Gesundheitspolitik

Wankendes Bekenntnis zum Pick-up-Verbot?

Das Bundeskabinett hat letzte Woche Röslers Reform-Eckpunkte beschlossen

Berlin (ks). Das Bundeskabinett hat am 28. April die von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) vorgelegten Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Arzneimittelversorgung beschlossen. Das Eckpunktepapier wurde nahezu wortgleich übernommen. Nur an einer Stelle wurde sanft umformuliert – und zwar beim beabsichtigten Pick-up-Verbot.

In den nun vom Kabinett beschlossenen Eckpunkten heißt es jetzt: "Für die flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln durch Apotheken soll der Missbrauch des Versandhandels durch sogenannte Pick-up-Stellen unterbunden werden." Zuvor stand anstelle der weicheren "Soll"-Formulierung noch, der Missbrauch "wird" unterbunden. Hintergrund dieser Abschwächung ist möglicherweise ein noch ausstehendes Gutachten des Bundesjustizministeriums zur Zulässigkeit von Pick-up-Stellen, dessen Ergebnis zunächst abgewartet werden soll.

Spahn: Notfalls ist das Verfassungsgericht gefragt

Auch Dr. Ulrich Orlowski, Leiter der Grundsatzabteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung im Bundesgesundheitsministerium, bekräftigte einen Tag nach dem Kabinettsbeschluss beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes, dass das Pick-up-Verbot "verfassungsrechtlich noch zu klären" sei. Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, gab sich jedoch zuversichtlich und betonte, dass man das Verbot weiterhin durchsetzen wolle: "Eher lasse ich mir vom Verfassungsgericht sagen, das geht nicht, als es gar nicht zu probieren", so der CDU-Politiker auf dem Wirtschaftsforum.

Rösler: Ende des Preisdiktats

Minister Rösler erklärte nach der Kabinettssitzung mit dem Maßnahmenbündel werde die medizinische Versorgung der Menschen und die Innovationsfähigkeit in Deutschland gesichert. Das Paket sei "ein Dreiklang von kurzfristig wirksamen Maßnahmen, Deregulierung und strukturellen, langfristig wirksamen Veränderungen". Er betonte, dass der Zugang zu neuen, innovativen Medikamenten erhalten bleibe, die Preise für Arzneimittel aber "nicht mehr von den Herstellern diktiert" würden. "Wir sind es den Versicherten schuldig, dass Beitragsmittel effektiver eingesetzt werden. Wer Innovationen will, muss dafür sorgen, dass diese auch bezahlbar sind", sagte Rösler.

Erhöhter Kassenrabatt und Preisstopp

Kurzfristig wird der Herstellerabschlag für alle Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterliegen, zeitlich befristet bis zum 31. Dezember 2013 von sechs auf 16 Prozent erhöht. Für die Geltungsdauer des erhöhten Abschlags gilt ein Preisstopp. Preiserhöhungen werden durch einen Zusatzrabatt in gleicher Höhe für die GKV neutralisiert. Preisbasis ist der 1. August 2009. Diese kurzfristig wirksamen Maßnahmen sollen den Raum für strukturelle Änderungen schaffen.

Strukturelle Änderungen

Zu diesen strukturellen Änderungen zählt, dass Pharmaunternehmen künftig den Nutzen für alle neuen Arzneimittel nachweisen müssen. Arzneimittel, die keinen Zusatznutzen aufweisen, werden in eine bestehende Festbetragsgruppe eingruppiert. Wird ein Zusatznutzen im Vergleich zu bereits im Markt befindlichen Arzneimitteln nachgewiesen, soll der GKV-Spitzenverband mit dem jeweiligen Hersteller einen Rabatt auf den Abgabepreis vereinbaren. Geschieht dies nicht binnen eines Jahres nach Marktzugang, entscheidet eine neutrale Schiedsstelle innerhalb von drei Monaten über den Rabatt.

Darüber hinaus versprechen die Eckpunkte eine Deregulierung der bestehenden Steuerungsinstrumente. Unter anderem sollen Rabattverträge für Generika "wettbewerblicher und patientenfreundlicher" gestaltet werden. So sollen Patienten z. B. die Möglichkeit erhalten, im Rahmen einer Mehrkostenregelungen auch nicht rabattierte Arzneimittel auszuwählen. Darüber hinaus werden verschiedene Einzelinstrumente auf den Prüfstand gestellt.

Mehrkostenregelung ist ein Problem

Was den Generikamarkt betrifft, so will die Koalition die Rabattverträge "patientenfreundlicher" und "wettbewerblicher" gestalten. Das Wettbewerbs- und Kartellrecht soll zur Anwendung kommen, nicht zuletzt um eine Oligopolisierung in der Generikaindustrie zu vermeiden. Compliance-Problemen soll mit einer neuen Mehrkostenregelung begegnet werden. Wer nicht auf ein Rabattarzneimittel umsteigen will, kann auf diese Form der Kostenerstattung ausweichen. Wie diese Regelung genau ausgestaltet wird, ist laut Orlowski durchaus noch ein Problem. Da die Rabatte ein gut gehütetes Geheimnis der Kassen und Hersteller sind, ist ein pauschalierter Ansatz angedacht.

Weiteres Procedere

Die kurzfristigen Maßnahmen, also die Erhöhung des Herstellerabschlags und die Festsetzung des Preismoratoriums, sollen im Rahmen des "Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften" umgesetzt werden. Die Anhörung zu diesem Gesetzentwurf vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestags ist für den 19. Mai vorgesehen, die abschließenden Ausschussberatungen für den 16. Juni. Voraussichtlich am 9. Juli könnte sodann der Bundesrat das nicht zustimmungspflichtige Gesetz absegnen. Die im Eckpunktepapier ebenfalls unter "kurzfristige wirksame Entlastungen" aufgeführte Änderung der Großhandelsvergütung sowie die Überprüfung der erst im letzten Sommer geänderten Regelungen zur Zytostatikaversorgung werden zusammen mit den übrigen strukturellen Maßnahmen in einem separaten Gesetzgebungsverfahren angegangen. Hierfür ist ein Gesetzentwurf vor der Sommerpause angestrebt. Inkrafttreten sollen die weiteren Neuregelungen im Pharmamarkt zum 1. Januar 2011.

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