Epidemie in Südamerika

Studie belegt Verbindung von Zika zu Mikrozephalie 

Tallahassee/Hamburg - 08.03.2016, 09:15 Uhr

Doktor Angela Rocha (r.) misst im Oswaldo Cruz Hospital in Recife (Brasilien) den Kopfumfang des einen Monat alten Alexandro Julio. Das Kind ist an Mikrozephalie erkrankt. (Foto: Rafael Fabres / dpa)

Doktor Angela Rocha (r.) misst im Oswaldo Cruz Hospital in Recife (Brasilien) den Kopfumfang des einen Monat alten Alexandro Julio. Das Kind ist an Mikrozephalie erkrankt. (Foto: Rafael Fabres / dpa)


Ist Zika für die vermehrten Diagnosen von Mikrozephalie bei Kinder verantwortlich? Dafür haben Forscher einen Hinweis entdeckt: Das Virus befällt jene Stammzellen, die sich zu Nervenzellen der Großhirnrinde entwickeln.

Forscher haben einen möglichen Mechanismus entdeckt, wie das Zika-Virus bei ungeborenen Kindern Fehlbildungen des Schädels verursachen kann. Demnach befallen die Erreger bevorzugt bestimmte Stammzellen, aus denen sich die Großhirnrinde (Kortex) entwickelt. Dort stören sie die Zellteilung oder lassen Zellen sogar absterben, wie die Wissenschaftler um Hengli Tang von der Florida State University am Freitag in Tallahassee im Fachblatt „Cell Stem Cell“ schrieben. Die Studie sei ein Schritt nach vorne, sagt ein deutscher Experte, allerdings hätten die Forscher nicht jenen Virenstamm verwendet, der derzeit in Lateinamerika zirkuliert.

Vermehrte Hirnfehlbildungen 

Das Zika-Virus breitet sich seit Monaten rasant in Lateinamerika aus. Gleichzeitig wird in diesen Regionen bei Neugeborenen vermehrt eine Mikrozephalie diagnostiziert. Bei diesen Kindern ist der Kopfumfang sehr klein, und ihnen fehlen Strukturen des Kortex.

Eine Verbindung zu der Infektion ist zwar nicht bewiesen, aber das Virus wurde sowohl im Fruchtwasser von zwei Müttern betroffener Babys entdeckt als auch im Hirngewebe solcher Kinder. Bis Dienstag wurde in Brasilien in 82 von 641 Mikrozephalie-Fällen bei den Müttern eine Zika-Ansteckung nachgewiesen.

Ist Zika wirklich die Ursache?

Es müsse dringend geklärt werden, ob ein kausaler Zusammenhang besteht, betonen die Forscher. Um dies zu prüfen, infizierten sie im Labor menschliche neuronale Vorläuferzellen (hNPC; human Neural Progenitor Cells), die sich zu Nervenzellen der Großhirnrinde entwickeln können, mit dem Erreger. Nach drei Tagen war die Zahl lebensfähiger Zellen um 30 Prozent geschrumpft. Zudem war das Zellwachstum eingeschränkt, viele Zellen starben ab oder teilten sich nicht mehr. Darüber hinaus konnten sich die Viren in den Zellen vermehren.

Die Studie liefere zwar keinen Beweis für eine ursächliche Verbindung zwischen Zika und Mikrozephalie, aber: „Wir zeigen, dass das Zika-Virus im Labor neuronale Zellen infiziert, die während der Hirnentwicklung den Kortex formen“, wird Ko-Autor Hongjun Song von der Johns Hopkins University in Baltimore (US-Staat Maryland) in einer Mitteilung des Verlags zitiert.

Die Forscher wollen den Zusammenhang genau verstehen

„Wir versuchen, die Wissenslücke zwischen Infektion und neurologischen Defekten zu füllen“, sagt Erstautor Tang. „Diese Studie ist der allererste Schritt, aber sie beantwortet eine entscheidende Frage. Und sie erlaubt uns, die Forschung einzugrenzen. Jetzt kann man das Virus im richtigen Zelltyp untersuchen, Wirkstoffe am richtigen Zelltyp prüfen und die Biologie am richtigen Zelltyp studieren.“ Nun wollen die Forscher unter anderem klären, warum das Virus ausgerechnet diesen Zelltyp befällt und wie es die Blut-Hirn-Schranke überwindet.

Man habe innerhalb kurzer Zeit sehr schön gezeigt, dass sich diese Stammzellen grundsätzlich infizieren lassen, sagt Prof. Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), der nicht an der Studie beteiligt war. „Das passt wunderbar zu neuen Daten, denen zufolge sich das Virus im neuronalen Gewebe von Babys mit Mikrozephalie nachweisen lässt.“ 

Wiederholung mit der grassierenden Zika-Variante

Allerdings mahnt der Experte vor übereilten Schlüssen: Denn die Forscher verwandten eine Zika-Variante, die seit längerem im Labor kultiviert wurde und die zudem von der afrikanischen Linie des Erregers stammt. Um einen Zusammenhang bei der aktuellen Epidemie klarer aufzuzeigen, müsse man die Versuche mit der asiatischen Zika-Variante, die derzeit in Lateinamerika kursiert, wiederholen.

Erst Anfang vergangener Woche hatten französische Forscher im Fachblatt „The Lancet“ eine klare Verbindung zwischen dem Zika-Virus und dem Guillain-Barré-Syndrom aufgezeigt. Diese seltene Autoimmun-Erkrankung geht mit Lähmungserscheinungen einher und kann tödlich enden.

WHO berät weitere Schritt

Seit Montag beraten Experten auf Einladung der WHO in Genf, auf welchen Gebieten es am meisten Handlungs- und Forschungsbedarf gibt, um die Zika-Epidemie sowie die Fehlbildungen zu stoppen. Ab Dienstag diskutiert außerdem auch das Notfallkomitee der WHO, ob ihre Empfehlungen noch schärfer gefasst werden sollen.


dpa / DAZ.online
redaktion@daz.online


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