apotheker nicht davon: Es warten juristische Folgen. „Neben einer Rüge der Kammer ist ein solches Vergehen Bußgeld-bewährt“, erklärt Kircher.

Welche Szenarien sind für die längerfristige Schließungen einer Apotheke denkbar? Derartige Zustände, die dazu führten sind Wolfgang Kircher „zwar zu Ohren gekommen, Gott sei Dank musste ich persönlich in den vielen Jahren meiner Pharmazierats-Tätigkeit diese Konsequenz der Aufsichtsbehörde aber nicht vorschlagen.“ 

Alkoholabhängigkeit und Kassenbetrug: Apotheke schließt ihre Pforten langfrsitig

Kircher berichtet von Fällen aus seinem Kollegenkreis. So sei es unter anderem zu längerfristigen Apothekenschließungen seitens der Behörden gekommen, nachdem der Inhaber der Apothekenbetriebserlaubnis wiederholt  in „angetrunkenem Zustand“ in der Offizin angetroffen worden war. Kunden hatten sich zuvor bei den Behörden beschwert. „Eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit des Apothekenleiters führt zum Entzug seiner Betriebserlaubnis. Gelingt es nicht, einen sofortigen Nachfolger zu finden, der eine neue Betriebserlaubnis für diese Apotheke beantragt, bleibt diese Apotheke eine gewisse Zeit geschlossen“, erklärt Kircher.

Auch Kassenbetrug kann zum Entzug der Bertriebserlaubnis und zu längerfristigen Schließung einer Apotheke führen. In beiden Fällen – Alkoholabhängigkeit und Kassenbetrug – sei eine schnelle Behebung der Missstände nicht möglich: Alkoholabhängigkeit kuriert sich nicht innerhalb weniger Stunden und ein zivilrechtlicher Prozess dauere auch seine Zeit, erklärt der Pharmazierat. Allerdings dauere es bei solchen Vorkommnissen in der Regel auch eine gewisse Zeit, den Entzug der Betriebserlaubnis zu vollstrecken, da die betroffenen Apotheker meist juristische Schritte einleiteten.

Es sei in jedem Fall schwierig, pauschale Aussagen zu treffen, in vielen Fällen seien es dann „letztendlich doch Einzelfallentscheidungen“, sagt Kircher.

PKA im Handverkauf?

„Die meisten Abweichungen lassen sich innerhalb kurzer Zeit beheben“, erläutert der ehrenamtliche Pharmazierat. Er unterscheidet hier drei unterschiedliche Schweren bei den „Abweichungen“ – so bezeichnen Pharmazieräte die vorgefundenen Missstände. Bei „geringfügigen Abweichungen A1“, ist der Apotheker beispielsweise seinen Prüfpflichten nur unzureichend nachgekommen. „Oder bei Erythromycin wurde der Schmelzpunkt nicht bestimmt“, nennt der Pharmazierat exemplarisch.

Kircher selbst erlebte erst kürzlich eine A2-Abweichung – „schwerwiegende Abweichung“ – als ein Blisterlabor kein Logbuch über Wartung und Reinigung der Blisteranlage führte. In diesem Fall muss der Apotheker die „Maßnahmen und deren Vollzug schriftlich an den Pharmazierat“ melden. Hält eine Apotheke zum Beispiel die Lagerbedingungen für Arzneimittel nicht ein, bewertet die Behörde dies als „kritische Abweichung A3“. Die ergriffenen korrigierenden Maßnahmen muss die Apotheke in diesem Fällen zusätzlich direkt an die zuständige Behörden berichten.

In derartigen Fällen bekommt der verantwortliche Apotheker Auflagen, die er innerhalb einer gesetzten Frist erfüllen muss. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, spricht der Pharmazierat Drohgebärden mit Androhung der Schließung aus – behebt der Apotheker die Missstände aufs Neue nicht und ignoriert diese, wird die Apotheke geschlossen.

Kritische Abweichung: PKA verkauft Arzneimittel

Was macht der Pharmazierat, wenn er eine PKA im Handverkauf erwischt? „Da reagieren wir recht empfindlich“ konstatiert Kircher. Er ordnet dies durchaus als kritische Abweichung ein – die allerdings eine Schließung der Apotheke nicht rechtfertige.

Der bayerische Pharmazierat betont und beschreibt im Gespräch immer wieder seine kollegiale Herangehensweise bei der Apothekenüberprüfung. „In kollegialer Atmosphäre ist dann auch das Ansprechen echter Probleme möglich“, meint der Pharmazierat. Dann kämen die interessanten Fragen auf, meist eingeleitet mit „Was ich Sie schon immer einmal fragen wollte, ...“.

Kann allein aufgrund eines fortgeschrittenen Alters eine Apotheke geschlossen werden?

Kircher ist der Meinung, dass allein aufgrund des fortgeschrittenen Alters mancher Apothekeninhaber man deren Betriebserlaubnis nicht ohne weiteres entziehen könne. So habe auch er in seinem Überwachungsbereich von 130 bis 140 Apotheken einige hochbetagte Apotheker – meist seien diese jedoch mit „jüngeren Approbierten versorgt“, dass ein reibungsloser Betrieb der Apotheke funktioniere. Denkbar sei dies vielleicht in Fällen von „Ein-Mann-Apotheken“ – gebe es da Zweifel an der gesundheitlichen Eignung des Approbierten, könne dies unter Umständen durchaus einen Verlust der Betriebserlaubnis und damit verbunden die Schließung der Apotheke nach sich ziehen.

Wie wird man Pharmazierat?

In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen beispielsweise sind ehrenamtlich agierende Pharmazieräte am Werk. Diese werden für eine gewisse Zeit berufen – in Bayern zunächst für zwei Jahre – und übten die überwachende Aufgabe nebenberuflich lediglich gegen eine Aufwandsentschädigung aus. In Rücksprache mit dem Ministerium und der Regierung wählt die Apothekerkammer geeignete Kandidaten für diese Aufgaben aus. In Bayern dürfen Apotheker bis zu einem Alter von 67 Jahren diese Aufgabe ausführen.

Daneben existiert auch eine Struktur mit hauptamtlichen Amtsapothekern, die in der Regel verbeamtet und bei der Aufsichtsbehörde angestellt sind.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Überfahren?

von Orhon am 04.02.2017 um 10:05 Uhr

Hoffentlich ist die ältere Kollegin von Narsisten nicht überfahren worden.
B.Orhon Löningen

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