Wirtschaft

DAX: Technische Erholung

Hoffnung auf Rekapitalisierung angeschlagener Banken stützt Kurse

(hps). Es scheint eine typische technische Reaktion zu sein, die für eine kleine Kurserholung sorgt, ansonsten jedoch wenig Greifbares enthält. Schulden werden wie gewohnt unter den Teppich gekehrt – nach der "Bad Bank" für Finanzinstitute soll es nun auch eine für Energiekonzerne geben. Eine überzeugende Lösung für das Schuldenproblem sieht anders aus. Doch am 11. Oktober ist Schluss mit solchen Taschenspielertricks. Dann beginnt die US-Berichtssaison.

Der Euro-Rettungsschirm hat den Bundestag passiert. Dennoch bleiben für die Investoren viele Fragen in der Schuldenkrise offen. Eine davon lautet: Wie tilgt man die Staatsschulden und bekämpft gleichzeitig die Wirtschaftskrise? Dass das Thema Wachstum nicht mehr länger auf die leichte Schulter genommen werden kann, zeigten letzte Woche bereits die markant schlechteren Zahlen zum Geschäftsklimaindex im Euroraum. Für einige Experten ist seitdem klar, dass die Euro-Zone im Winterhalbjahr eine Rezession durchlaufen wird. In das gleiche Horn bläst auch Deutsche Bank-Chef Ackermann, der die ganze Weltwirtschaft am Rande einer Rezession sieht. Unterdessen scheint sich der Fokus der Ratingagenturen immer mehr von Griechenland auf Italien zu verlagern, wodurch die Eurokrise eine neue, ungleich gefährlichere Dimension erhält. Die Bremsspuren der Schuldenkrise werden inzwischen auch bei den Unternehmensgewinnen immer deutlicher. Die Deutsche Bank kassierte wegen der Wertberichtigung ihrer griechischen Staatsanleihen ihr Gewinnziel. Lufthansa leidet unter der schwächeren Entwicklung ihrer Frachtsparte infolge des seit Frühjahr rückläufigen Handelsgeschäftes mit China. Dexia, die belgisch-französische Finanzgruppe – mit 518 Mrd. Euro Volumen einer der größten Kreditgeber Europas für öffentliche Körperschaften (auch gegenüber US-Stadtverwaltungen) – muss wahrscheinlich abgewickelt werden. Noch im Juli hatte Dexia den EU-Stresstest bestanden. Die Antwort der Politik auf solche Herausforderung fällt indes in den Augen der Kritiker alles andere als überzeugend aus: Immer neue Kredite sollen das Problem lösen. Der EU-Rettungsschirm soll nach Willen der Politiker Zugang zu EZB-Krediten erhalten und auf der anderen Seite des Atlantiks hat auch der US-Notenbank-Chef durchblicken lassen, dass er die Konjunktur im Notfall anschieben wolle – mit Krediten, natürlich. Doch was früher noch in Euphorie mündete, wird heute am Parkett zunehmend kritisch gesehen. Langsam scheint sich selbst unter den Profis die Ansicht durchzusetzen, dass sich jeder Euro und Dollar nur einmal ausgeben lässt. Entsprechend hilflos wirken solche Aktionen der politisch Verantwortlichen auf den Anleger. Die wahre Dimension des Schuldenproblems lässt sich dabei nur erahnen. Unausgesprochen bleibt das Gefühl, dass nach dem Problem mit Griechenland noch etwas Neues, weit Größeres auf die Märkte zukommen könnte.


Eckdaten zum 6. Oktober 2011 (alle Angaben ohne Gewähr)
DAX (6. 10., 11.20 h)
5580 Punkte
Dow Jones (5. 10., Schluss)
10.939 Punkte
Gold (Feinunze)
1613,40 Dollar
Tagesgeld 5000 € (Durchschnitt)
1,83%
Festgeld 3 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,31%
2,70% (NBC-Direkt)
Festgeld 12 Monate (Durchschnitt)
Bester überregionaler Anbieter mit Einlagensicherung*
1,85%
3,00% (IKB direkt,
Bank of Scotland)

*Quelle: www.fmh.de

Der jüngste Aktionismus seitens der EU als Antwort auf die Schuldenkrise trifft nicht bei allen Experten auf Gegenliebe. Während man bei der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) den Eindruck gewinnt, die Politik bekomme das Schuldenproblem langsam in den Griff, befürchten die Experten der Deutsche Bank, dass sich die EU eher weiter durch die Schuldenkrise "durchwursteln" werde – mit entsprechenden Konsequenzen für die Realwirtschaft. Immerhin sehen aktuell 26 von Reuters befragte Strategen den DAX Ende 2011 im Schnitt bei 6000 Punkten. Vereinzelt gehen allerdings auch Schätzungen um 5000 Punkte herum um. Vergegenwärtigt man sich indes, dass dieselben Experten noch vor drei Monaten den DAX zum Jahresende im Durchschnitt auf 7595 Punkte taxiert hatten (manche sogar auf über 8100 Zähler), fühlt man sich unwillkürlich an den Ausspruch von Oscar Wilde erinnert: "Gib Ratschläge immer weiter. Es ist das Einzige, was man damit anfangen kann."

Das gilt leider auch für die Gilde der Charttechniker. Nachdem der DAX zweimal die Linie bei knapp unter 5000 Punkten erfolgreich verteidigt hatte, würdigte dies kein Geringerer als der Vorsitzende der Vereinigung Technischer Analysten Deutschlands (VTAD) Gregor Bauer als "extrem positives Signal". Auch zahlreiche institutionelle Anleger bliesen zum Angriff. Doch so einfach geht’s denn doch nicht. Diese Krise werden weder die Charttechniker mit dem Lineal bekämpfen können noch die Fundamentalisten mit ihrem Irrglauben, das ganze Schuldendebakel ließe sich auf das Thema Griechenland reduzieren. Nach Griechenland könnten sich die Akteure auf Italien und die USA einschießen. Die am 11. Oktober beginnende Berichterstattung zum dritten Quartal dürfte zeigen, dass eben nicht nur von einem einzelnen verhagelten Quartal die Rede ist, sondern auch der Ausblick düster ausfallen wird. Rücknahmen bei den zukünftigen Gewinnerwartungen dürften indes noch nicht eingepreist sein. Als Anleger lässt man besser Vorsicht walten und zieht einen weiteren Rückschlag in Richtung 4600 DAX-Punkte ins Kalkül.

Der EU-Rettungsschirm mit "Hebelwirkung"

Die ultimative Lösung der EU-Schuldenkrise scheint gefunden, die Quadratur des Kreises gelungen: Der EU-Rettungsschirm soll mit einem "Hebel" ausgestaltet werden. Angesichts der Haushaltsprobleme in Italien und Spanien bestehen Zweifel, ob der mit 500 Mrd. Euro ausgestattete Hilfsfonds ausreichen wird. Deshalb soll er eine Banklizenz und damit Zugang zur Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten, um sich von der EZB Geld für die Unterstützung von Pleitestaaten leihen zu können. Der Fonds hinterlegt dabei Staatsanleihen als Sicherheit und erhält dafür ein Vielfaches ihres Wertes von der Notenbank als Liquidität. Die Refinanzierung des EU-Rettungsschirms durch die EZB wird von der Politik als "Hebelwirkung" mit "mehr Feuerkraft" angepriesen. In letzter Konsequenz dürfte dies auf eine noch höhere Verschuldung hinauslaufen und wird sowohl von der EZB als auch von Bundesbankpräsident Jens Weidmann vehement abgelehnt.



AZ 2011, Nr. 41, S. 4

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.