Wirtschaft

DAX: Bilanzkosmetik zum Quartalsende

Aufstockung des Rettungsschirms findet Beifall

(hps). In Berlin stimmt man über die Europäische Finanz-Stabilisierungs-Fazilität (EFSF) ab – und die ganze Finanzwelt schaut zu. Die Frage, ob der Regierung Merkel dafür die eigene Mehrheit reicht, wird zur Schicksalsfrage für die Börsen hochstilisiert. Dabei warten auf die Märkte Probleme von noch ganz anderem Kaliber.

Die Börse zwischen Hoffen und Bangen. Mit neuen Zweifeln an der Stabilität des Finanzsektors schien die Abwärtsspirale am Aktienmarkt zunächst in eine neue Phase zu treten. Der Ruf nach frischen Kapitalspritzen für die Banken weckte bei den Investoren ungute Erinnerungen an die Lehman-Pleite. Zuvor hatte sich auch der chinesische Einkaufsmanagerindex in die Serie der weltweit nach unten weisenden Indizes eingereiht. Die sich eintrübende Stimmung in Asien wurde dabei indirekt auch durch das US-Unternehmen Fedex bestätigt. Der Logistikriese nahm seine Gewinnziele wegen der schwachen Nachfrage aus Fernost zurück. Die Hiobsbotschaften wollten kein Ende nehmen und scheuchten den DAX zurück bis auf knapp unter 5000 Punkte. Auf dieser Basis griffen die Anleger erneut beherzt zu, so dass einige Chartanalysten bei 5000 Punkten glaubten, eine doppelte Bodenbildung zu erkennen. Flankiert wurde der Optimismus von Berichten über eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms. Willkommen war einfach alles, was eine Vermeidung dessen versprach, was nach wohl herrschender Meinung unter Experten bereits als unumgänglich tituliert wird: die Pleite Griechenlands. Der Boden, von dem aus die Kurse abhoben, scheint eher aus Treibsand zu bestehen. "Kosmetische Maßnahmen" der institutionellen Anleger angesichts des nahenden Quartalsendes klang da vielen Analysten als Erklärung einleuchtender. Denn die Probleme der Schuldenkrise säßen tief und die hastig eingeleiteten Maßnahmen der EU kämen womöglich zu spät.

Bulle & Bär – was bringt die neue Börsenwoche?

Das Tief der Abschwungphase sei noch nicht erreicht, meint man bei der Landesbank Berlin. Und dennoch plädiert die Bank für einen vorsichtigen, sukzessiven Einstieg in die Aktienmärkte. Mit dieser Einschätzung sind die Berliner nicht alleine. Laut der jüngsten Umfrage der Financial Times Deutschland (FTD) unter institutionellen Investoren glauben 38% an steigende Kurse im nächsten Halbjahr. 14% rechnen sogar mit stark steigenden Notierungen. Anders Fidelity Investment: Sie befürchten, dass sich im Zuge der herannahenden Berichtssaison Prognoserücknahmen und düstere Ausblicke häufen werden. Die Aktienexperten von ING sehen inzwischen zwar die zyklischen Risiken als eingepreist an, nicht aber eine eventuelle Pleite Griechenlands. Auch hier senken die Experten weiterhin den Daumen. Währenddessen taucht erstmals unter den offiziellen Analysten-Statements die Zahl 4500 auf: Die Baader-Privatbank möchte ein Abrutschen des DAX auf dieses Niveau nicht mehr ausschließen. Hochinteressant ist der Glaubenskrieg, der sich nun zwischen Optimisten und Pessimisten abzeichnet. Die "Bullen" sehen auf dem gegenwärtigen Kursniveau die meisten Probleme als eingepreist an: eine Pleite Griechenlands genauso wie einen Gewinnrückgang von 25% bei den im DAX und Dow Jones gelisteten Unternehmen. Ja sogar die fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit einer Rezession auf Sicht der nächsten vier Quartale sei mit dem heutigen Kursniveau bereits abgegolten. Die Lesart der Pessimisten sieht freilich anders aus: Der DAX tänzelt seitwärts – noch. Vor einem Sturz unter die 5000er Marke bewahrt ihn vorerst die Hoffnung, die internationale Schuldenkrise werde sich irgendwie in Wohlgefallen auflösen. Von einem Sprung über die obere Begrenzung bei rund 6000 Punkten hält die Investoren die Befürchtung ab, dass es zu dieser wundersamen Schuldentilgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht kommen wird. Warum am Ende doch wieder die Bären die Oberhand behalten werden, könnte an den USA liegen. Zwar ist es Präsident Obama gelungen, dass die Investoren ihre Konzentration inzwischen nur noch auf Europa richten. Böse dürfte das Erwachen an den Märkten sein, wenn sich Obamas kostspieliges Beschäftigungsprogramm als Flop erweist – wenn nicht schon vorher vom Parlament bis zur Unkenntlichkeit zerpflückt. Die offensichtliche Unfähigkeit der Verantwortlichen in den USA, ihren Haushalt zu konsolidieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, könnte genügend Unruhe stiften, um Unternehmen von weiteren Investitionen abzuhalten. Die Prophezeiung der Finanzmärkte hätte sich dann selbst erfüllt.

Alles nur Theaterdonner am Börsenparkett, könnte man meinen. Der jüngste ifo-Geschäftsklimaindex, der die Stimmung in den Unternehmen misst, scheint dies zu bestätigen. Die 7000 befragten Manager bezeichneten die aktuelle Lage ihrer Unternehmen noch als gut. Auf Sicht von sechs Monaten trübt zwar die Schuldenkrise die Stimmung, eine Rezession in Deutschland erwarten allerdings weder die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) noch die Bundesbank. Es droht die konjunkturelle Einschätzung eines mittelständischen Unternehmens überhört zu werden: Kontron – ein bayerischer Kleincomputerhersteller, der Steuerungscomputer für eine ganze Palette von Geräten herstellt – vom Telefonnetz bis zur Medizintechnik und Automaten. Das im TecDax gelistete Unternehmen gilt aufgrund seiner breit angelegten Produktpalette als krisenanfälliger Frühzykliker. Bei Kontron registriert man seit einigen Wochen eine zunehmende Zurückhaltung bei den Bestellungen. Aufträge werden verschoben, vor allem in den USA. Vorstandschef Gehrmann zeigt sich für 2012 skeptisch. Untermauert wird dieses Warnzeichen von den Auftragseingängen für langlebige Wirtschaftsgüter in den USA. Die Bestellungen sind im August um 0,1% gefallen. Noch im Juli verzeichneten sie einen Anstieg um 4,1%. Beginnen die Unternehmen ihre Investitionen nun tatsächlich aus Angst vor der Schuldenkrise zurückzufahren, würde sich der Kreis schließen. Abkühlung oder Rezession? Diese Frage wird die Märkte noch lange beschäftigen.




Eckdaten zum 29. September 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (29. 9., 10.50 h)
5603 Punkte
Dow Jones (28. 9., Schluss)
11.146 Punkte
Gold (Feinunze)
1629,40 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,83%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,31%
2,70% (NBC-Direkt)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,87%
3,00% (IKB direkt,
Bank of Scotland)

*Quelle: www.fmh.de



AZ 2011, Nr. 40, S. 7

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