Human Connectome Project

Forscher erstellen bislang detailliertesten Atlas des Gehirns

St. Louis / Hamburg - 21.07.2016, 14:15 Uhr

Welche Verbindungen gibt es im Gehirn? Mittel Kernspin lassen sich Nervenfasern visualisieren. (Grafik: Andreashorn / Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

Welche Verbindungen gibt es im Gehirn? Mittel Kernspin lassen sich Nervenfasern visualisieren. (Grafik: Andreashorn / Wikimedia, CC BY-SA 4.0)


Wegweisender erster Schritt

Manche dieser Areale sind für konkrete Funktionen wie etwa Hören oder Sehen zuständig, die meisten verarbeiten jedoch Informationen, die aus unterschiedlichen Quellen stammen. Mit Hilfe einer Klassifikations-Software und von Neuroanatomen definierten die Forscher die einzelnen Areale und zogen klare Grenzen.

Die gefundenen Areale konnten sie anhand eines Koordinatensystems und mit Hilfe von Algorithmen wiederum sehr zuverlässig auf andere Menschen übertragen. Dies demonstrierten sie in einer Folgeuntersuchung an 210 weiteren Teilnehmern mit einer Präzision von rund 97 Prozent. Das sei künftig entscheidend dafür, verschiedene Studienresultate miteinander vergleichen zu können, betonen sie. „In der Vergangenheit war nicht immer klar, ob sich Resultate zweier bildgebender Studien auf das gleiche Areal beziehen oder nicht“, sagt Glasser. Demnach könne die Karte Neurochirurgen bei der Vorbereitung von Operationen unterstützen oder etwa dabei helfen, verschiedene Arten von Demenz, die verschiedene Hirnareale schädigen, voneinander abzugrenzen.

Übertragbare Ergebnisse

„Die Forscher haben mit den gegenwärtig besten Bildgebungsverfahren bei lebenden Menschen spezifische Komponenten der Großhirnrinde identifiziert“, sagt Claus Hilgetag vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) in Hamburg, der nicht an der Arbeit beteiligt war. „Die dafür genutzten Kriterien sind so charakteristisch, dass sie sich auf andere Menschen übertragen lassen.“ Dies erkläre allerdings noch nicht, wie das Gehirn funktioniere. Zudem gebe es auch viele andere Kriterien, anhand derer sich Regionen im Kortex voneinander abgrenzen lassen, etwa auf zellulärer Ebene. Ob andere Kriterien die vorgestellte Karte der Forscher dann ebenfalls bestätigen, müsse man abwarten.

In einem „Nature“-Kommentar schreiben Thomas Yeo von der Nationalen Universität von Singapur und Simon Eickhoff vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM) am Forschungszentrum Jülich, die Arbeit sei „wegweisend“ („seminal“), aber wohl noch nicht das letzte Wort zum Thema. „Der Atlas von Glasser und Kollegen ist die erste multimodale Karte, die darauf abzielt, Areale des Kortex zu definieren, und bedeutet daher einen bedeutenden Fortschritt bei der Kartierung des menschlichen Gehirns.“ Nun hänge es von anderen Forschern ab, die definierten Areale mit Informationen zu Funktionen und Zusammenhängen mit möglichen Erkrankungen zu füllen.



Walter Willems, dpa
redaktion@daz.online


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