Mylans Umsatzbringer

Epipen bekommt Konkurrenz

Berlin - 13.01.2017, 08:30 Uhr

Für diese Packung müssen Patienten in den USA in der Apotheke 600 Dollar auf denTisch legen. (Foto: Mylan)

Für diese Packung müssen Patienten in den USA in der Apotheke 600 Dollar auf denTisch legen. (Foto: Mylan)


Nach wiederholten Preiserhöhungen und Monaten herber Kritik ist Mylans Allergiearzneimittel Epipen wieder in den Schlagzeilen. Aufgrund zunehmender Konkurrenz könnte der Top-Seller im Jahr 2018 einen Umsatzeinbruch von 800 Millionen Dollar erleiden, schätzt ein führender Biopharma-Analyst. 

Lange Zeit hat der niederländische Pharmakonzern Mylan mit dem Adrenalin-Autoinjektor Epipen viel Geld verdient. So hat das Unternehmen, dessen operativer Hauptsitz sich in Großbritannien befindet, im Jahr 2016 damit voraussichtlich 1,1 Milliarden Dollar umgesetzt. Begleitet wurden die satten Erlöse durch wiederholte Preissteigerungen, die Mylan in einem zuletzt sehr preissensiblen Umfeld viel Kritik einbrachten. So hob das Unternehmen die Preise in den USA von 100 Dollar im Jahr 2008 auf mehr als 600 Dollar im vergangenen Jahr an. Zum Vergleich: In Deutschland kostet Fastjekt, das Epipen-Pendant, in der Doppelpackung etwa 150 Euro.

Doch nun könnte sich das Blatt wenden. Nach Einschätzung des Biopharmaanalysten Ronny Gal von Bernstein Research (https://www.bernsteinresearch.com/brweb/Public/Login.aspx?ReturnUrl=%2fbrweb%2fhome.aspx) könnte der Umsatz 2018 um rund 800 Millionen Dollar auf dann nur noch 300 Millionen Dollar einbrechen. Grund ist seiner Ansicht nach die zunehmende Konkurrenz durch alternative Produkte. Eines könnte Auvi-Q des US-Unternehmens Kaleo sein, das nach Firmenangaben in der ersten Hälfte dieses Jahres in den USA wieder auf den Markt kommen soll. Auvi-Q war nach einem Rückruf ursprünglich vom Markt genommen worden.

Suche nach Alternativen

Ausgerechnet die wiederholten Preissteigerungen von Epipen könnten nach Einschätzung des Fachmediums Fierce Pharma für Mylan somit zum Problem werden. Denn diese Entwicklung habe Patienten, Ärzte und Kostenträger veranlasst, nach Alternativen zu suchen. Gleichzeitig sei dies Anreiz für andere Unternehmen, alternative Produkte zu entwickeln. Die kommen nun offenbar verstärkt auf den Markt. So hat dem Bericht nach auch das US-Biopharmaunternehmen Adamis in den USA die erneute Zulassung für ein potenzielles Konkurrenzprodukt zu Epipen beantragt, nachdem die US-Zulassungsbehörde FDA den Wirkstoff bei einem früheren Antrag zurückgewiesen hatte.

Hinzukommt, dass laut Gal in den USA „mindestens ein großer Pharmagroßhändler Mylans Version einer generischen Version von Epipen nicht führt“. Mylan hatte das „authorized generic“ im Dezember 2016 zu weniger als dem halben Preis des Originals eingeführt, um der zunehmenden Kritik an der Preisgestaltung des patentgeschützten Originals zu begegnen. 

Mylans Gegenstrategie

Andererseits bleibt Mylan nicht untätig. So soll das Unternehmen US-Pharmagroßhändlern einen Discount auf die neue generische Epipen-Version angeboten haben – laut Gal wohl deshalb, um so eine bevorzugte Vermarktungsposition zu bekommen.

Darüber hinaus könnte Mylan an einer umfassenderen Lösung arbeiten. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg plant Mylan, Epipen in den USA über die eigenen Apotheken anzubieten. Konzernchefin Heather Bresch hatte in der Vergangenheit „Mittelsmänner“ für mehr als die Hälfte der Kosten von Epipens verantwortlich gemacht. Tatsächlich handeln in den USA riesige Einkaufsorganisationen zwischen Apotheken, Krankenversicherern und Arbeitgebern – sogenannte Pharmacy Benefit Manager – Preise für Arzneimittel aus.

Neuer Direktvertrieb

Nun verweist Mylan auf seiner Webseite auf einen neuen Dienst namens „Mylan On Location“ mit der Absicht, dass „Unternehmen, Organisationen und Institutionen unmittelbare medizinische Hilfe in Notsituationen anbieten können.“ Im Rahmen dieses Programms bietet Mylan neben den Arzneimittel selbst Schulungen, Support sowie Unterlagen zur sachgerechten Lagerung und korrekten Anwendung. Epipen und die Kindervariante Epipen junior sind bislang das einzige verfügbare Produkt in diesem Programm.

Durch den direkten Vertrieb könne Mylan auf dem Markt deutliche Preisnachlässe gewähren, während das Unternehmen unveränderte Gewinne erziele, sagte Michael Rea, Vorstandschef von Rx Savings Solutions aus Kansas City, gegenüber dem Nachrichtendienst. 

Epipen in Restaurants?

Darüber hinaus versucht sich Mylan laut Fierce Pharma per Lobbying für eine Gesetzesänderung einzusetzen, wonach künftig auch öffentliche Einrichtungen wie Restaurants und Parks Epipens erwerben und vorhalten dürfen. In Schulen waren sie mit dieser Strategie in der Vergangenheit bereits erfolgreich. In einer großangelegten Kampagne wurde über das Risiko, das von einem allergischen Schock ausgeht, und die Effektivität von Epipen in solchen Situationen „informiert“.

2013 wurde schließlich der „School Access to Emergency Epinephrine Act“ unterzeichnet. Dieser ermöglicht die finanzielle Förderung von Bundesstaaten, die Schulen ermutigen, Adrenalin-Injektoren vorrätig zu halten und die notwendigen Gesetzesgrundlagen dafür zu schaffen. In elf Staaten sind Schulen sogar verpflichtet, die Arzneimittel zu haben. So hatte Mylan den Absatz des Arzneimittels angekurbelt.

Vergangenen August hatte der US-Gesetzgeber Mylan angesichts wiederholter starker Preissteigerungen von Epipen ins Visier genommen. Seitdem musste das Unternehmen mehrere Untersuchungen über sich ergehen lassen. Zudem willigte Mylan ein, 465 Millionen Dollar zu zahlen, um Vorwürfe beizulegen, das Unternehmen habe die US-Krankenkasse Medicaid übervorteilt. Im Dezember 2016 kündigte Mylan schließlich an, bis zu zehn Prozent der weltweit Beschäftigten zu entlassen. 



Thorsten Schüller, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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