Wirtschaft

DAX: Börse feiert das letzte Hurra

US-Regierung präsentiert ihr "Public-Private Investment-Program" – Skepsis am Parkett lässt nach

(hps). Eine Billion von der amerikanischen Notenbank zum Aufkauf von Anleihen, eine Billion zum Erwerb von Schrottpapieren zur Entlastung der Banken. Regierung und Notenbank der USA sind offensichtlich zum "Alles oder Nichts Prinzip" übergegangen. Damit dürften die Amerikaner jetzt alle Optionen zur Krisenbewältigung ausgeschöpft haben.

Die aktuelle Marktlage

Ist nun das energische Eingreifen der US-Notenbank (FED) durch den Aufkauf von Anleihen und das neue "Public-Private Investment-Program" als ein Zeichen der Entschlossenheit zu werten, oder deutet es vielmehr auf den tatsächlichen Ernst der wirtschaftlichen Lage hin? Die Börse beurteilte diese Maßnahmen zunächst positiv. Wenn sich Banken nicht mehr um die Schrottanleihen sorgen müssen, dürften sie auch wieder großzügiger in der Kreditvergabe werden, so die landläufige Marktmeinung. Interessanterweise drehen sich nun Börsengurus und Wirtschaftsauguren argumentativ im Kreis: Die Börsenpropheten vermuten, dass uns der Wirtschaftsaufschwung bereits in der Jahreshälfte bevorsteht. Und da die Aktienmärkte die konjunkturelle Wende in der Regel mit einem zeitlichen Vorlauf von einem halben Jahr vorwegnehmen, sei nun folgerichtig mit dem Turnaround an den Börsen zu rechnen. Die Ökonomen verweisen unterdessen auf die alte Regel: Erst erholen sich die Märkte, dann die Konjunktur und am Ende auch die Unternehmensgewinne. Da sich Aktien derzeit stabilisierten, sei das auch für die Gesamtwirtschaft eine hoffnungsfrohe Nachricht. Damit scheint für alle bewiesen: Die Konjunktur dreht in der zweiten Jahreshälfte.

Vielen Profis erscheint es indes vor dem Hintergrund der unabsehbaren volkswirtschaftlichen Konsequenzen durch die weltweit ausufernden Staatsdefizite zweifelhaft, ob sich hier das Ende dieser Krise tatsächlich mit einer relativ simplen Halbjahresformel prognostizieren lässt.

Wie auch immer: Die Schwankungsfreudigkeit bei den Aktien dürfte in nächster Zeit wieder zunehmen. Einerseits werfen alternative Anlageformen wie Anleihen kaum mehr Rendite ab, die Risikobereitschaft der Anleger steigt. Wo immer ein Börsenzug in Bewegung scheint – viele wollen unbedingt dabei sein. Andererseits aber liegen die Nerven bei den Investoren blank, die Angst vor Rückschlägen ist groß.

Aus der Perspektive der Analysten

Die Optimisten kommen aus der Deckung. Experten der Landesbank Berlin und der Hessischen Landesbank sind für den DAX weiter optimistisch. Zur Begründung weisen sie unter anderem darauf hin, dass die Anleger inzwischen wieder eher Banken und zyklische Werte bevorzugten. Das sei ein Hinweis auf eine optimistischere Einstellung am Parkett. Für einen wichtigen Pluspunkt halten die Bullen auch das entschlossene Vorgehen der FED. Die Strategen der Landesbank Hessen-Thüringen sehen hierin den entscheidenden Schritt in Richtung Trendwende am Aktienmarkt und sehen die Bodenbildung beim DAX als bereits vollzogen an. Das Börsenbarometer verfüge nun über ein Aufwärtspotenzial von 40 bis 50 Prozent auf Sicht der nächsten zwölf Monate.

Auf der Seite der Skeptiker stehen noch die Analysten der DZ Bank und der Landesbank Baden-Württemberg, die dem DAX über eine technische Reaktion hinaus nicht all zuviel zutrauen. Dafür sei das wirtschaftliche Umfeld zu schlecht. Außerdem stehe demnächst die US-Berichtssaison an, von der nichts Gutes zu erwarten sei. Selbst der neue Vorstoß der FED wird von den Bären eher negativ beurteilt. Sie befürchten erhebliche Auswirkungen auf die Geldwertstabilität. Der Kampf um die magische 4000er-Marke werde daher wohl weitergehen. Das Rückschlagpotenzial sehen Pessimisten bei 3800 Punkten.

Aber was sagt eigentlich die "Oberliga" der Analysten dazu? Das "Handelsblatt" hat fünf weltweit bekannte Vermögensverwalter befragt, die es zusammen auf respektable 230 Jahre Börsenerfahrung bringen. Die Optimisten, unter ihnen Größen wie Anthony Bolton, der ehemalige Star-Manager von Fidelity sowie Mark Mobius von Templeton, erwarten nun den Start eines neuen Bullenmarktes und rechnen dabei mit Aufschlägen bis zu 50 Prozent. Zur Begründung verweisen sie auf die generelle Unterbewertung von Aktien und die hohen Kassenbestände bzw. den Anlagezwang der institutionellen Anleger. Den Höhepunkt der Angst habe man mit der Lehman-Pleite bereits hinter sich. Jeder, der verkaufen wolle, habe bereits verkauft, so dass von dieser Seite kein Druck mehr zu erwarten sei – so lautet mitunter das überraschend einfache Credo der optimistisch gestimmten Profis. Skeptiker verweisen dagegen auf die ihrer Ansicht nach immer noch viel zu hohen Gewinnschätzungen der Analysten, während die staatlichen Hilfsprogramme nicht tiefgreifend genug seien. So sieht es beispielsweise auch Chris Taylor, Vermögensverwalter bei der namhaften britischen Neptune Asset Management. Taylor erwartet zuerst einen panikartigen Verkauf, bevor die Trendwende zum Besseren einsetzen kann.

Musterdepot und Strategie

Das ist einfach zu dünn, was hier die Bullen als Argument für die Aufwärtsbewegung abliefern. Vor allem die anstehende US-Berichtssaison wird für Ernüchterung sorgen, zumal auch der Ausblick bei den Unternehmen mehrheitlich negativ ausfallen dürfte.

Daher baut das Musterdepot die Put-Engagements weiter aus: RWE-Put Optionsschein der Commerzbank, Laufzeit Mai, Basis 52 Euro, WKN CM2YQS. Last not least: Großes Lob an den DWS Russia Ölfonds!

DAX am 26. März (12.30 h): 4247 Punkte.

Aus der Sicht des Querdenkers


Die Krise als Chance begreifen! Das könnte bedeuten, dass man in Deutschland endlich auch die Aufgabenstellung im Schulfach Mathe überarbeitet und aktueller ausrichtet. Etwa so: Wenn der Chef der Deutschen Bank auf 90 Prozent seines Gehaltes verzichtet und dabei 1,4 Mio. Euro verdient, wie viel hat er dann vorher bei 100 Prozent verdient? Fortgeschrittene könnten dann ja die Vorjahresgehälter der AIG-Vorstände ausrechnen.

Die Politik fordert Bescheidenheit ein. Für US-Notenbankchef Ben Bernanke ist dies indes ein Fremdwort, zumindest was seine Ausgabenfreudigkeit betrifft. An der Börse nennt man ihn schon "Helicopter Ben". Ihm sagt man nach, er würde notfalls das Geld auch vom Hubschrauber aus abwerfen. Diesmal öffnete er den Geldhahn für 1 Billion Dollar zum Kauf von Anleihen, wofür Bernanke die Druckerpresse anwerfen wird. Dieselbe Summe möchte die Regierung zum Aufkauf von Schrottpapieren locker machen. Jedoch schwächt die gigantische Verschuldungsmaschinerie den Dollar. Darüber fluchen vor allem die Chinesen. Ihre US-Staatsanleihen werden für sie währungsbedingt zum Verlustgeschäft. Auch die OPEC versucht, ihre Dollar-Verluste durch höhere Ölpreise wenigstens teilweise auszugleichen. Unterdessen ahnen einige Anleger Böses und flüchten in Öl und Gold. Es war die massive Verschuldung der Konsumenten, die die Amerikaner ins Trudeln gebracht haben. Und nun soll eine laxere Geldpolitik die Hypotheken- und Kreditkartenschuldner wieder zu mehr Konsum auf Pump ermuntern. Das kann nicht funktionieren. Unterstellt man, dass die ernorme Ausweitung der Geldmenge sowie die anziehenden Rohstoffpreise ein stärkeres Inflationspotenzial beinhalten und geht man gleichzeitig von einer weiter schwachen Wirtschaftsentwicklung aus, dann steht am Ende ein Begriff, den die Börse am meisten scheut: Stagflation. Eine kritische Haltung ist auch gegenüber dem neuen "Public-Private Investment-Program" angebracht. Es ist noch völlig offen, ob die Banken überhaupt gewillt sind, zu Preisen weit unter den in ihren Büchern festgeschriebenen Notierungen zu verkaufen, während private Investoren Schrottpapiere eben auch nur zu Schrottpreisen kaufen dürften.

Vor diesem Hintergrund muss man die zunehmend optimistischer klingenden Töne an der Börse als Alarmsignal werten. Die Konjunkturpakete haben die Hoffnung auf eine schnelle Besserung der Wirtschaftslage geschürt und damit für einen starken Anstieg der Optimisten gesorgt. Damit hat sich nun eine weitere Bedingung für einen Kursrutsch erfüllt: Das Lager der potenziellen Verkäufer ist jetzt wesentlich größer. Die guten Nachrichten sind inzwischen jetzt auf dem Tisch, Amerika hat alle Trümpfe ausgespielt. Nun sind bald die zittrigen Hände an der Reihe.


Peter Spermann

Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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