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Union bleibt bei Rabattverträgen kritisch

BERLIN (ks). Die Gesundheitsexperten von CDU und CSU haben die Vorschläge der CDU-Politiker Jens Spahn und Michael Hennrich für eine Reform der Arzneimittelpreisfindung miteinander abgestimmt und überarbeitet. In einem gemeinsamen Papier äußern sie weiterhin Bedenken gegen die Folgewirkungen von Rabattverträgen. Zugleich werden die Verträge als wichtiges Wettbewerbselement gewürdigt, das aber überarbeitet werden müsse.
Jens Spahn hatte dafür plädiert, Rabattverträge künftig vornehmlich im Rahmen besonderer Versorgungs­formen zum Einsatz kommen zu ­lassen .
Foto: Büro Jens Spahn

Bereits vor gut drei Wochen hatten Spahn und Hennrich ihre Vorschläge unterbreitet (siehe AZ 2010, Nr. 11,
S. 1)
. Nun haben sich die CDU-Politiker mit den Kollegen der CSU abgestimmt: Das jetzt vorliegende Papier ist auch vom stellvertretenden Unionsfraktionschef Johannes Singhammer und dem Vorsitzenden des CSU-Arbeitskreises Arbeit, Soziales und Gesundheit Max Straubinger unterzeichnet und von der Fraktionsspitze abgesegnet.

Kein generelles Substitutionsgebot bei Rabattarzneien

Die ursprüngliche kritische Vorrede zum Instrument der Rabattverträge im generischen Bereich bleibt im neuen Konzept erhalten. Hingewiesen wird insbesondere auf die negativen Auswirkungen auf die Patientencompliance und die Gefahr einer Oligopolbildung in der Generikabranche. Allerdings wurden die ursprünglichen Vorschläge entschärft. Es heißt nun, es sei "notwendig, die Regelungen zu Rabattverträgen mit dem Ziel einer besseren Transparenz und Wettbewerbsgerechtigkeit zu überarbeiten". Spahn und Hennrich hatten zunächst dafür plädiert, Rabattverträge künftig vornehmlich im Rahmen besonderer Versorgungsformen wie der Integrierten Versorgung zum Einsatz kommen zu lassen – diese Passage findet sich im neuen Papier nicht mehr. Zudem sollte – um das Festbetragssystem zu stärken – das generelle Substitutionsgebot bei Rabattverträgen entfallen. Nunmehr heißt es, die Austauschpflicht der Apotheker solle entfallen, "soweit es sich um Arzneimittel handelt, die einer Festbetragsregelung unterliegen". Sparen will die Union dennoch – zusätzliche Rabatte sollen ersatzweise dafür sorgen, dass das durch die bestehenden Rabattverträge ausgeschöpfte Einsparvolumen der Versichertengemeinschaft erhalten bleibt: Per Gesetz soll dazu der Rabatt für Generika um mindestens zehn Prozent erhöht werden (von 10% auf 20% bei Generika in einer Festbetragsregelung und von 16% auf 26% bei Generika ohne Festbetragsregelung), damit einhergehen soll ein dreijähriges Preismoratorium.

Michael Hennrich hat gemeinsam mit Jens Spahn Vorschläge für eine Reform der Arzneimittel-preisfindung vorgelegt, die nun in über­arbeiteter und abgestimmter Form vorliegen.

Patentgeschützter Markt

Was strukturelle Neuregelungen im Markt der patentgeschützten Arzneimittel betrifft, geht das Unionspapier ebenfalls über die bisherigen BMG-Vorschläge hinaus. Hier unterscheiden CDU und CSU zwischen bereits zugelassenen und neu zugelassenen Präparaten. Für Erstere schlagen sie vor, die Bildung von Festbetragsgruppen insbesondere für Analogpräparate zu vereinfachen. Zudem solle die Nutzenbewertung für diese Arzneimittel als Grundlage von Therapiehinweisen und -ausschlüssen gestärkt werden. Weiterhin sollen die Kassen nach einer erfolgten Kosten-Nutzen-Bewertung Erstattungshöchstbeträge festsetzen können. Bei neu zugelassenen Arzneimitteln soll mittels einer kurzfristigen Einordnung im Schnellverfahren auf Basis der klinischen und gegebenenfalls weiterer Studien zwischen Arzneimitteln mit therapeutischem Zusatznutzen und solchen ohne therapeutischen Zusatznutzen unterschieden werden. Diese Schnellverfahren sollen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zulassung erfolgen. Wird kein Zusatznutzen festgestellt, können die Präparate umgehend einer Festbetragsregelung zugeführt werden. Der G-BA kann alternativ dazu einen Höchstbetrag festlegen, bis zu dem eine Erstattung seitens der GKV erfolgt, oder er kann eine Erstattungsfähigkeit ausschließen. Wird dagegen schon im Schnellverfahren ein Zusatznutzen festgestellt, schlägt die Union eine konditionierte Erstattungsfähigkeit vor.

In diesem Fall sollen Arzneimittelhersteller und Krankenkassen ab dem 1. Januar 2011 drei Handlungsoptionen erhalten: Zum einen sollen zentrale Preisverhandlungen zwischen Arzneimittelherstellern und dem GKV-Spitzenverband möglich sein. Im BMG setzt man dagegen bislang auf Verhandlungen zwischen "jeder Krankenkasse mit dem pharmazeutischen Unternehmer". Auf einvernehmlicher Basis soll dann – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Verordnungsmenge – der Arzneimittelpreis und Rabatt festgesetzt werden. Zum anderen kann der Hersteller aber auch auf ein gutes Abschneiden bei der Kosten-Nutzen-Bewertung vertrauen. Bestätigt sich diese Annahme, soll er den Preis im Rahmen des Ergebnisses der Kosten-Nutzen-Bewertung festlegen können. Fällt die Bewertung allerdings zu seinem Nachteil aus, wird es für den Hersteller kritisch. Die Krankenkassen sollen dann nach dem Unionsvorschlag einen Höchstbetrag festlegen, bis zu dem sie den Arzneimittelpreis erstatten. Alternativ seien auch Vertragsverhandlungen über einen neu festzusetzenden Preis bzw. Rabatt mit dem Hersteller möglich. Jedenfalls soll der Hersteller verpflichtet werden, für die Zeit ab Beginn der Kosten-Nutzen-Bewertung den Kassen rückwirkend die Differenz zum überhöhten Preis zu erstatten oder bei dem neuen Preis mindernd zu berücksichtigen.

Die dauerhafte Erstattungsfähigkeit neu zugelassener Arzneimittel soll nach Vorstellung der Union davon abhängig sein, ob Arzneimittelhersteller innerhalb eines Quartals nach Zulassung Vertragsverhandlungen beginnen oder sich an einer Kosten-Nutzen-Bewertung beteiligen und es innerhalb von einem Jahr zu einem vereinbarten Preis kommt. Handelt der Arzneimittelhersteller nicht innerhalb dieser Frist, so soll der G-BA über die weitere Erstattungsfähigkeit und den erstattungsfähigen Preis für das Arzneimittel entscheiden.

Stärkung der Festbeträge Apotheker sollen nach dem Unions-Konzept keine Austauschpflicht mehr haben, soweit es sich um Arzneimittel handelt, die einer Festbetragsregelung unterliegen.

Foto: Sket

Kurzfristige Maßnahmen

Als kurzfristig wirksame Einsparbeiträge nennt das Papier ein bis zum 31. Dezember 2013 befristetes Preismoratorium für Arzneimittel (Preisbezugspunkt
1. Januar 2010 oder eher früher). Zudem wird vorgeschlagen, mittels eines internationalen Preismonitorings die Preise aller patentgeschützten Arzneimittel auf dem deutschen Markt mit denen auf bedeutenden Referenzmärkten zu vergleichen. Soweit sie in Deutschland mehr als 20 Prozent nach oben abweichen, sollen sie angepasst werden. Da die vorgeschlagenen Maßnahmen zur strukturellen Neuordnung des Arzneimittelbereichs frühestens in zwei bis drei Jahren ihre tatsächliche Wirkung voll entfalten könnten, soll ab 2011 überdies der Herstellerrabatt auf Originalpräparate bzw. patentgeschützte Arzneimittel um zehn Prozentpunkte (von 6% auf 16%) erhöht werden. Dies entspreche einem jährlichen Einsparvolumen von 1,1 Mrd. Euro. Einsparungen aufseiten des pharmazeutischen Großhandels, wie sie das Bundesgesundheitsministerium ins Spiel gebracht hat, sieht das Papier nicht vor.

Rösler will vor Ostern Eckpunkte vorstellen

Singhammer zufolge will die Union diese Woche zusammen mit der FDP über das Konzept beraten. "Unser Ziel ist es, so rasch wie möglich zu Eckpunkten zu kommen", so der Unions-Fraktionsvize. Auch Spahn zeigte sich zuversichtlich. "Unsere Vorschläge sind eine gute Basis für die Gespräche mit dem Koalitionspartner." Zwar gebe es an einigen Stellen unterschiedliche Ansätze. Dies werde sich jedoch ausräumen lassen. Das Bundesgesundheitsministerium kündigte indessen an, Minister Philipp Rösler werde noch vor Ostern seine Eckpunkte für Reformen im Arzneimittelsektor vorstellen. Es wird sich zeigen, ob er dabei die Vorschläge des Koalitionspartners berücksichtigen wird.

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