Fortbildungskongress

"Ihr Apotheker kann Ihnen helfen, das Rauchen aufzugeben"

Die hohen gesundheitlichen Risiken einer Tabaksucht zeigte Prof. Dr. Walter Schunack vom Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin auf. Der Behandlung der Tabakabhängigkeit sollte eine besondere Bedeutung beigemessen werden, denn sie zählt zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen überhaupt.

Das Rauchen nimmt im Vergleich der drei für den Menschen bedeutendsten Risikofaktoren Rauchen, Alkohol und Adipositas nach vergleichenden Studien aus den USA die führende Position ein, was die Letalität, die verlorenen Lebensjahre und die Krankenhaus- und Gesamtkosten betrifft. In der Europäischen Union sterben jährlich 1,1 Millionen Menschen an den unmittelbaren Folgen des Rauchens.

Komplexes Stoffgemisch

In Bezug auf die Suchterscheinungen ist das Nicotin von entscheidender Bedeutung, bezüglich der gesundheitschädigenden Folgen und der Entstehung vor Tumoren spielt es aber nur eine untergeordnete Rolle. Im Tabakrauch konnten neben dem Nicotin über 4800 Stoffe nachgewiesen werden, von denen über 70 Verbindungen als krebserzeugend eingestuft werden und das Erbgut schädigen können. Dazu zählen vor allem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Azaarene, Nitrosamine und Stickstoffoxide sowie aromatische Amine. Leider lassen sich für die Kanzerogene des Tabakrauchs, die das Erbgut schädigen, keine gesundheitsbasierten Grenzwerte angeben. So ist es nicht möglich zu sagen: Eine bestimmte Anzahl Zigaretten pro Tag ist unschädlich.

Nicotinersatzpräparate helfen

Wenn es um die Nicotinersatztherapie geht, so Schunack, ist die Studienlage eindeutig: alle zur Verfügung stehenden Darreichungsformen erhöhen die Abstinenz signifikant. Dabei ist es egal, ob man sich für Kaugummi, Lutschtabletten oder ein Pflaster entscheidet. Je nach Grad der Abhängigkeit können die Darreichungsformen eingesetzt und kombiniert werden. Leichten Rauchern, die 5 bis 10 Zigaretten am Tag rauchen, sollte geraten werden, einen Kaugummi bei starkem Zigarettenwunsch zu kauen. Mäßige Raucher (10 bis 15 Zigaretten am Tag) können anfangs bis zu 12 Nicotin-Kaugummi oder ein Nicotin-Pflaster anwenden, nur in den ersten Behandlungstagen sind zusätzlich einige Nicotin-Kaugummi erlaubt. Die Behandlung sollte je nach Befinden des Ex-Rauchers über zwei bis drei Wochen fortgesetzt und dann die Dosis reduziert werden. Starke Raucher, die über 25 Zigaretten rauchen, nehmen ein Nicotin-Pflaster und zusätzlich 6 bis 12 Nicotin-Kaugummis je nach Stärke des Rauchverlangens. Diese Behandlung sollte über drei bis sechs Wochen fortgeführt und anschließend die Dosis reduziert werden. Sehr starke Raucher (bis zu 40 Zigaretten pro Tag) kleben ein Nicotin-Pflaster und kauen bedarfsweise zusätzlich 10 bis 12 Nicotin-Kaugummis bis das akute Rauchverlangen nachlässt. Die Behandlung soll über vier Wochen fortgeführt werden.

Prinzipiell scheint die Dauer der Behandlung mit einem Nicotin-Pflaster eine untergeordnete Rolle zu spielen: nach 8, 12, oder 24 Wochen konnten die gleichen Erfolgsquoten beobachtet werden.

Für eine erfolgreiche Therapie sind jedoch Anwendungshinweise zu den einzelnen Darreichungsformen sehr wichtig. So sollten Pflaster jeden Morgen auf eine neue, unbehaarte Körperstelle geklebt werden. Die zur Verfügung stehenden niedrigdosierten Nicotin-Pflaster (7 mg in 24 Stunden freisetzend) sollten dazu verwendet werden, um hochdosierte Pflaster auszuschleichen.

"Richtiges" Kauen muss erklärt werden

Bei den Kaugummi hat sich die 4-mg-Dosierung als wesentlich effektiver als die 2-mg-Dosis erwiesen. Patienten müssen unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die Nicotin-Kaugummi grundlegend anders als normale Kaugummi gekaut werden sollten: Im Backenzahnbereich sollte nur ein- oder zweimal gekaut und dann 30 Sekunden gar nicht gekaut werden. Dann den Kaugummi auf die andere Seite im Mund bewegen und auch dort nur ein- oder zweimal Kauen.

Auch bei den Lutschtabletten sollte darauf hingewiesen werden, dass auf beiden Seiten abwechselnd gelutscht werden sollte, da es sonst zu Schäden an der Schleimhaut kommen kann.

Die unter einer Nicotinersatztherapie zu erwartenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen sollten im Verhältnis zu den Langzeitfolgen des Rauchens betrachtet werden. Sobald jedoch wieder mit dem Rauchen begonnen wird, so müssen die Nicotinersatzpräparate sofort abgesetzt werden, da es ansonsten zu Intoxikationen kommen kann.


Komponenten einer erfolgreichen Verhaltenstherapie

  • Abstinenzvorbereitung
– den Raucher motivieren, sein Vorhaben auch umzusetzen
– die typischen Risikosituationen des Rauchers analysieren
– Gegenstrategien entwickeln

  • Konsumbeendigung
– konsequente Selbstkontrolle (Aschenbecher wegräumen, Zigaretten wegwerfen)
– Belohnungsstrategien (mit sich oder anderen einen Vertrag abschließen)
– Kundtun des Vorhabens (soziale Unterstützung beim Durchsetzen der Abstinenz einholen)

  • Stabilisierungsphase
– Alternativverhalten aufbauen
– Entspannungsübungen praktizieren
– gesundheitsförderliches Verhalten erlernen
– Strategien zur Rückfallprophylaxe entwickeln

Unterstützung mit Bupropion

Bupropion (Zyban®) wird schon seit längerer Zeit als Antidepressivum eingesetzt. Es ist ein relativ schwacher Aufnahmehemmer für Noradrenalin und Dopamin, die Aufnahme von 5-Hydroxytryptamin wird kaum gehemmt. Der für den Rauchstopp verantwortliche Mechanismus ist noch unklar. Die Behandlung mit Bupropion erfolgt einschleichend. In der ersten Behandlungswoche werden täglich 150 mg eingenommen, anschließend, ab Tag 7 wird die Dosis verdoppelt auf zweimal täglich 150 mg. Der aufhörwillige Patient sollte sich in der ersten Behandlungswoche auf einen konkreten Termin festlegen, an dem er das Rauchen beendet. Das heißt, er kann an den ersten Behandlungstagen im Gegensatz zur Nicotinersatztherapie noch rauchen. Die Behandlungsdauer beträgt sieben bis neun Wochen, wobei ausschleichend dosiert werden sollte. In Studien zeigte sich Bupropion als doppelt so wirksam wie Placebo. Problematisch ist der Wirkstoff hinsichtlich seines Interaktionspotenzials: Bei der gleichzeitigen Einnahme von Arzneimitteln, die die Krampfschwelle senken, ist Vorsicht geboten. Dazu zählen ZNS-gängige H1 -Antihistaminika, Theophyllin und Neuroleptika. Antipsychotika, Antidepressiva, ß-Blocker und Antiarrhythmika sollten einschleichend dosiert werden, da Bupropion die CYP 2D6 hemmt. Schunack wies darauf hin, dass Bupropion nur bei strenger Indikationsstellung und unter besonderer Beachtung der Kontraindikationen bzw. Anwendungseinschränkungen verabreicht werden darf.

Diskussion um Vareniclin

Mit dem partiellen Nicotinagonist Vareniclin (Champix®) steht seit 2007 eine neue Option zur Verfügung, die Rauchern als Unterstützung zur Tabakentwöhnung angeboten werden kann. Vareniclin bindet mit einer hohen Affinität und Selektivität an die neuronalen α4-β2-nicotinergen Acetylcholinrezeptoren, wo es als partieller Agonist wirkt – das heißt als Substanz, die sowohl agonistische (mit geringerer intrinsischer Wirkung als Nicotin) als auch in Gegenwart von Nicotin antagonistische Wirkungen zeigt. In der letzten Zeit wurden Berichte zur Suizidgefahr und Verhaltensauffälligkeiten unter Vareniclin veröffentlicht. Allerdings, so Schunack, sind Stimmungsschwankungen und Verhaltensveränderungen wie depressives oder aggressives Verhalten keine Besonderheit einer Vareniclin-Therapie, sondern eine Begleiterscheinung des Nicotinentzugs. Alle beobachteten Neben- und Wechselwirkungen unter Vareniclin sollten jedoch vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass das Weiterrauchen das größte und alles übertreffende Risiko darstellt: In Deutschland sterben täglich über 300 Menschen an den Folgen des Rauchens.


ck



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