Aus den Ländern

Pharmakotherapie geriatrischer Patienten

Scheele-Tagung an der Müritz

KLINK (tmb) | Die traditionsreiche Scheele-Tagung, der jährliche Fortbildungskongress der DPhG-Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern, fand auch in diesem Jahr in Verbindung mit dem Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern statt. Das Veranstaltungswochenende vom 7. bis 9. November lockte etwa 120 Teilnehmer nach Klink an die Müritz, den größten norddeutschen Binnensee.
Prof. Dr. Christoph Ritter, Vorsitzender der Scheele-Gesellschaft

Etliche Teilnehmer erinnerten sich an den Mauerfall während der Scheele-Tagung 1989. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt berichtete, wie vor 25 Jahren er auf dem Weg zur Scheele-Tagung die berühmte unklare Meldung von der Grenzöffnung der DDR gehört, aber nicht geglaubt hatte und daraufhin zur Tagung nach Neubrandenburg weitergefahren war.

Für die diesjährige Tagung hatten die Veranstalter den Titel „Mit 66 Jahren … neues Leben oder alte Leiden?“ gewählt – ein Thema mit historischem Bezug, denn die Scheele-Gesellschaft besteht nun seit 66 Jahren, wie der Vorsitzende, Prof. Dr. Christoph Ritter, bei der Eröffnung erwähnte.

Blick über den Tellerrand

Am Freitagnachmittag ging der Geograf Prof. Dr. Helmut Klüter, Greifswald, der Frage nach, ob der demografische Wandel Fakt oder Fiktion ist. Er behauptete, die Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern würden sich inzwischen als falsch erweisen; das Land sei sogar ein Zuwanderungsland. Klüter warnte daher vor „Fatalismus und Resignation als Planungsphilosophie“. Anstatt teurer Zentralisierung seien flexible dezentrale Lösungen gefragt.

Priv.-Doz. Dr. Tilman Beyrich

Priv.-Doz. Dr. Tilman Beyrich, Pastor in Heringsdorf, daneben tätig an der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald, hat als Sohn des früheren Vorsitzenden der Scheele-Gesellschaft, Prof. Dr. Thorsten Beyrich, eine besondere Beziehung zu den Apothekern. Er sprach über ethische und gesellschaftliche Perspektiven für das Altern in Würde. Dies bedeute nicht, dass Alte versuchen sollten, nochmal jung zu sein. Zur Würde gehöre die Anerkennung der eigenen Endlichkeit. Beyrich warb für mehr Miteinander zwischen den Generationen, denn „alte Menschen bauen Brücken über die Zeiten“.

Medikation im Alter: Indikation und Dosis hinterfragen

Am Samstagnachmittag (nach dem Apothekertag Mecklenburg-Vorpommern, siehe Seite 16) und Sonntag folgte das Fortbildungsprogramm. Prof. Dr. Walter E. Haefeli, Heidelberg, erläuterte einige Besonderheiten der Pharmakotherapie alter Patienten. Während Leitlinien üblicherweise auf Heilung oder Senkung der Mortalität zielen, seien dies bei alten Patienten häufig keine realistischen Ziele mehr. Stattdessen gehe es um die Linderung von Leiden und die Verzögerung der Gebrechlichkeit.

Prof. Dr. Walter E. Haefeli

Da bei alten Patienten Multimorbidität eher die Regel als die Ausnahme ist, könne die konsequente Anwendung der Leitlinien dazu führen, dass einem Patienten zu viele Arzneimittel verordnet werden. Um die Qualität der Pharmakotherapie zu sichern, sollten die Indikation, die Dosis und die Anwendungsdauer aller Arzneimittel hinterfragt werden; so können Probleme vermieden werden – die häufigsten sind Sturz und Delir.

Außerdem sollte hinterfragt werden, ob die Wirksamkeit eines Arzneimittels für die betreffende Altersgruppe überhaupt nachgewiesen ist. Es sollte aber auch geprüft werden, ob dem Patienten ein wichtiges Arzneimittel nicht verordnet wurde.

Entscheidend sei letztlich, ob der Patient die Therapie durchführen will und kann – und dazu könnten Apotheker sehr viel beitragen, insbesondere durch die Anleitung zur richtigen Anwendung und die Berücksichtigung galenischer Aspekte.

Zunehmende Probleme im Alter

Dr. Nina Griese-Mammen

Die Wechselwirkungen bei Patienten mit Polymedikation waren das Thema von Dr. Nina Griese-Mammen, ABDA, Berlin. Sie forderte die Apotheker auf, bei der Arzneimittelabgabe auf die möglichen Wechselwirkungen einzugehen; etwa die Hälfte aller diesbezüglichen Warnmeldungen der Apotheken-EDV beziehe sich auf nur zwölf Interaktionen.

Prof. Dr. Hans Heppner, Universität Witten/Herdecke, beschrieb die Priscus-Liste und andere Instrumente der geriatrischen Pharmakotherapie. In weiteren Vorträgen ging es um vier Indikationsgebiete, die bei alten Patienten besonders relevant sind.

Priv.-Doz. Dr. Stefan Schröder, Güstrow, ging auf die rationale Pharmakotherapie in der Gerontopsychiatrie ein. Er hob die Bedeutung des Neurotransmitters Acetylcholin hervor und mahnte, anticholinerg wirksame Arzneimittel bei Patienten ab 75 Jahren grundsätzlich sehr vorsichtig einzusetzen. Prof. Dr. Anselm Jünemann, Rostock, beschrieb die Arzneitherapie von Augenerkrankungen im Alter, und Prof. Dr. Oliver Hakenberg, Rostock, berichtete über die Pharmakotherapie urologischer Erkrankungen. Schließlich sprach Dr. Stefani Adler, Greifswald, über „rationale Schmerztherapie des alten Patienten“.

Rahmenprogramm verbindet

Neben der Fortbildung hat die Scheele-Tagung eine besondere gesellschaftliche Bedeutung. Sie war in der DDR-Zeit ein wichtiges Treffen für die Apotheker in Mecklenburg-Vorpommern, das den Zusammenhalt gefördert hat – und sie hat diese Funktion bewahrt. Dies zeigte sich wieder beim Begrüßungsabend am Freitag und beim Gesellschaftsabend am Samstag. 

Surftipp

Informationen über die Scheele-Gesellschaft, ihre Geschichte und ihre Veranstaltungen finden Sie auf der neu gestalteten Homepage

www.scheele-gesellschaft.de

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