Sucht

Alkoholsucht "reparieren"?

29.05.2013, 12:30 Uhr


Aktuelle Forschungsergebnisse ermöglichen neue Einblicke in die molekularen Grundlagen von Schadenwirkungen des Alkohols. Im Rahmen der Versuche konnte die Alkoholsucht bei Ratten "repariert" werden.

Die Untersuchungen zeigen, dass wiederholter starker Alkoholkonsum zu einer erheblichen und dauerhaften Umstrukturierung der präfrontalen Großhirnrinde führt.

Eine tierexperimentelle Studie zeigt, dass Alkohol speziell einen kleinen Teilbereich des präfrontalen Kortex (PFC), das infralimbische Areal, schädigt. Bei Ratten kann der daraus resultierende Funktionsverlust repariert werden, wodurch diese wieder die volle Kontrolle über ihr Alkoholsuchverhalten erlangen.

Aus der Studie geht hervor, dass eine bestimmte Gruppe von Neuronen im PFC sehr empfindlich auf Alkohol reagiert, wenn dieser wiederholt in Konzentrationen verabreicht wird, die üblicherweise bei Alkoholikern auftreten (>2,5 Promille über mehrere Stunden). Diese Neuronen behalten langfristige Folgeschäden, was sich unter anderem darin ausdrückt, dass sie die Freisetzung des Botenstoffs Glutamat nicht mehr angemessen regulieren können. Zurückzuführen ist dies auf eine mangelnde Autorezeptorfunktion, die normalerweise durch Glutamatrezeptoren vom Typ mGluR2 ausgeübt wird.

Dieser Funktionsverlust scheint direkt mit Suchtverhalten in Verbindung zu stehen. Es wurde gezeigt, dass die Wiederherstellung des mGluR2-Niveaus im infralimbischen Kortex alkoholabhängiger Ratten ausreichend ist, um deren übermäßiges Bedürfnis nach Alkohol wieder zu normalisieren. Diese Ergebnisse scheinen auch für die Alkoholsucht bei Menschen von Bedeutung zu sein. In Autopsiematerial von Alkoholikern fanden die Forscher in der entsprechenden Hirnregion ebenfalls erniedrigte mGluR2 Werte.

Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass Alkoholabhängigkeit nicht nur zu einer Abnahme von mGluR2 Rezeptoren in neuronalen Netzwerken des PFC führt, sondern dass der dadurch verursachte Funktionsausfall bei Alkoholsüchtigen auch die Gefahr eines Rückfalls verstärkt. Die im Tiermodell aufgezeigte Möglichkeit einer Reparatur der mGluR2-Autorezeptorfunktion eröffnet neue therapeutische Perspektiven. Ausgehend von der These, dass epigenetische Abschaltungsmechanismen in diesem Prozess eine Rolle spielen, sollen nun neue Methoden entwickelt werden, um die entsprechenden epigenetischen Abdrücke wieder zu entfernen.

Quelle: Pressemeldung des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit Mannheim, 27. Mai 2013.


Dr. Bettina Hellwig


Das könnte Sie auch interessieren

Neue Ansätze bei Essstörungen

Du bist, was du isst

Dopamin ist mehr als nur ein Neurotransmitter

Keine Sucht ohne Dopamin

... und wie ein Enzym und die Epigenetik weiterhelfen könnten

Was Stress in der Kindheit mit Schizophrenie zu tun hat ...

Neurochemische Antriebsmechanismen

Die Suchtmaschine

Bei Denkarbeit reichert sich Glutamat im Gehirn an

Zu viel!