Aus den Ländern

Neue Ideen für effiziente und sichere Therapien

Versorgungsforschungskongress 2017

Der diesjährige Kongress für Versorgungsforschung vom 4. bis 6. Oktober in Berlin war mit 426 Beiträgen und 800 Teilnehmern der bislang größte seiner Art.

Kongresspartner war Mecklenburg-Vorpommern, das aufgrund des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels neue Wege geht, um die Versorgung der Menschen in dünn besiedelten Gebieten zu sichern. Gesundheitsminister Harry Glawe verwies beispielhaft auf das AGnES-Projekt (Arztentlastende Gemeinde-nahe E‑Health-gestützte Systemische Intervention), das in Mecklenburg-Vorpommern entwickelt wurde und inzwischen in ganz Deutschland in dieser oder ähnlicher Form umgesetzt wird.

Oliver Schenk und Karin Knufmann-Happe vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) sprachen das Thema Fehlerkultur an: Es sei nicht hinnehmbar, dass fehlermeldende Personen aus dem Gesundheitswesen immer noch fürchten müssen, ihren Job zu verlieren. Fehler werden viel zu selten als Chance begriffen, um an mangelhaften Strukturen etwas zu verbessern. Die BMG-Vertreter forderten zudem eine bessere Compliance. Um die In­formationsbedürfnisse der Patienten zu befriedigen, wolle das BMG ein Gesundheitsportal aufbauen.

Hedwig François-Kettner, Vorsitzende des Aktionsbündnisses zur Patientensicherheit, verwies auf die hohen Fehlerquoten bei der Anwendung von Arzneimitteln in Krankenhäusern, die teilweise bis zu 50% betragen.

Apotheken nicht interessiert?

In einer Veranstaltung zur Versorgung im ländlichen Raum standen weitergebildete Pflegefachkräfte im Fokus. Diese sollen in Zukunft vermehrt eingesetzt werden, auch wenn es um die Arzneimitteltherapiesicherheit geht. Apothekerin Ingrid Schubert, Universität Köln, wies hier auf die Zuständigkeit der Apotheken hin. Diese sollten bei der Planung innovativer Versorgungsformen nicht vergessen werden, da sie als niederschwellige Einrichtung einiges zur Primärversorgung beitragen können.

Skeptisch reagierte hier der Tagungspräsident Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann. Die Apotheker in Mecklenburg-Vorpommern seien bislang nicht durch besondere Flexibilität aufgefallen. Man habe sie häufig angesprochen, sich an neuen Versorgungsformen zu beteiligen, doch haben sie meist mit großer Zurückhaltung reagiert. Hoffmann ging davon aus, dass die Pharmazeuten wesentlich zur Verbesserung der Versorgung beitragen könnten.

Aspekte der Arzneimitteltherapie

Apothekerin Diana Wucherer vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen referierte ihre Studie über arzneimittelbezogene Probleme (AbP), die sie bei Menschen mit Demenzerkrankungen (n = 449) in deren Häuslichkeit erfasst hatte. Bei 94% der Patienten fand sie mindestens ein AbP, darunter

  • unzweckmäßiger Einnahmeabstand vom Essen (4%),
  • fehlender/nicht aktueller Medika­tionsplan (25%),
  • potenziell inadäquate Medikation (22%),
  • Vergessen der Medikamenten­einnahme (17%),
  • Unter- bzw. Überdosierung (5%) und
  • klinisch relevante Wechselwirkungen (3%).

Kognitive Erkrankungen wurden nicht als Risikofaktor für eine erhöhte Anzahl von AbP identifiziert, wohl aber eine hohe Zahl von Medikamenten. Wucherer resümierte, dass eine häusliche Medikationsanamnese sinnvoll sei und in die Routineversorgung eingeführt werden sollte. Denn die genannten Probleme werden dort teilweise sehr viel besser erkannt als in der Arztpraxis oder in der Apotheke.

Prof. Dr. med. Daniel Grandt vom ­Universitätsklinikum Saarbrücken belegte anhand von Arzneiverordnungsdaten der Barmer Ersatzkasse von 2010 bis 2015, dass die Veröffentlichung der Priscus-Liste (2010) die Verordnung der gelisteten Arzneimittel bei Patienten ab 65 Jahren nur wenig verringert hat. Die Verordnung von „Priscus-Arzneimitteln“ ging von 28,7% auf 24,5% zurück – mit großen regionalen Unterschieden: Westfalen-Lippe hatte den höchsten Anteil an Priscus-Arzneimitteln; in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern war der Rückgang am geringsten.

Prof. Dr. Juliane Köberlein-Neu von der Universität Wuppertal berichtete über eine Teilanalyse der WestGem-Studie zur Wirksamkeit eines interprofessionellen Medikationsmanagements. Hier sollten Ärzte intuitiv erkennen können, welche Patienten mit welchen Erkrankungen am meisten von einem Medikationsmanagement durch einen Apotheker profitieren. ­Interviews mit fünf Allgemeinärzten ergaben, dass die Ärzte nur 61,5% der Patienten, die tatsächlich von einem Medikationsmanagement durch einen Apotheker besonders profitiert hatten, dafür ausgewählt hatten. Somit seien weitere Bemühungen notwendig, um diesen Anteil zu steigern.

Die Abstracts des Kongresses können kostenfrei abgerufen werden: www.egms.de/static/de/meetings/dkvf2017/. |

Dr. Udo Puteanus/cae

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