Ernährung aktuell

Eine "beerenstarke" Saison

Was wäre Rote Grütze ohne Himbeeren und Johannisbeeren oder wie fade ein Hefekloß ohne Heidelbeerkompott? An heißen Sommertagen sorgen Beerenfrüchte für den ultimativen Frischekick, liefern ordentliche Portionen Vitamine und bereiten mit nur wenigen Kalorien ein hocharomatisches Vergnügen. Die empfindlichen Früchte sind wahre Tausendsassas, wenn es um ihre kulinarische und gesundheitliche Bandbreite geht. Folge 8 unserer Lebensmittelkunde Obst nimmt Sie mit zu einer kunterbunten Beeren(aus)lese.

Von Anfang Juni bis Mitte Oktober leuchten Himbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren und Stachelbeeren in vielerlei Farben an kleinen und großen Sträuchern. Botanisch betrachtet, dürfen sich eigentlich nur Heidel-, Johannis- und Stachelbeeren als wirkliche Beeren bezeichnen, da ihr Samen vom Fruchtfleisch eingeschlossen ist. Brombeeren und Himbeeren hingegen gelten als Sammelsteinfrüchte, denn hier setzt sich die Frucht aus vielen kleinen Einzelfrüchten mit Samen zusammen.

Empfindliche Runde

Beeren mögen es ausgereift – einmal gepflückt, ändert sich an ihrem Reifegrad nichts mehr. Nur voll ausgereifte Früchte entfalten ihr einzigartiges Aroma und besitzen die maximale Konzentration an wertvollen Inhaltsstoffen. Ob wild oder in Kultur, sollte das Weichobst vorsichtig behandelt und möglichst frisch verwertet werden.

Bunt und gesund

Mit weniger als 45 kcal pro 100 g essbarem Anteil zählen Beerenfrüchte zu den absoluten "Low-Fat-Snacks" für zwischendurch. Sie sind gute Mineralstofflieferanten, einige enthalten Biotin, Folsäure und Salizylsäure in nennbaren Mengen. In den hochkonzentrierten Kernen und Samen, die in der Regel mitgegessen werden, finden sich außerdem ungesättigte Fettsäuren. Flavonoide, Carotinoide und Anthocyane geben den Früchten nicht nur ihr farbenfrohes Aussehen, sondern wirken als sekundäre Pflanzenstoffe antioxidativ und zellschützend. Mit ihrem Vitamin C-Gehalt liegen alle Beeren gut im Rennen, wobei schwarze Johannisbeeren eindeutige Favoriten unter den Früchten sind.

Himbeeren – die Zarten

Heimisch in Europa, Asien und Nordamerika, wachsen Himbeeren (Rubus idaeus L.) an mehr oder weniger bestachelten Halbsträuchern. Sie gehören zur Familie der Rosengewächse und haben im Juli Hauptsaison. Die sehr druckempfindlichen Früchte werden per Hand ohne Kelch und Blütenboden gepflückt und müssen nach der Ernte sofort kühl gelagert werden.

Himbeeren gelten als die aromatischsten heimischen Früchte. 1-(p)-Hydroxyphenyl-3-butanon (Himbeerketon) und einige Carotinoide liefern den unverwechselbaren Geschmack; Geraniol, Linalool und 3-Hexenol sorgen für die fruchtige Note. Verschiedene Anthocyanderivate verleihen der Beere ihre Farbe und sind gemeinsam mit Phenolsäuren und Flavonoiden als Antioxidans im Einsatz. Himbeeren sind mit reichlich Calcium, Magnesium und Salizylsäure ausgestattet. Hinsichtlich ihres Eisenanteils werden sie nur noch von schwarzen Johannisbeeren übertroffen; beim Folsäuregehalt haben sie eindeutig die Nase vorn.

Himbeersirup (Sirupus Rubi Idaei) wird pharmazeutischen Zubereitungen als Geschmackskorrigens beigefügt und wirkt darüber hinaus schweißtreibend und fiebersenkend. Die Blätter der Himbeersträucher enthalten Gerbstoffe und Flavonglykoside. Sie sind Blutreinigungstees beigefügt und werden in der Naturheilkunde bei Diarrhoe eingesetzt.

Brombeeren – die Wuchtigen

In einigen Landstrichen als Kroatzbeere oder Brummbeere bezeichnet, sind auch Brombeeren (Rubus fructicosus L.) Familienmitglieder der Rosengewächse und gehören wie die Himbeeren zu den Sammelsteinfrüchten. Sie sind deutlich größer als ihre zarten Verwandten und im Gegensatz zu ihnen mit dem Blütenboden fest verwachsen. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden Brombeeren kultiviert und erfreuen sich von Juli bis in den Oktober hinein großer Beliebtheit.

Vollreife Brombeeren sind tiefrot bis schwarzviolett, in erster Linie hervorgerufen durch Cyanidin-3-monoglucosid. Aufgrund ihrer dunklen Farbe nehmen sie viel Wärme auf und werden schnell überreif. Terpenalkohole, Ketone und Phenole versorgen die Früchte mit einem süß-säuerlichen Aroma.

Auch Brombeeren warten mit hohen Mineralstoffwerten auf. Sie enthalten zwar weniger Vitamin C als die anderen Beerenvertreter, heben sich dafür aber durch viel β-Carotin von der restlichen Gruppe ab.

Zusammen mit Himbeerblättern werden die Blätter der Brombeersträucher gern als Tee verwendet. Gerbstoffe und organische Säuren wirken mild adstringierend, lindern Durchfälle, entzündete Schleimhäute und Mandeln und lassen Hautausschläge schneller abklingen. Brombeersaft gilt als beliebtes Heilmittel bei Halsschmerzen und Heiserkeit.

Heidelbeeren – die Divenhaften

Während geerntete Himbeeren und Brombeeren schon nach kurzer Zeit zusammenfallen, besitzen Heidelbeeren eine divenhafte Schönheit und bleiben langanhaltend knackig. Die aus der Familie der Heidekrautgewächse stammenden Früchte wachsen wild (Vaccinium Myrtillus L.) oder seit 1908 auch in kultiviertem Anbau (Vaccinium corymbosum Hybriden).

Kulturheidelbeeren sind größer, als die wilden Schwestern, haben eine festere Struktur und ein helles, nicht färbendes Fruchtfleisch. Aufgrund des hohen Zuckergehaltes ist ihr Saft gelierfähiger und wird erst beim Kochen durch die Schalenfarbe dunkel. Dafür enthalten sie weniger Mineralstoffe und Vitamin C und büßen gegenüber den Waldheidelbeeren merklich an Aroma ein. Wilde Heidelbeeren, auch Blaubeeren genannt, wachsen bevorzugt in halbschattigen Wäldern und werden ab Juli reif. Die gesundheitlich wertvollen Anthocyane sind im gesamten Fruchtfleisch verteilt und bescheren der Frucht nicht nur eine intensive Farbkraft (die Kelten färbten mit Heidelbeeren die Sklavengewänder violett), sondern besitzen im Vergleich zu anderen Beeren auch den stärksten antioxidativen Faktor. Dieser wird unterstützt durch einen bemerkenswert hohen Vitamin-E-Gehalt. Arbutin, Hydrochinon und Chlorogensäure sind als Gerbstoffe in den Blättern der Heidelbeere reichlich enthalten und wirken mild adstringierend.

Tab. 1: Energiegehalte und ausgesuchte Inhaltsstoffe von Himbeeren, Johannisbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren und Stachelbeeren (pro 100 g essbarem Anteil)
 HimbeereBrombeereHeidelbeereRote 
Johannisbeere
Schwarze 
Johannisbeere
Stachelbeere
Energiegehalt142 kJ/
33 kcal
185 kJ/
44 kcal
154 kJ/
36 kcal
139 kJ/
33 kcal
167 kJ/
39 kcal
160 kJ/
38 kcal
Wasser84,5 g84,7 g84,6 g84,7 g81,3 g87,2 g
Eiweiß1,3 g1,2 g0,6 g1,1 g1,3 g0,8 g
Fett0,3 g1,0 g0,6 g0,2 g0,2 g0,2 g
Kohlenhydrate4,8 g6,2 g6,1 g4,8 g6,1 g7,1 g
Kalium200 mg190 mg80 mg255 mg305 mg200 mg
Magnesium30 mg30 mg2 mg13 mg17 mg15 mg
Calcium40 mg45 mg10 mg30 mg45 mg30 mg
Eisen1000 µg900 µg740 µg910 µg1300 µg630 µg
β-Carotin30 µg270 µg35 µg25 µg80 µg110 µg
Vitamin E910 µg720 µg2100 µg715 µg1900 µg620 µg
Vitamin C25 mg17 mg20 mg35 mg175 mg35 mg
Nicotinamid300 µg400 µg400 µg230 µg280 µg250 µg
Folsäure30 µg10 µg11 µg9 µg20 µg
Biotin1 µg3 µg2 µg1 µg
Glucose1780 mg2960 mg2470 mg2010 mg2350 mg3020 mg
Fructose2050 mg3110 mg3350 mg2490 mg3070 mg3330 mg
Apfelsäure400 mg900 mg850 mg595 mg235 mg720 mg
Zitronensäure1720 mg18 mg525 mg1775 mg2390 mg720 mg
Oxalsäure16 mg12 mg10 mg19 mg
Salizylsäure5100 µg5100 µg3100 µg
Purine18 mg20 mg17 mg16 mg

 

Quelle: Lebensmitteltabelle für die Praxis, Der kleine Souci, Fachmann, Kraut, 3. Auflage, WVG Stuttgart

 

Johannisbeeren – die Reichhaltigen

Rot, schwarz und manches Mal auch weiß leuchten Johannisbeeren ab Juni an Sträuchern, Stämmchen oder Spalieren. Ein Hinweis auf den Reifezeitpunkt findet sich bereits im Namen – die früheren roten Johannisbeeren schmecken schon um den Johannistag am 24. Juni. Rote (Ribes rubrum) und schwarze (Ribes nigrum) Johannisbeeren gehören zu den Steinbrechgewächsen und wachsen in unterschiedlich langen Trauben.

Cyanidinglycoside geben den roten Beeren ihre Farbe, während mit Cumarinsäure acetylierte Anthocyane bei den dunklen Früchten für ein stabiles Schwarz sorgen. Die mitunter als Cassis benannten schwarzen Johannisbeeren enthalten bis zu zehnmal mehr antioxidative Substanzen als ihre roten Artgenossen und zählen zu den ernährungsphysiologisch wertvollsten Beerenobstarten. Ihr Gehalt an Kalium, Eisen und Vitamin C übertrifft die Mengen der anderen Vertreter häufig um ein Vielfaches. Auch Calcium, Vitamin E, Fruchtsäuren und Pektin sind reichlich in den eher säuerlich-herben Früchten zu finden. Die etwas süßere rote Johannisbeere trumpft in erster Linie durch einen hohen Salizylsäuregehalt auf.

Wegen ihres hohen Vitamin-C-Gehaltes werden Zubereitungen schwarzer Johannisbeeren bei Erkältungen empfohlen. Alte Hausmittel bedienen sich der Frucht bei Gicht, Rheuma oder Halsentzündungen. Aus den Blättern des Strauches lässt sich ein schweiß- und harntreibender Tee herstellen.

Stachelbeeren – die Unkomplizierten

Je nach Reifezustand und Sorte schmecken Stachelbeeren (Ribes uva-crispa, L.) mal süß, mal säuerlich und bieten mit roten, grünen, weißen und gelben Früchten die farbenfroheste Vielfalt unter den Beeren an. Als Steinbrechgewächse mit den Johannisbeeren verwandt, reifen sie von Ende Juni bis Ende Juli. Ihre Schale ist leicht durchscheinend und abhängig von der Sorte mal fest, mal hart, mit einer mehr oder weniger behaarten Oberfläche.

Stachelbeeren sind die einzigen Beeren, die auch grün und unreif gepflückt werden. Sie sind dann länger lagerfähig und nicht so druckempfindlich wie vollreife Früchte. Rote Stachelbeeren sind reich an Anthocyanen, β-Carotin und Lutein. Zitronensäure und Äpfelsäure geben einen säuerlichen Geschmack, wirken appetitanregend und verdauungsfördernd. Vollreife Stachelbeeren weisen einen hohen Gehalt an Vitamin C auf und enthalten den höchsten Zuckeranteil aller Beeren.


 

Beerengenuss


 

Himbeeren: "Heiße Liebe" – Vanilleeis mit heißen Himbeeren – ist ein Klassiker. Roh schmecken sie zu milden Cremes, Sahne oder Quark. Sie eignen sich für Obstsalat, Rote Grütze, Konfitüre, Saft, Bowle und Liköre.

Brombeeren schmecken frisch und sehr delikat mit Milch oder Joghurt, zu Eis, als Tortenbelag oder im Rumtopf. Sie lassen sich zu Konfitüre, Saft, Fruchtwein und Likör verarbeiten. In Schottland genießt man Brombeeren mit Whisky und Speck.

Heidelbeeren sind roh und gezuckert mit Milch oder flüssiger Sahne ein Genuss, lassen sich aufgrund des hohen Pektingehaltes gut zu Konfitüre verarbeiten und geben Torten, Pfannkuchen und Muffins das gewisse Etwas. Heidelbeermus harmoniert hervorragend zu herzhaften Wildgerichten.

Rote und schwarze Johannisbeeren sind ideal als Garnitur, wegen ihrer intensiven Säure für den Frischverzehr meist nur mit reichlich Zucker akzeptiert. Sie sind vorzüglich zum Aromatisieren pikanter Fleisch-, Geflügel- oder Wildgerichte. Aus den Beeren lassen sich zudem wunderbare Marmeladen zubereiten. Industriell werden sie vorwiegend zu Sirup und Likör verarbeitet, berühmtestes Beispiel ist der "Cassis de Dijon".

Stachelbeeren finden in Kuchen mit Baiserhaube ihre fruchtige Bestimmung und passen gedünstet ausgezeichnet zu Quark, Frischkäse und Joghurt. Franzosen bereiten aus den unreifen Früchten eine wohlschmeckende Beilage zu geräuchertem Fleisch und fettem Fisch, im Norden Europas bevorzugt man stark gewürzte Stachelbeeren in Suppen.



Literatur

Ternes, Teufel, Tunger, Zobel, "Lexikon der Lebensmittel und der Lebensmittelchemie", WVG Stuttgart, 2007

Der kleine Souci, Fachmann, Kraut, "Lebensmitteltabelle für die Praxis", WVG Stuttgart, 3. Auflage, 2004

www.CMA.de

www.wdr.de

Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage, Walter de Gruyter GmbH, 2004

Anne Willan, "Die große Schule des Kochens", Christian Verlag, München, 3. Auflage, 1994

 


Apothekerin Franziska Wartenberg

 

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