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Ergebnisse der Konsensgespräche von Koalition und Opposition: Apotheken weiterh

STUTTGART (whi). Obgleich zwischenzeitlich ein Scheitern der Konsensgespräche zur Gesundheitsreform zwischen allen im Bundestag vertretenen Parteien und den Bundesländern möglich schien, haben sich die Beteiligten am frühen Montag Morgen auf ein Konsenspapier geeinigt. Wer gehofft hatte, dass durch die Beteiligung von CDU/CSU und FDP die grundlegenden Veränderungen im Apothekenwesen, wie sie der Entwurf des Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) vorsieht, zumindest teilweise beseitigt werden, ist um eine Illusion ärmer: Die Maßnahmen, die die Apotheken unmittelbar betreffen, sind gegenüber dem GMG-Entwurf weitgehend unverändert.

An den Gesprächen waren Vertreter aller Bundestagsfraktionen sowie von jeweils drei SPD- und drei unionsgeführten Bundesländern beteiligt. Zwar liegt bislang nur das 20-seitige Eckpunkte-Papier vor, doch gehen alle Beteiligten davon aus, dass es hieran allenfalls Änderungen im Detail geben wird. Teilweise kommt es auch noch auf die im Papier noch fehlende konkrete Ausgestaltung der einzelnen Eckpunkte an.

Einleitend heißt es in dem Kapitel zu den Maßnahmen zur Neuordnung der Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Patienten erhielten eine hochwertige Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln auf der Grundlage eines vielfältigen Angebots. Die pharmazeutische Industrie stelle einen wichtigen wirtschaftlichen Wachstumsfaktor in Deutschland dar.

Allerdings seien die Ausgaben für Arzneimittel in den letzten fünf Jahren überproportional angestiegen. Allein bei den Arzneimitteln, die keinen Festbeträgen unterliegen, seien die Ausgaben von 1997 bis 2002 von ca. 8 Mrd. Euro auf 15 Mrd. Euro gestiegen, während die Ausgaben für Festbetragsarzneimittel bei rund 9 Mrd. Euro konstant blieben.

Dies könne, so heißt es in dem Eckpunkte-Papier weiter, nicht allein medizinisch begründet werden. Deshalb seien steuernde Maßnahmen erforderlich, ohne die Arzneimittelversorgung grundsätzlich einzuschränken.

Nach der vorläufigen Fassung des Papiers vom 21. Juli, das der DAZ-Redaktion vorliegt, sind folgende Änderungen im Arzneimittelbereich und Apothekenwesen vorgesehen:

Arzneimittelpreisverordnung

Die Apotheken erhalten künftig pro abgegebenes Arzneimittel einen Aufschlag von 3 % auf den Apothekeneinkaufspreis und ein Abgabehonorar von 8,10 Euro, müssen aber den Krankenkassen je Packung einen Rabatt von 2,00 Euro gewähren. Das Eckpunkte-Papier beschränkt diese Regelung nicht ausdrücklich auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, die abweichenden Regelungen für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel lassen aber den Schluss zu, das diese Regelung nur für rezeptpflichtige Arzneimittel gelten soll.

Dem GMG-Entwurf zufolge sollte der Großhandelsrabatt an die Krankenkassen aufgehoben werden. Im Eckpunkte-Papier heißt es nunmehr, dass der Großhandelsabschlag so gestaltet werden soll, dass die Apotheken nicht übermäßig belastet werden. Im vorläufigen Eckpunkte-Papier finden sich keine Hinweise, ob die Großhandelsaufschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung verändert werden sollen oder nicht.

Für nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel, die zu Lasten der Krankenkassen abgegeben werden, gilt die bisherige Arzneimittelpreisverordnung fort. Für nicht zu Lasten der Krankenkassen abgegebene nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel wird die Preisbindung aufgehoben.

Versandhandel

Das vorläufige Eckpunkte-Papier sieht vor, dass für den Versand von Arzneimitteln durch Apotheken an Endverbraucher gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die ein Höchstmaß an Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit gewährleisten.

Es sollen faire Bedingungen für den Wettbewerb von Versandapotheken mit öffentlichen Apotheken geschaffen werden. Versandapotheken sollen wie öffentliche Apotheken in die integrierte Versorgung einbezogen werden. Die Krankenkassen sollen dann im Rahmen von Ausschreibungen die Höhe der Krankenkassenrabatte abweichend von der Arzneimittelpreisverordnung vereinbaren können.

Apothekenketten

Künftig soll eine Apotheke bis zu drei "Nebenstellen" haben dürfen; das Fremdbesitzverbot soll unberührt bleiben. Das Eckpunkte-Papier lässt offen, was unter "Nebenstellen" zu verstehen ist. Hierbei kann es sich sowohl um Abgabestellen handeln, die in ihren Anforderungen den Zweigapotheken nahe kommen und somit weitgehend unselbstständig sind, als auch um weitgehend eigenständige Apotheken, wie der GMG-Entwurf dies vorsieht.

Beteiligung von Apotheken bei besonderen Versorgungsformen (Einzelverträge)

An den vertraglich vereinbarten Versorgungsformen kann die Krankenkasse oder die Einrichtung Apotheken durch Vertrag beteiligen. Die Angebote sind auszuschreiben. Entsprechende Versorgungsformen sind nach derzeitigem Verständnis u. a. Disease Management-Programme (DMPs), die integrierte Versorgung und Hausarztmodelle. Vor allem die Versorgung chronisch Kranker dürfte hiervon betroffen sein.

Beobachter verweisen darauf, dass von den Versorgungsformen eine beträchtliche Patientensteuerung in die vertraglich gebundenen Apotheken ausgehen kann. Insbesondere die von Landespolitikern immer wieder betonte Sicherstellung der Apothekenversorgung vor Ort sei damit in ländlichen Regionen nicht mehr gewährleistet. Insbesondere bleibt in dem Eckpunkte-Papier offen, ob entsprechend dem GMG-Entwurf das Zuweisungsverbot aufgehoben werden soll.

Ambulante Versorgung durch Krankenhausapotheken

Wie der GMG-Entwurf sieht auch das vorläufige Eckpunkte-Papier vor, dass die Krankenhausapotheken die Handelsaufschläge mit den Krankenkassen vereinbaren, so weit sie Arzneimittel für die ambulante Versorgung abgeben dürfen. Das vorläufige Eckpunkte-Papier enthält keine konkreten Angaben über die weitere Öffnung der Krankenhausapotheken. Beobachter gehen aber davon aus, dass die Krankenhausapotheken analog zum GMG-Entwurf in dem Maße in die ambulante Versorgung einbezogen werden können.

Importarzneimittel

Apotheken sollen künftig nur noch zur Abgabe eines importierten Arzneimittels verpflichtet sein, wenn der Preisabstand zwischen Original und importiertem Arzneimittel mindestens 15 % beträgt. Das Eckpunkte-Papier sieht keine Aufhebung der derzeit im Rahmenvertrag durch Schiedsspruch festgelegten Quotenregelung vor. Es bleibt abzuwarten, ob die Importeure unter Berücksichtigung des für 2004 auf 16 % erhöhten Herstellerrabatts bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die entsprechenden Mengen der Quotenregelung noch bereitstellen können.

Rezeptfreie Arzneimittel

Im Regelfall sind nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel künftig nicht mehr erstattungsfähig. Hiervon ausgenommen sind Kinder bis zum 12. Lebensjahr und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen. Ferner erarbeitet der Bundesausschuss für 10 bis 12 Indikationen einen Ausnahmekatalog, wann auch die Kosten nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel von den Krankenkassen übernommen werden. Als Beispiele nennt das Papier Acetylsalicylsäure nach Schlaganfall und Mistelpräparate zur Krebsbehandlung.

Lifestyle-Produkte

Arzneimittel, die überwiegend der Verbesserung der privaten Lebensführung dienen, werden von der Erstattungspflicht durch die Krankenkassen ausgeschlossen. Als Beispiel nennt das Papier Arzneimittel zur Behandlung der erektilen Dysfunktion.

Festbetragsregelung

Die Anwendung der Festbetragsregelung auf patentgeschützte Arzneimittel wird deutlich ausgeweitet. Patentgeschützte Arzneimittel, die eine erkennbare therapeutische Verbesserung bewirken oder geringere Nebenwirkungen verursachen, sollen auch künftig festbetragsfrei bleiben.

Patentgeschützte Arzneimittel ohne oder mit vergleichsweise geringfügigem zusätzlichem Nutzen werden wieder in die Festbetragsregelung einbezogen. Es können auch Festbetragsgruppen gebildet werden, wenn diese mindestens drei patentgeschützte Arzneimittel, die der Festbetragsregelung unterliegen, enthalten.

Der Herstellerrabatt nach § 130a SGB V wird für verschreibungspflichtige Nichtfestbetrags-Arzneimittel im Jahr 2004 bis zum Wirksamwerden der neuen Festbeträge pauschal von derzeit 6 % auf 16 % erhöht. Diese Regelung wird, so Beobachter, auch all die Arzneimittel betreffen, die auf absehbare Zeit nicht in die Festbetragsregelung einbezogen werden können.

Aut-idem-Regelung

Die Aut-idem-Regelung soll vereinfacht und entbürokratisiert werden. Um dies zu erreichen, entfällt die Ermittlung der Obergrenzen des unteren Preisdrittels. Im Gegenzug werden künftig die Festbeträge für wirkstoffgleiche Arzneimittel auf die Obergrenze des unteren Preisdrittels festgesetzt.

Nach der bisherigen Regelung können die Apotheken nur dann ein anderes als das verordnete Arzneimittel abgeben, wenn der Preis des verordneten Mittels nicht im unteren Preisdrittel liegt. Wenn die Festbeträge entsprechend abgesenkt werden, dürften jedoch die Preise der allermeisten Produkte im unteren Preisdrittel liegen.

Das Eckpunkte-Papier lässt offen, ob die Auswahlbegrenzung auf Packungen außerhalb des unteren Preisdrittels aufgehoben wird oder aut idem endgültig zu Grabe getragen wird.

Positivliste und Negativliste

Die mit großen Aufwand erarbeitete Positivliste tritt nicht in Kraft. Die Negativliste wird aufgehoben. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass beide Listen angesichts der Wirkungen der neuen Festbetragsregelung, der Nutzenbewertung von Arzneimitteln sowie der grundsätzlichen Herausnahme nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel und so genannter Lifestyle-Produkte aus der Erstattungsfähigkeit entbehrlich seien.

Neugestaltung der Zuzahlungen und Befreiungsmöglichkeiten

Das unübersichtliche und sozialpolitisch teilweise ungerechte System von Zuzahlungen und Befreiungs- bzw. Überforderungsregelungen soll deutlich vereinfacht werden. Grundsätzlich wird eine prozentuale Zuzahlung bei allen Leistungen von 10 % jedoch mindestens 5 Euro und höchstens 10 Euro erhoben.

Damit wird die packungsgrößenabhängige Zuzahlung aufgegeben. Wegen des Mindestbetrages kann die Zuzahlung bei niedrigpreisigen Arzneimitteln auch deutlich mehr als 10 % betragen. Dass die Zuzahlung den Preis des Arzneimittels übersteigt, kommt künftig bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wegen des festen Abgabehonorars nicht mehr vor.

Die Zuzahlung bei ambulanter ärztlicher und zahnärztlicher Behandlung beträgt 10 Euro je Quartal und Behandlungsfall. Erfolgt die Behandlung auf Überweisung, entfällt die Zuzahlung. Damit beschränkt sich, so die Erwartung der Beteiligten, die Zuzahlung beim Arzt im Regelfall auf 10 Euro je Quartal. Bei einem Krankenhausaufenthalt fallen täglich 10 Euro für maximal 28 Tage pro Jahr an.

Für alle Versicherten gilt künftig für alle Zuzahlungen gleichermaßen eine Belastungsgrenze in Höhe von 2 % des Bruttoeinkommens. Bei der Höhe des zugrundegelegten Einkommens sollen Kinderfreibeträge zusätzlich berücksichtigt werden. Den besonderen Bedürfnissen chronisch Kranker soll durch eine Überforderungsklausel von 1 % des Bruttoeinkommens im Jahr Rechnung getragen werden.

Die Definition des Status "chronisch Kranker" wird präzisiert und auf dauerhafte Erkrankungen beschränkt. Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr sind generell von allen Zuzahlungen befreit.

Weitere Einzelheiten des Reformkonzeptes haben wir im nachfolgenden Beitrag zusammengefasst.

Obgleich zwischenzeitlich ein Scheitern der Konsensgespräche zur Gesundheitsreform zwischen allen im Bundestag vertretenen Parteien und den Bundesländern möglich schien, haben sich die Beteiligten am frühen Montag Morgen auf ein Konsenspapier geeinigt. Wer gehofft hatte, dass durch die Beteiligung von CDU/CSU und FDP die grundlegenden Veränderungen im Apothekenwesen, wie sie der Entwurf des Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz (GMG) vorsieht, zumindest teilweise beseitigt werden, ist um eine Illusion ärmer: Die Maßnahmen, die die Apotheken unmittelbar betreffen, sind gegenüber dem GMG-Entwurf weitgehend unverändert. Lesen Sie hierzu auch unsere Meinungen und Kommentare.

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