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Schwerpunkt: Vegane Ernährung

Veganer in der Apotheke

Die Kommunikation mit einer besonderen Kundengruppe*

Vegane Lebensweise ist definiert als bewusster Verzicht auf alle Produkte, die tierischen Ursprungs sind, also auch Eier, Milchprodukte, Honig und Lederwaren. Der Anteil der Veganer an der deutschen Bevölkerung liegt seit einigen Jahren über einem Prozent. Ihr Bildungsniveau und indirekt damit auch ihre Kaufkraft werden als überdurchschnittlich eingestuft. Die vegane Ernährung macht langfristig eine Nahrungsergänzung zwingend notwendig. Für einige Apotheken lohnt es sich also, einen Blick auf diese besondere, aber auch besonders kritische, Kundengruppe zu werfen. | Von Markus Zieglmeier

*nach Vorträgen für WIPIG/Netzwerk Ernährung

Woran erkennen Sie einen Veganer (in der Mehrzahl der Fälle: eine Veganerin) in der Apotheke? Das müssen Sie gar nicht. Sie werden es meist in einer frühen Phase des Beratungsgesprächs erfahren. Im Gegensatz zu den Konsumenten von Currywurst und Pommes kommunizieren Veganer ihre Ernährungsgewohnheiten sehr offen, vereinzelt auch mit missionarischem Eifer.

Aber sind Veganer überhaupt Apothekenkunden? Oder definieren sie uns als „Chemikalienhändler“, die eher ein Symptom der Krankheit unserer Gesellschaft darstellen als einen Ansatz zu deren Heilung? Die Antwort auf diese Fragen ist nicht eindeutig. Sie hängt sowohl vom Erscheinungsbild der Apotheke ab als auch vom Veganer. Eine (auch) naturheilkundlich-homöopathisch ausgerichtete Apotheke in einem Stadtviertel mit gehobenem sozioökonomischem Status wird im Gegensatz zu einer Center-Apotheke mit Supermarkt-ähnlicher Ausrichtung sicher einen signifikanten veganen Kundenanteil haben. Und den Veganer an sich gibt es nicht.

Will man Veganer als Zielgruppe einschätzen, drängt sich als Versuch einer Typologie zunächst eine Einteilung auf

  • in solche, die schon sehr lange vegan leben („Alt-Veganer“), und
  • in solche, die einem erst wenige Jahre alten Trend folgen („In-Veganer“).

Dieser Trend der letzten Jahre wurde unter anderem durch die Kochbücher von Attila Hildmann angeheizt, deren Titel wie „Vegan for fit“ oder „Vegan for fun“ usw. wie das Programm dieses Trends klingen. Interessanterweise stehen die oft missionarisch auftretenden Alt-Veganer den In-Veganern mit sichtbarem Argwohn gegenüber, was hauptsächlich an den stark kontrastierenden Lebenseinstellungen liegt. Ein kurioses Beispiel dafür ist der Hass, der Attila Hildmann entgegenschlug, als er sich vom Honorar für sein erstes Kochbuch ausgerechnet einen Porsche kaufte – und zwar (einmal nicht aufgepasst!) mit Ledersitzen. Er soll sich sehr beeilt haben, den Fehler zu korrigieren.

Lebt jemand schon viele Jahre vegan, so kann man auf seiner Homepage (neben dem Spendenkonto) oft Bilder von neugeborenen Kälbern und Ferkeln finden, denen blutige Schlachthaus-Szenen als harter Kontrast gegenübergestellt werden. Ein moderner In-Veganer argumentiert eher hedonistisch, z. B. mit körperlicher Fitness und Attraktivität, die er dank ausgefeilter Rezepte ohne Genussverzicht erlangt. Dennoch sind Gewaltlosigkeit und Verteilungsgerechtigkeit Argumente beider Fraktionen.

Vorsicht Falle – vegan oder essgestört?

Therapeuten berichten zunehmend darüber, dass sich Patienten mit Anorexia nervosa als vegan deklarieren. Das liegt daran, dass eine vorgeblich vegane Ernährungsweise eine gute Begründung darstellt, an (meist nicht-veganen) Mahlzeiten nicht oder kaum teilzunehmen. Beides darf jedoch nicht verwechselt werden. Veganismus hat mit Essstörungen grundsätzlich nichts zu tun. Gesunde Veganer essen mit Appetit und sind zwar schlanker als der Bevölkerungsdurchschnitt, haben aber in der Regel einen BMI von über 20 kg/m2.

Information und Desinformation

In-Veganer sind in aller Regel gut informiert über die Chancen, aber auch über die Risiken ihrer Ernährungsweise. Sie wissen, dass sie zumindest Vitamin B12 substituieren sollten, was aber aufgrund der langen Speicherdauer in der Leber nicht sofort nach der Umstellung auf vegane Ernährung geschehen muss. Um den richtigen Zeitpunkt für den Beginn einer Nahrungsergänzung nicht zu verpassen, lassen sie beim Hausarzt die Vitamin-Spiegel bestimmen. Hier lauert eine Gefahr in Gestalt der Fehlinterpretation von Laborparametern: die Spiegel von Vitamin B12 können noch im Normbereich liegen, während bereits zum Teil irreversible neurologische Schäden auftreten (s. Kasten „Vitamin B12 als klinisch-chemischer Parameter“). Daraus und aus der Tatsache, dass viele Veganer bereits vorher Vegetarier waren und damit eher wenig Vitamin B12 zu sich nahmen, lässt sich die Empfehlung ableiten, das Vitamin gleich zu substituieren, statt Geld in Laborparameter mit unsicherer Aussage zu investieren. Labormediziner sehen das naturgemäß anders.

Vitamin B12 als klinisch-chemischer Parameter

Die klinische Chemie stellt zur Bestimmung des Vitamin-B12-Status zwei Parameter zur Verfügung:

  • Vitamin B12 selbst und
  • das Gesamt-Transcobalamin (Holo-TC).

Problem beider Parameter ist die Messung im Blut, während die Reserven des Organismus größtenteils in der Leber gespeichert und der Analytik damit nur eingeschränkt zugänglich sind.

2008 publizierten die Labormediziner Wolfgang Hermann und Rima Obeid einen Artikel im Deutschen Ärzteblatt, in dem sie feststellten, dass die Spiegel von Vitamin B12 noch im Normbereich sein können, während der Patient bereits deutliche und zum Teil irreversible neurologische Mangelsymptomatiken aufweist. Holo-TC ist der teurere, aber auch deutlich zuverlässigere Parameter zur frühzeitigen Erkennung eines Mangels [2].

Die Kernaussagen dieser Arbeit lauten:

  • Ein subtiler, klinisch unauffälliger und labordiagnostisch bislang nicht erfasster Vitamin-B12-Mangel ist in der Allgemeinbevölkerung häufig.
  • Holo-TC und MMA (Methylmalonsäure) besitzen, verglichen mit der Vitamin-B12-Bestimmung, eine höhere Sensitivität und Spezifität und gelten daher als moderne Biomarker des Vitamin-B12-Status. Gesamt-Vitamin-B12 führt als Marker zur Unterschätzung der Prävalenz eines Vitamin-B12-Mangels.
  • Eine Frühdiagnostik des Vitamin-B12-Mangels ist angezeigt, weil neurologische Symptome irreversibel sein können und häufig vor oder ohne hämatologische Manifestationen auftreten.
  • Patienten mit neurologischen Symptomen unbekannter Ätiologie sollten auf Vitamin-B12-Mangel und Malabsorption getestet werden. Geringe Vitamin-B12-Aufnahme, Malabsorption, perniziöse Anämie und gastrointestinale Erkrankungen mit pH-Wert-Verschiebung sollten bei Diagnose und Therapie von Vitamin-B12-Mangel beachtet werden.
  • Orale Substitution ist wirksam, sollte aber durch Spiegel überwacht werden.

Bezogen auf den Veganer kann man als Konsequenz dazu raten, mit einer moderaten Substitution von Vitamin B12 entweder bald nach der Ernährungsumstellung zu beginnen oder unter Bezugnahme auf die oben genannten Erkenntnisse vom Hausarzt die Bestimmung von Holo-TC zu fordern. Auch wenn die Arbeit im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist, kann nicht erwartet werden, dass die Problematik noch neun Jahre später jedem Hausarzt bewusst ist.

Ein kleiner, fundamentalistischer Teil der Alt-Veganer ist durch eine ideologisch gefärbte (Des-)Information – dem Nicht-wahrhaben-wollen der Tatsache, dass die vegane Ernährung zumindest bei Vitamin B12 nicht bedarfsdeckend ist – von Mangelernährung gefährdet. Hier kommen Argumente wie:

  • Pflanzen nehmen aus „lebendiger“ Erde genügend Vitamin B12 auf. (Tun sie nicht in ausreichendem Maße.)
  • Wenn man die anhaftende Erde nicht vom Salat entfernt, nimmt man mit den Bodenmikroben genügend Vitamin B12 auf. (Kein Kommentar an dieser Stelle.)
  • Vitamin B12 wird auch von den Bakterien des Darm-Mikrobioms gebildet. (Das trifft zu. Allerdings wird das dort gebildete Vitamin B12 kaum resorbiert, da die Resorption größtenteils nach Bindung an den im Magen gebildeten Intrinsic Factor im terminalen Ileum erfolgt.)

Bei einem Anhänger solcher Ideologien (zumeist Alt-Veganer), der mit einem ärztlichen Rezept in die Apotheke kommt, sollte immer auch an Mangelerscheinungen gedacht werden.

Eine argumentative Lösung, mit der alle leben können sollten, ist der Hinweis, dass auch Omnivoren („Allesfresser“), sofern sie Fleisch aus Massentierhaltung konsumieren, Vitamin B12 aus Nahrungsergänzung aufnehmen – allerdings indirekt, da es vorher dem Futter von Schlachttieren zugesetzt wurde (s. Kasten „Vitamin B12 und die Antibiotika im Tierfutter“).

Vitamin B12 und die Antibiotika im Tierfutter

Vitamin B12 wird hauptsächlich in Bodenmikroben gebildet. In der Natur lebende Tiere nehmen das Vitamin mit der Erde auf, die ihrer Nahrung anhaftet, eine Kuh zum Beispiel, wenn sie mit ihrer Zunge Grasbüschel ausreißt. Den Tieren in der Massentierhaltung steht diese Quelle nicht zur Verfügung. Ihnen muss das Vitamin als Nahrungsergänzung verabreicht werden, um Mangelerscheinungen und Wachstumsstörungen vorzubeugen.

Der amerikanische Infektiologe Jeffrey A. Fisher schildert in seinem Buch „The Plague Makers“ (deutscher Titel: „Krankmacher Antibiotika“, erschienen bei dtv) die Suche des Molekularbiologen Thomas Jukes nach einer billigen Vit­amin-B12-Quelle für die Geflügelzucht [3]. 1948 verfiel Jukes auf die Idee, die „ausgedienten“ Keime aus der Chlortetracyclin-Produktion der Lederle Laboratories dem Futter beizumischen, da sie große Mengen des Vitamins enthielten. Die Ergebnisse übertrafen alle Erwartungen, insbesondere aber die Wirkungen, die reines Vitamin B12 auf das Wachstum der Vögel hatte. Es kam zu einer Wachstumsbeschleunigung um bis zu 50%. Nach weiteren Experimenten stand fest, dass es die Rückstände des Tetracyclins waren, die als Wachstumsbeschleuniger wirkten, und dass der Effekt auch auf andere Antibiotika übertragbar war. Obwohl der Mechanismus bis heute nicht vollständig geklärt ist, nahm der Verbrauch insbesondere von Tetracyclinen und Betalact­amen in der Landwirtschaft seit der Publikation von Jukes’ Daten im Jahr 1950 stetig zu. Historisch betrachtet war die Suche nach einer billigen Vitamin-B12-Quelle für die Aufzucht von Tieren also der Startschuss für den massiven Missbrauch von Antibiotika in der industriellen Fleischproduktion und kann als eine der Hauptursachen für die heutige Antibiotika-Resistenzproblematik betrachtet werden.

Die „wissenschaftliche Bibel“ der Veganer

Wer viel mit Veganern spricht, wird von T. Colin Campbells Buch „China Study – die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Ernährungsweise“ gehört haben. Campbell, ursprünglich Tiermediziner, später jedoch Biochemiker, Ernährungswissenschaftler und Epidemiologe, war in den siebziger Jahren Leiter des China-Cornell-Oxford-Projekts (kurz „China Study“), einer der größten epidemiologischen Erhebungen dieser Zeit. In seinem Buch beschreibt er jedoch nicht so sehr diese Studie, sondern auch andere Projekte, an denen er beteiligt war, und zieht daraus Schlüsse, die verallgemeinernd und nicht immer logisch nachvollziehbar sind. So lautet eine seiner Thesen, dass die weit überwiegend pflanzliche Ernährung der chinesischen Landbevölkerung nicht nur zu niedrigeren Cholesterol-Spiegeln führt (was beweisbar ist), sondern in der Folge auch zu einem gesünderen und längeren Leben. Zur Zeit seiner Erhebung lag die Lebenserwartung des durchschnittlichen Chinesen gut sieben Jahre unter der des durchschnittlichen (damals schon über- und fehlernährten) Amerikaners (vgl. Max Roser „Our world is changing – Explore the ongoing history of human civilization at the broadest level, through research and data visualization“ https://ourworldindata.org). Auch seine These, dass proteinreiche Ernährung (vor allem mit Milchprodukten) Osteoporose eher begünstigt, ist fragwürdigerweise damit begründet, dass die asiatischen und afrikanischen Länder, in denen sich die Menschen weitgehend milchfrei ernähren, die Krankheit kaum kennen. Campbell vernachlässigt dabei die Tatsache, dass die Bevölkerung dieser Entwicklungsländer zumeist körperlich hart arbeitet (was unabhängig von der Ernährung einer Osteoporose vorbeugt) und vielfach das Alter, in dem sich die Symptome manifestieren, gar nicht erreicht.

Dennoch ist eines festzuhalten: Campbell wird in seiner Behauptung, dass Veganer gesünder sind und länger leben als Omnivoren, durch die aktuelle Datenlage bestätigt (siehe Artikel "Frei von tierischen Bestandteilen" in dieser DAZ). Man kann auch mit einer aus wissenschaftlicher Sicht fragwürdigen Methodik zu den richtigen Schlüssen kommen – und ein Buch schreiben, das sich trotz aller Kritik zu lesen lohnt, weil es zum Nachdenken anregt [1].

Sozialer Status, Kaufkraft und Kaufverhalten

Veganer sind vielleicht kritische und (uns Apothekern gegenüber) zuweilen sogar misstrauische, aber auch vergleichsweise finanzstarke Kunden. Ihren sozioökonomischen Status einzuschätzen, gelingt sehr gut mithilfe der Sinus-Milieus. Das Sinus-Institut, ein Beratungsunternehmen mit soziologisch-zielgruppenorientiertem Ansatz, hat die deutsche Bevölkerung in zehn Milieugruppen eingeteilt und diese Gruppen in einer Grafik angeordnet, bei der auf der x-Achse die Orientierung (von traditionell bis progressiv) und auf der y-Achse die soziale Lage (von prekär bis wohlhabend) dargestellt sind (Abb. 1). Dabei werden die Lebenswelt, grundlegende Wertorientierungen und der Lebensstil der Menschen berücksichtigt und nicht nur formale demografische Kriterien wie Schulbildung, Beruf oder Einkommen.

Die Milieus, in denen Veganer häufig vorkommen, liegen in Bezug auf ihren sozialen Status in der oberen Hälfte der Sinus-Grafik. Im Beratungsgespräch zeigt sich, dass man es meist mit gebildeten und sensiblen Menschen zu tun hat, die sich ihre Meinung gebildet haben, sich diese auch nicht so einfach ausreden lassen, aber mehrheitlich einer schlüssigen Argumentation durchaus zugänglich sind. Im Einzelfall kann es vorkommen, dass Quellenangaben für die eine oder andere Behauptung gefordert werden. In den folgenden Beiträgen wird daher umfangreiche Literatur angeführt.

Abb. 1: Die sozialen Milieus, in denen Veganer hauptsächlich vorkommen, sind die Sozial-Ökologischen, die Liberal-Intellektuellen, die konsum- und stilbewussten Performer und die Expeditiven, die kreativ, kulturell und geografisch mobil sind und sich online und offline vernetzen. Auf den Seiten des Sinus-Instituts ist eine Beschreibung der einzelnen Milieu-Gruppen verfügbar. Quelle: www.sinus-institut.de

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Bei dieser speziellen Zielgruppe konkurriert die Apotheke als Bezugsquelle von Nahrungsergänzungsmitteln nicht wie sonst mit Drogerie- und Supermärkten, sondern eher mit dem Randsortiment von Bio-Läden. Dort vertriebene Produkte wie Veggie-Plus® von Alsiroyal haben dem eher apothekenüblichen Sortiment voraus, dass ihr Marketing speziell auf die Zielgruppe zugeschnitten ist, die in Bio-­Läden zu finden ist. Insbesondere zeichnet sich das Marketing dieser Produkte dadurch aus, dass das Vegan-Symbol und das Wort „vegan“ groß auf die Packung gedruckt sind. In der Apotheke dagegen führt die Frage, ob ein Produkt vegan ist, gelegentlich zu einer umständlichen Recherche. Beispiele für Vitamin-B12-Monopräparate und Kombinationen: B12 Ankermann® Tropfen sind vegan (jedoch mit Parabenen konserviert), die Tabletten desselben Herstellers dagegen enthalten Milchzucker. Vitasprint® ist vegan, vom Marketing her jedoch eher auf Senioren als Zielgruppe zugeschnitten. Die Centrum®-Produkte, eine in Apotheken gern empfohlener Mikronährstoff-Produktgruppe, enthalten Gelatine von Rind oder Schwein. Wer einem Veganer im Beratungsgespräch Mikronährstoff-Präparate mit Hilfsstoffen tierischen Ursprungs empfiehlt, hat sich als Ansprechpartner disqualifiziert. Umgekehrt kann man seine Glaubwürdigkeit durch Detailwissen erhöhen, das jedoch einer gewissen Vorbereitung bedarf. Ein Beispiel: In Bio-Läden wird eine Zahnpasta angeboten, die Vitamin B12 enthält. In der Packungsbeilage werden Wissenschaftler zitiert, die durch Spiegelmessungen nachgewiesen haben sollen, dass die Resorption über die Mundschleimhaut zur Vitamin-B12-Substitution ausreichend ist. Leider zeigt eine PubMed-Recherche, dass es diese Wissenschaftler zwar gibt, ihre Untersuchung zur Zahnpasta jedoch nie publiziert wurde, außer in diesen Beipackzetteln. Vor dem Hintergrund der Daten von Hermann und Obeid (s. Kasten „Vitamin B12 als klinisch-chemischer Parameter“) wäre es interessant gewesen zu erfahren, was genau hier gemessen wurde.

Regeln der Kommunikation

Im Eingangsbereich von vegan-vegetarischen Restaurants findet man gelegentlich Postkarten zur kostenlosen Mitnahme. Auf einer dieser Karten steht folgender Aufdruck:

„Ja, ich bin Veganerin, nein, ich esse nicht nur Gras, doch ich bekomme genügend Proteine, nein, ich finde das nicht etwas extrem, nein, Fisch auch nicht, ja, ich kann dann überhaupt noch was essen, nein, das ist nicht sehr kompliziert, nein es interessiert mich nicht, dass du das nie könntest …“

Damit wird sehr anschaulich illustriert, wie genervt Veganer von allen berufenen oder unberufenen Ratgebern sind, die Mangelrisiken in den Vordergrund stellen. In der Tat zeigt eine klare und eindeutige Studienlage, dass vegetarische bzw. vegane Ernährung einen gesundheitlichen Benefit mit sich bringt – wenn man weiß, worauf man zu achten hat. Man bricht sich also keinen Zacken aus der Krone, wenn man seinen Respekt für die gesunde Ernährung bekundet.

Internetforen, in denen sich Veganer austauschen, zeigen die Verunsicherung, die durch Desinformation von beiden Seiten verursacht wird. Der Ideologie, vegane Ernährung führe zu überhaupt keinem Mangel, steht ein aufgeblasenes Mangelrisiko-Schreckgespenst gegenüber. Einzelfälle symptomatischer Mängel werden publiziert und in unzulässiger Weise verallgemeinert. Teilweise handelt es sich hier sicher um Lobbyarbeit der industriellen Fleischproduzenten – sie geht bekanntlich bis hin zur Forderung des Agrarministers nach mehr Schweinefleisch an deutschen Schulen – ein Vorschlag, der seine Zielgruppe an den Dorfstammtischen sicher mehr begeistert als Präventionsmanager oder gar den muslimischen Bevölkerungsanteil.

Wer den gesundheitlichen Benefit der veganen Ernährung anerkennt, hat einen guten Einstieg ins Beratungsgespräch und wird beim Kunden auch ein offenes Ohr finden, wenn es darum geht, Maßnahmen anzusprechen, mit denen die Risiken einer veganen Ernährung umgangen werden können. Für weitere Empfehlungen gilt der Grundsatz, dass man immer versuchen sollte, jeden Bedarf mit der Nahrung zu decken, bevor man zu Nahrungsergänzung greift (s. auch Artikel "Den Bedarf decken" in dieser DAZ). Auch das ist letztlich eine Frage der Glaubwürdigkeit. |

Literatur

[1] Campbell TC, Campbell TM. China Study. Verlag Systemische Medizin Bad Kötzting, 2. Auflage 2011

[2] Herrmann W, Obeid R. Ursachen und frühzeitige Diagnostik von Vit­amin-B12-Mangel. Deutsches Ärzteblatt 2008;105(40):680-685

[3] Fisher JA. The Plague Makers. Simon & Schuster New York, 1. Auf­lage 1994

Autor

Dr. Markus Zieglmeier, Apotheker, studierte Pharmazie an der LMU in München und ist seit 1989 in der Apotheke des Klinikums München-Bogenhausen tätig. Promotion zum Dr. rer. biol. hum., Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Zusatzbezeichnungen: Medikationsmanager BA KlinPharm, Ernährungsberatung und Geriatrische Pharmazie. Seit 2002 ist er verstärkt als Referent und Autor tätig.

Dr. Markus Zieglmeier, Städt. Klinikum München, Apotheke Klinikum Bogenhausen, Englschalkinger Str. 77, 81925 München

autor@deutsche-apotheker-zeitung.de

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