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Klettenhaare – lästig bis gefährlich

Unangenehme Begleiterscheinungen im Umgang mit Kletten (Arctium lappa u. a.) sind zwar vielerseits bekannt, nicht aber deren eigentliche Ursachen. Schuld an Entzündungen von Haut und Auge nach dem Kontakt mit reifen Kletten sind die kaum zwei Millimeter langen spreuborstlichen Pappushaare, kurz "Klettenhaare" genannt.
Fotos: Prof. Dr. Hartmut Hilger
Die Klette ist ein Korbblütler. Ihre grünen, unreifen "Früchte" sind ein natürliches Kinderspielzeug und ungefährlich.

Die Klettenhaare zieren als Borstenkranz die Spitze des Fruchtknotens bzw. der reifen Frucht, wo sie dicht an dicht einen wehrhaften Schutz vor Fraßfeinden darstellen. Zur Fruchtreife fallen die trockenen gelben Härchen ab und sind für jeden, der mit Kletten in diesem Stadium hantiert, eine potenzielle Gefahr.

Für ein Projekt am Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg sammelten wir Ende August größere Mengen Kletten-Fruchtstände, um an die darin befindlichen "Samen" zu gelangen (eigentlich Früchte, die bei den Korbblütlern als "Achänen" bezeichnet werden). Danach berichteten Mitarbeiter von Juckreiz, der mindestens zwei Tage lang anhielt. Wir vermuteten zunächst Heumilben als Ursache. Dann allerdings fiel der Verdacht auf die Klettenhaare, und wir mikroskopierten diese sowohl lose als auch an Ort und Stelle im eigentlichen Fruchtstand. Das Ergebnis war beeindruckend und eindeutig.


Steckbrief


Die Große Klette (Arctium lappa) ist in den gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel weit verbreitet. Sie ist eine altbekannte Heilpflanze – nicht nur in der westlichen Phytomedizin, sondern auch in der traditionellen Heilkunde anderer Länder (u. a. TCM). Offizinell ist die Wurzel (Bardanae radix DAC). Ihre biologisch aktiven Naturstoffe umfassen Polyphenole, Lignane, Sesquiterpenlactone und Polyacetylene [1]. Deren Wirksamkeit und Wirkmechanismen sind allerdings nicht belegt bzw. bekannt.

Darüber hinaus spielt die Klette in der Kosmetik (Klettenwurzelöl für die Haarpflege) und als Nahrungsmittel eine Rolle: Wurzel und Blätter werden vor allem in Asien verzehrt, z. B. die geschnittene Wurzel als Suppengemüse (in Japan als "gobo" bezeichnet).


Wir fanden die kleinen Härchen verkeilt nicht nur in jedem Kleidungsstück, sondern auch in der Haut, aus der sie sich nur sehr schwer abwaschen ließen. Bei einem Mitarbeiter gelangten Klettenhaare sogar ins Auge, was eine unangenehme Konjunktivitis und einen Besuch beim Augenarzt nach sich zog. Von dieser sogenannten "Klettenkonjunktivitis" wurde bereits in den 30er Jahren berichtet [2]. In der anglophonen Fachliteratur finden sich Warnhinweise zur "burdock ophthalmia" (Kletten-Augenentzündung) [3], Keratopathie und Keratitis (Hornhautentzündung) nicht nur beim Menschen, sondern vor allem bei Pferden, und auch bei Hunden.

Fortan tragen wir bei der Verarbeitung der Kletten nur noch Ganzkörperschutzanzüge mit Atem- und Augenschutz. Auch für Wanderer und Kinder gilt: Beim Sammeln und "Spielen" mit reifen Kletten ist Vorsicht geboten!


Literatur

[1] Wichtl M. Teedrogen und Phytopharmaka, 5. Aufl. Stuttgart 2009.

[2] Miklos A. Klettenconjunctivitis. Klin Wochenschr 1931:10(33):1555.

[3] Breed FB, Kuwabara T. Burdock ophthalmia. Arch Ophthalmol 1966; 75(1):16-20.


Autor
Theodor C. H. Cole, IPMB, Universität Heidelberg
cole@uni-hd.de



Pappushaare einer Kletten-Achäne. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme. Balken: 1 mm lang.
Die trockenen "Früchte" brechen auf und geben die "Samen" (Achänen) frei.
Grössenvergleich Eine Kletten-Achäne auf einem Blatt.

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