Arzneimittel und Therapie

Warentest-Empfehlungen zu Heuschnupfen unter Beschuss

Allergologenverband kritisiert die Missachtung gültiger Leitlinien

daz | Stiftung Warentest hat in seiner Ausgabe vom 23. Februar 2023 Ratschläge zum Einsatz von Arzneimitteln bei Heuschnupfen gegeben. Hier wird u. a. zunächst der Einsatz von Augentropfen und Nasensprays zur Symptomlinderung empfohlen. Das widerspreche den gültigen Leitlinien, erklärt der Ärzteverband Deutscher Allergologen e. V. in seiner Stellungnahme [1].

Wörtlich heißt es: „Dem aktuell erschienenen Artikel (test 03/2023, erschienen am 23.02.2023, Seiten 88 – 91) der Stiftung Warentest zum Thema Heuschnupfen muss aus medizinischer Sicht in Teilen widersprochen werden, da dieser Aussagen enthält, die nicht den gültigen Leitlinien und dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen und teilweise irreführend sind.“ Derzeit gültige Leitlinie ist die „ARIA-Leitlinie 2019: Behandlung der allergischen Rhinitis im deutschen Gesundheitssystem“[2] .

Irreführender und falscher Rat

Insbesondere die Zusammenfassung unter dem Titel „Unser Rat“ wird kritisiert. Der Warentest-Beitrag führt hier aus, dass „mehrere rezeptfreie Augentropfen und Nasensprays die Beschwerden lindern. Reicht das nicht, können Antihistaminika zum Einnehmen helfen. Leidet vor allem die Nase stark, ist Cortisonspray eine Option.“

Hier widerspricht der Allergologenverband: „Entsprechend der gültigen Leitlinie sind orale Antihistaminika die Therapie der ersten Wahl!“ Zudem sei die Anwendung von Cortison-Spray, abhängig vom Schweregrad, nach Leitlinie nicht nur eine Option, sondern wird als erste Wahl unbedingt empfohlen für alle Patienten mit mäßig bis schwerer Heuschnupfensymptomatik. Weiterhin seien solche Sprays eine Alternative zu Antihistaminika als erste Wahl bei milden Beschwerden.

Auch der Hinweis, dass „Tabletten mit Cetirizin am günstigsten sind (rund drei Euro)“ wird kritisiert. Hier werde suggeriert, dass Cetirizin die beste geeignete Therapie sei. Jedoch werde in dem Zusammenhang nicht darauf hingewiesen, dass dieser Wirkstoff bei 10% der Nutzer die Blut-Hirn-Schranke passiert und dann zu Müdigkeit und auch Verkehrsuntauglichkeit führen kann. Der Allergologenverband verweist an dieser Stelle auf Vergleichsuntersuchungen mit Loratadin aus dem Jahr 2000.

Heuschnupfen-Symptomatik bestimmt das therapeutische Vorgehen.

Der Schweregrad entscheidet

Der Allergologenverband betont, dass nach den aktuellen Leitlinienempfehlungen Antihistaminika Mittel der ersten Wahl bei mild ausgeprägten Heuschnupfenbeschwerden sind und gleichrangig mit Cortison-Nasensprays oder Leukotrien-Antagonisten empfohlen werden. Bei mittelschweren bis schweren Heuschnupfenbeschwerden würden in erster Linie Cortison-Nasensprays oder die Kombination Cortison-Nasenspray mit Antihistaminika empfohlen, gegebenenfalls in höherer Dosierung. Der Schweregrad müsse regelmäßig kontrolliert werden, die Dosierungen sind ggf. anzupassen. Auch sei die Sicherheit der Langzeitanwendung von Cortison-Nasensprays durch zahlreiche Studien gut erforscht, dies werde in dem Beitrag wissenschaftlich nicht korrekt dargestellt.

In dem Beitrag der Stiftung Warentest werden darüber hinaus Cromoglicinsäure-Präparate empfohlen. Dies stehe ebenfalls im Widerspruch zur aktuellen Leitlinie, da zu diesen Präparaten keine modernen Studien vorliegen und sie eine schlechtere Wirksamkeit haben als Antihistaminika.

Hyposensibilisierung im Fokus

Des Weiteren kritisiert der Ärzteverband Deutscher Allergologen, dass in dem Beitrag die Hyposensibilisierung nur empfohlen wird, wenn bei betroffenen Patienten „andere Medikamente und Maßnahmen das Übel nicht ausreichend lindern“.

Auch diese Aussage stehe in direktem Widerspruch zu den Leitlinien, in denen die Hyposensibilisierung als die einzig mögliche kausale Behandlung empfohlen wird, um dem Immunsystem wieder Toleranz gegenüber dem Allergen beizubringen. Die Hyposensibilisierung steht neben der Allergen-Vermeidung als grundsätzlich empfohlene Behandlung im Fokus und Mittelpunkt bei der Behandlung von Allergien.

Eine Leistung der GKV

Nicht zuletzt kritisiert der Allergologenverband, dass in dem Beitrag nicht ausreichend darauf hingewiesen wird, dass die Behandlung der allergischen Rhinitis/Heuschnupfens nach den gültigen Empfehlungen im Grundsatz zulasten der gesetzlichen Krankenkassen erfolgen sollte, sofern die Beschwerden ausgeprägt sind. Laut ARIA-Leitlinie gelten die Beschwerden als mäßig bis schwer, wenn eine der folgenden Fragen bejaht wird:

  • gestörter Schlaf und/oder
  • Schwierigkeiten in der Schule oder am Arbeitsplatz durch Konzentrationsmangel und/oder beeinträchtigte Alltagsaktivitäten und/oder
  • andere störende Symptome.

Als anhaltend (persistierend) gilt der Heuschnupfen, wenn mehr als drei Tage pro Woche Symptome auftreten und die Episode mindestens vier Wochen andauert. Dies sei bei allen Patienten mit Frühblüherpollen-Sensibilisierung ebenso der Fall wie bei Patienten mit Gräserpollen- oder Hausstaub-Sensibilisierung.

Keine Bagatellerkrankung

Der Ärzteverband Deutscher Allergologen weist ausdrücklich darauf hin, dass Heuschnupfen keine Bagatellerkrankung ist. Ein Kind mit unbehandeltem Heuschnupfen habe eine Wahrscheinlichkeit von 40%, eine gesamte Schul­note während der Pollenflugzeit abzufallen. Es sei bekannt, dass unbehandelter Heuschnupfen eine erhebliche sozioökonomische Bedeutung hat und in der EU Kosten von bis zu 100 Milliarden Euro im Jahr für die Wirtschaft hierdurch entstehen [8]. Jede zehnte Krankschreibung in Deutschland sei auf eine Allergie zurückzuführen. |

Literatur

[1] Pressemitteilung des Ärzteverbands Deutscher Allergologen e. V. „Achtung: Beitrag der Stiftung Warentest zum Thema Heuschnupfen widerspricht gültigen Leitlinien“ 23. Februar 2023

[2] Klimek L, Bachert C, Pfaar O et al. ARIA-Leitlinie 2019: Behandlung der allergischen Rhinitis im deutschen Gesundheitssystem. Allergologie 2020;43(2):43 – 72

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