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Röslers Sparkonzept löst geteiltes Echo aus

BERLIN (lk). Es gehört zum politischen Ritual für eine Oppositionspartei, dass die SPD das Sparkonzept von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) reflexartig als "reine Mogelpackung" ablehnt. Aber auch in der pharmazeutischen Industrie stoßen Röslers Pläne auf ein kritisches Echo. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) kritisiert massive staatliche Eingriffe in die Preisgestaltungsfreiheit und sieht damit ein wirtschaftliches Grundrecht bedroht. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) sieht hingegen positive Ansätze.
Schwere Position Bundesgesundheitsminister Rösler musste sich massive Kritik anlässlich der Vorstellung der Eckpunkte zur Arzneimittelversorgung anhören. Beeindrucken lassen will er sich davon aber nicht.
Foto: DAZ/Sket

In Röslers Sparkonzept sei eine "klare Linie" erkennbar, kommentierte ABDA-Sprecher Thomas Bellartz gegenüber der DAZ. Die Apotheker begrüßten die klare Fokussierung auf Preisverhandlungen mit den Originalherstellern. Damit werde deutlich, dass die Ursachen für die Ausgabensteigerungen bei Arzneimitteln nicht bei den Apotheken zu suchen seien. Allerdings lasse das Eckpunktepapier noch wesentliche Fragen offen. Unklar bleibe unter anderem, wie das angestrebte Pick-up-Verbot umgesetzt werden könne.

SPD: Mogelpackung

Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles ist Röslers Politik nichts anderes als eine reine Mogelpackung für die Versicherten. "Die Proteste der Pharma-Lobbyisten sind nichts weiter als Krokodilstränen." Die Unternehmen dürften ihre Medikamente weiterhin "zu astronomischen Preisen in den Markt bringen". Die Maßnahmen zur Preissenkung würden von den Unternehmen vorab eingepreist, "weil Rösler Preissenkungen erst ansetzen will, wenn die Medikamente bereits im Markt sind", sagte Nahles. Die SPD hatte stattdessen gefordert, vor der Zulassung neuer Arzneimittel eine Kosten-Nutzen-Bewertung durchzuführen.

Grüne: Mittelfristig Ausgabensteigerungen

Als "halbherzig und widersprüchlich" bewertet die Gesundheitspolitikerin der Grünen, Biggi Bender, das Sparpaket. Es werde mittelfristig – nach dem Auslaufen des vorgesehenen Preisstopps – zu Ausgabensteigerungen führen. Für die Arzneimittelhersteller entstünden massive Anreize, die Ausgangspreise auf Rekordniveau anzusetzen. Dass es den Krankenkassen später gelinge, einen angemessenen Preis zu vereinbaren und die zusätzlichen Ausgaben des ersten Jahres wieder auszugleichen, sei kaum zu glauben.

Linke: Zu kurzer Griff

"Kurzfristig bringt das von Gesundheitsminister Philipp Rösler propagierte Preismoratorium den Kassen zwar Einsparungen, insgesamt greift es aber viel zu kurz", erklärte Kathrin Vogler (Die Linke), stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses. Vogler weiter: "Licht und Schatten liegen bei Röslers Plänen nah beieinander. Die Preise für neue Arzneimittel vom Zusatznutzen abhängig zu machen, ist eine gute Idee. Ein ganzes Jahr Freiflug für die Industrie ist jedoch zu viel; die Mondpreise müssen auch bei innovativen Medikamenten schon im ersten Jahr geerdet werden."

Anschlag auf die freie Wirtschaft

Vertreter der deutschen Wirtschaft verurteilen Röslers Pläne als zwangswirtschaftliche Maßnahmen und einen Anschlag auf die freie Marktwirtschaft: BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf kritisierte "massive staatliche Eingriffe in die Preisgestaltungsfreiheit von Unternehmen". Er forderte stattdessen stabile Rahmenbedingungen, damit die Gesundheitswirtschaft zu einem Wachstumssektor im Wettbewerb werde. Das zu erwartende Wachstum der Branche von etwa 3,3 Prozent jährlich liege deutlich über dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum, sagte Schnappauf. "Diese Branche bietet enorme Chancen für Wertschöpfung und Jobs."

BPI: Gute Ideen, aber zu wenig Mut

Licht und Schatten erkennt der Spitzenverband der pharmazeutischen Industrie BPI. Die Eckpunkte der Bundesregierung zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes kombinierten dirigistische Eingriffe und gute Ideen mit falschen Maßnahmen sowie richtige Verbesserungen mit zu wenig Mut. "Preismoratorium und erhöhter Herstellerabschlag sind angesichts der stabilen Entwicklung im Arzneimittelmarkt untaugliche Mittel und gehen allein zulasten der Arzneimittelhersteller, die nur zu rund 60 Prozent zu den Arzneimittelausgaben beitragen", erklärte Dr. Bernd Wegener, der Vorsitzende des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie. "Der Vorschlag für den patentgeschützten Bereich baut auf Nutzenbewertungen auf. Dabei fehlt uns bis heute die Definition, was wir eigentlich unter Nutzen verstehen wollen und das IQWiG hat es seit Jahren nicht geschafft, eine funktionierende und international anerkannte Bewertung einzuführen."

Wie vor diesem Hintergrund schnelle, verlässliche Nutzenbewertungen möglich werden sollten, bleibe schleierhaft. Denn sie könnten als reine Sparmaßnahme missbraucht werden, so Wegener. Zufriedener zeigt sich der BPI mit den Vorschlägen für den Generikamarkt. "Das Ziel der Erhaltung nachhaltigen Wettbewerbs, die überfällige Anwendung des Wettbewerbsrechtes auf Rabattverträge und mehr Wahlrechte für die Patienten weisen in die richtige Richtung. Aber zur notwendigen Abschaffung der Rabattverträge fehlt der Mut", kritisiert Wegener. Denn die von der Union ins Gespräch gebrachte Abschaffung der Rabattverträge fände sich nicht wieder. Die Auswirkungen der Zuzahlungsbefreiung sollten bei der Festbetragsfestsetzung berücksichtigt und das Wettbewerbsrecht auf Rabattverträge vollständig angewandt werden. "Die Gängelung der Versicherten durch Rabattverträge soll durch die Möglichkeit der Aufzahlung entschärft werden. Dies schafft Wahlrechte für die Patienten, ist aber nur die zweitbeste Lösung: Wir fordern die Abschaffung der Rabattverträge", so Wegener.

Die für den patentgeschützten Bereich vorgeschlagene Systematik mit einer Schnellbewertung und einer Einordnung von Präparaten, für die in diesem Verfahren kein Zusatznutzen festgestellt wird, sei fehleranfällig und bürokratisch. "Der BPI hat ein Modell auf Grundlage von Marktmechanismen vorgeschlagen", so Wegener, "Elemente finden sich wieder – aber nur in Teilbereichen und eingebettet in einen massiven Ausbau von Regulierung."

Ablehnung beim VFA

Deutlich kritischer äußerte sich der Verband forschender Pharma-Unternehmen (vfa). "Mit der Umsetzung des Koalitionsvertrages haben diese Eckpunkte – anders als es die Überschrift vermuten lässt – nichts zu tun", sagte Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des vfa. Die Eckpunkte enthielten Zwangsmaßnahmen und seien an bürokratischer Komplexizität kaum zu überbieten.

Auf Ablehnung stößt beim vfa, dass Rösler die Vertragsverhandlungen in die Hand eines Kassenmonopols legen will. Außerdem würden Zwangsrabatte in Höhe von 16 Prozent das Vertragsgeschehen endgültig blockieren. "Zwangsrabatte sind Gift für den Investitionsstandort Deutschland. Von verlässlichen Rahmenbedingungen für Innovationen und Arbeitsplatzsicherung kann angesichts eines solchen Willkür-Instruments nicht mehr die Rede sein", kritisierte Yzer.

Protest von Arzneimittelimporteuren

Scharfe Proteste kamen auch vom den Arzneimittelimporteuren. Falle die Importquote, sei mit weiter steigenden Preisen zu rechnen. In Ländern mit Preisverhandlungen, aber ohne das Korrektiv des Arzneimittelimports, wie den USA und der Schweiz, lägen die Preise für patentgeschützte Arzneimittel deutlich über dem deutschen Niveau", erklärte der Verband der Arzneimittelimporteure Deutschlands. Der Importhandel mit EU-Arzneimitteln habe dagegen in den letzen 30 Jahren das Preisniveau in Deutschland um über 25 Prozent gesenkt und hindere die forschenden Pharmakonzerne durch vorgezogenen Wettbewerb daran, die Preise in Deutschland nach Belieben festzusetzen. Dadurch würden zurzeit jährlich ca. 3 Mrd. Euro eingespart. Importarzneimittel haben heute in Deutschland einen Marktanteil von 25 Prozent am patentgeschützten Markt.

Durch den für drei Jahre geltenden Herstellerzwangsrabatt von 16%, der sich durch die Preisunterschiede in Europa nicht refinanzieren lässt, solle dieses den Herstellern unliebsame Wettbewerbsinstrument nun beseitigt werden. "Dadurch werden die Kassen nicht nur kurzfristig zusätzlich belastet, sondern auch ca. 4000 direkte und eine gleiche Anzahl indirekter Arbeitsplätze in strukturschwachen Regionen vernichtet", so Edwin Kohl, Vorsitzender des Verbands der Arzneimittel-Importeure Deutschlands e. V. (VAD).

Zufriedenheit beim GKV-Spitzenverband

Zufrieden mit Röslers Sparplänen ist hingegen der GKV-Spitzenverband. "Es ist gut, dass die Bundesregierung die zu hohen Arzneimittelkosten entschlossen angeht. Preisverhandlungen in Verbindung mit einer vernünftigen Nutzenbewertung sind der Schlüssel, um bei neuen Medikamenten überhöhte Preise zu verhindern. In Verbindung mit den angekündigten kurzfristigen Maßnahmen und dem Erhalt der Rabattverträge, die die einzelnen Kassen abschließen können, ist ein insgesamt gutes Paket geschnürt worden", so Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler zeigte sich unbeeindruckt von der massiven Kritik: "Die Menschen sollten sich durch solche Drohungen nicht beeindrucken lassen." Der Bundesgesundheitsminister steht vor einem schwierigen Gesetzgebungsprozess, bei dem auch die Bundesländer noch ein gewichtiges Wort über den Bundesrat mitsprechen.

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