Praxis aktuell

Nur Rauchstopp macht wirklich Sinn

Wer als COPD-Patient den Glimmstängel für immer zur Seite legt, kann damit den Verlauf dieser chronisch-progredienten Erkrankung positiv beeinflussen. Aus diesem Grund spielt die Tabakentwöhnung eine zentrale Rolle in der COPD-Therapie. Die Mitte 2008 von Vertretern verschiedener medizinischer Fachgesellschaften erstellte S3-Leitlinie "Tabakentwöhnung bei COPD" will nicht nur Ärzten eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe bieten, sondern richtet sich ausdrücklich auch an Apotheker. Sie enthält nützliche Informationen zur Unterstützung beim "Aufhören" – nicht nur für COPD-Patienten.
Weg damit! COPD-Patienten sollten unbedingt komplett mit dem Rauchen aufhören. Nur eine Reduktion des Zigaretten-konsums hilft wenig bis nichts.
Foto: Pfizer Deutschland

Es ist hinlänglich bekannt und durch zahlreiche Studien belegt, dass Tabakrauchen Erkrankungen der Atemwege und der Lunge verursacht oder wenigstens ungünstig beeinflusst. An erster Stelle stehen dabei die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, COPD) und das Lungenkarzinom. Die COPD ist derzeit weltweit die fünfthäufigste Todesursache – mit stark steigender Tendenz. Studien zufolge leiden in Europa und Nordamerika etwa 8 bis 13% der erwachsenen Bevölkerung an dieser Erkrankung. Im höheren Lebensalter nimmt die Prävalenz stark zu. Einer der wichtigsten Risikofaktoren für die COPD ist das Rauchen (relatives Risiko = 13), aber auch das Passivrauchen birgt ein Risiko (geschätztes relatives Risiko 1,4).

Bei der Entstehung einer COPD wirken genetische Faktoren und Umwelteinflüsse zusammen, das heißt: nicht jeder Raucher bekommt eine COPD. Dennoch zeigen Studien, dass acht von zehn COPD-Patienten langjährige Raucher waren. Unter Patienten mit sehr schwerer COPD fand man einen höheren Anteil aktiver Raucher als unter Patienten mit leichterer Erkrankung. Eine COPD beeinträchtigt nicht nur die Lunge und die Atemwege; sie führt unter anderem auch zu kardiovaskulären, muskulo-skeletalen und psychischen Erkrankungen.

Leitlinie mit Patientenversion im Web

Unter www.awmf-leitlinien.de findet man neben der Langfassung der Leitlinie "Tabakentwöhnung bei COPD" auch eine Kurzfassung und eine Patientenversion veröffentlicht.

Tabakentwöhnung zeigt positive Effekte

Die bei der Erstellung der Leitlinie durchgeführte Analyse von Studien und Metaanalysen zeigt, dass ein Rauchstopp bei Patienten mit COPD positive Effekte auf den Verlauf der Lungenfunktion, die Symptome und die Mortalität besitzt. Dagegen genügt es nicht, den Tabakkonsum lediglich zu reduzieren. Die Ursache dafür scheint darin zu liegen, dass ein Raucher, der weniger Zigaretten konsumiert, stattdessen tiefer und länger inhaliert. Die Leitlinie konstatiert aufgrund dieser Erkenntnisse, dass das oberste Ziel die vollständige Tabakentwöhnung sein muss. Falls es einem rauchenden COPD-Patienten nicht gelingen sollte, das Rauchen sofort komplett aufzugeben, kann als Zwischenlösung zunächst eine Rauchreduktion in Betracht gezogen werden. Allerdings sind dann keine Verbesserung der Lungenfunktion und keine Linderung der Beschwerden zu erwarten, so die Autoren.

Die 5 R

Die 5 R zur Motivationssteigerung bei nicht entwöhnungswilligen Rauchern

  • Relevanz aufzeigen: Knüpfen Sie die Motivation des Rauchers an seinen körperlichen Zustand, seine familiäre und soziale Situation, an gesundheitliche Bedenken, Alter, Geschlecht und andere Merkmale wie frühere Ausstiegsversuche.
  • Risiken benennen: Kurzfristig: Kurzatmigkeit, Impotenz und Unfruchtbarkeit, erhöhte CO- Konzentration im Serum, erhöhte Herzfrequenz und erhöhte Blutdruckwerte. Langfristig: erhöhte Infektanfälligkeit, chronische obstruktive Atemwegserkrankungen (chronische Bronchitis und Emphysem), Herzinfarkt und Schlaganfall, Lungenkrebs und andere Krebsarten etc.
  • Reize und Vorteile des Rauchstopps verdeutlichen: Fragen Sie den Patienten, welche Vorteile das Aufhören hat und betonen Sie diejenigen, die die höchste emotionale Bedeutsamkeit haben.
  • Riegel (Hindernisse und Schwierigkeiten) vor Rauchstopp ansprechen: Entzugssymptome, Angst zu scheitern, Gewichtszunahme, fehlende Unterstützung, Depression, Freude am Rauchen.
  • Repetition: Raucher, die nicht ausstiegswillig waren, sollten bei jedem Folgekontakt erneut mit diesen motivationsfördernden Strategien angesprochen werden.

Methoden der Entwöhnung

Nach derzeitiger Studienlage sind Entwöhnungsprogramme, die sowohl medikamentöse als auch psychosoziale Interventionen beinhalten, für COPD-Patienten besonders effektiv. Belastbare Studienergebnisse bei Patienten mit COPD sind derzeit aber nur für die Nicotinersatztherapie und Bupropion publiziert.

Nicotinersatztherapie

Zur Nicotinersatztherapie bei Patienten mit COPD liegen insbesondere mit Kaugummi gute Erfahrungen vor; wegen des identischen Wirkstoffs gehen die Leitlinien-Autoren jedoch davon aus, dass auch die anderen Applikationsformen bei Patienten mit COPD gut wirksam sind. Die Palette der Darreichungsformen ist breit (Tabelle).

Tabelle: Pharmaka zur Tabakentwöhnung
WirkstoffApplikationsformPräparate
NicotinPflasterNicorette® , Nikofrenon® , NiQuitin® , Nicotinell®
KaugummiNicorette® , Nicotinell®
SublingualtabletteNicorette®
LutschtabletteNiQuitin® , Nicotinell® , Nicopass®
InhalerNicorette®
Nasensprayin Deutschland kein Präparat im Handel
VareniclinTabletteChampix®
BupropionTabletteZyban®

Kaugummis sind empfehlenswert bei einer Vorliebe für Kaugummi und bei Unverträglichkeit von Nicotinpflastern. Für Zahnprothesen-Träger sind Tabletten eine gute Alternative. Da die Wirkstofffreigabe bei Kaugummis und Tabletten bereits nach wenigen Minuten erfolgt und die Wirkdauer kürzer ist als bei den Pflastern, eignen sich diese Darreichungsformen für Raucher mit ungleich über den Tag verteiltem Konsum. Nicotinpflaster dagegen sind besonders geeignet bei Rauchern mit einem regelmäßig über den Tag verteilten Konsum, der bei mindestens zehn Zigaretten pro Tag liegt. Die Leitlinie empfiehlt eine Anwendung über mindestens acht Wochen. Bei starker Nicotinabhängigkeit (> 6 Punkte im Fagerström-Test, siehe Kasten) und hohem Zigarettenkonsum (< 30/Tag) können die Darreichungsformen auch kombiniert angewendet werden. Darüber hinaus sollten die Aufhörwilligen darüber informiert werden, dass keine gefährlichen Intoxikationssymptome zu erwarten sind, wenn sie trotz laufender Nicotinersatztherapie einmal zur Zigarette greifen.

Fagerström-Test

Der aus sechs Fragen bestehende "Fagerström-Test for Nicotine Dependence" (FTND) ist international zur Bestimmung des Ausmaßes der Tabakabhängigkeit anerkannt und kann vom Arzt zur Therapieentscheidung herangezogen werden. Nachfolgend die Fragen des Tests:

1. Wann nach dem Aufwachen rauchen Sie Ihre erste Zigarette?

  • Innerhalb von 5 Minuten
  • Innerhalb von 6 bis 30 Minuten
  • Innerhalb von 31 bis 60 Minuten
  • Nach 60 Minuten

2. Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist, das Rauchen sein zu lassen?

  • Ja
  • Nein

3. Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen?

  • Die erste am Morgen
  • Andere

4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie im Allgemeinen pro Tag?

  • Bis 10
  • 11 – 20
  • 21 – 30
  • Mehr als 30

5. Rauchen Sie am frühen Morgen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages?

  • Ja
  • Nein

6. Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen?

  • Ja
  • Nein

Bupropion

Zu Bupropion (Zyban®) fanden die Leitlinien-Autoren in Studien mit allgemeinen Raucherkollektiven eine mit der Nicotinersatztherapie vergleichbare Wirkstärke (Odds ratio 2,06, 95% CI: 1,77 – 2,40). Mit COPD-Patienten wurden bisher zwei Studien durchgeführt, die eine Wirksamkeit nach sechs, jedoch nicht nach 12 Monaten zeigten. Während einer Behandlung mit Bupropion können Nebenwirkungen wie Schlafstörungen, Schwindel und Mundtrockenheit auftreten, das Risiko für epileptische Anfälle ist erhöht. Daher sollten vor Behandlungsbeginn Risiken für ein epileptisches Ereignis, schwere körperliche Erkrankungen sowie eine psychische Instabilität ausgeschlossen werden.

Vareniclin

Vareniclin (Champix®) ist seit 2007 in Deutschland für die Behandlung der Tabakabhängigkeit zugelassen. Die Substanz ist ein partieller Agonist am a4ß2-Nicotin-Rezeptor. In Studien lag seine Effektivität gegenüber Placebo bei einer Odds ratio (OR) von 3,2 (95% CI: 2,3 – 4,3) und gegenüber Bupropion bei einer OR von 1,7 (95% CI: 1,3 – 2,2). Als Nebenwirkungen werden Schwindel, Übelkeit, lebhafte Träume, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schlaflosigkeit und Flatulenz genannt. Als die Leitlinie erstellt wurde, lagen noch keine Daten zur Behandlung von COPD-Patienten vor, dies hat sich inzwischen geändert (siehe Interview mit Prof. Dr. Stefan Andreas).

 

 

Weitere Pharmaka

Zu den Pharmaka, die zur Entzugsbehandlung bei Rauchern in Deutschland nicht zugelassen sind, jedoch auf ihre Eignung zur Entwöhnungsbehandlung untersucht wurden, zählen Clonidin und Nortriptylin. Clonidin wird in US-amerikanischen Leitlinien als Mittel zweiter Wahl zur Entwöhnungsbehandlung bei Rauchern empfohlen.

Weitere Leitlinien in Überarbeitung

Neben der Leitlinie "Tabakentwöhnung bei COPD" gibt es weitere Empfehlungen zur Therapie der Tabakabhängigkeit, beispielsweise die 2001 von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft veröffentlichte "Handlungsleitlinie Tabakabhängigkeit". Nach Aussage von Prof. Dr. Stefan Andreas wird sie derzeit überarbeitet und dem aktuellen Wissensstand angepasst.

Apothekerin Dr. Claudia Bruhn

 


Quelle: Tabakentwöhnung bei COPD. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin, AWMF-Leitlinien-Register Nr. 020/005, Stand Mai 2008; Pneumologie 2008; 62; 255 – 272.

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