Praxis aktuell

Guter Vorsatz? So gelingt der Abschied vom Glimmstängel

Neujahr – jedes Jahr aufs Neue ein Tag der guten Vorsätze, vor allem für Raucher, von denen viele den Jahreswechsel zum Anlass nehmen, sich endlich ihrer leidigen Sucht zu entledigen. Nicht alle von ihnen werden auf lange Sicht Erfolg haben, doch der Aufwand lohnt sich. Um entwöhnungswilligen Rauchern ihren Abschied vom Glimmstängel zu erleichtern, können das soziale Umfeld durch mentale Unterstützung sowie Apotheken durch pharmazeutische Betreuung einen wertvollen Beitrag leisten.

Laut Drogenbericht der Bundesregierung gibt es in Deutschland ca. 17 Millionen Raucher, dabei schädigt Rauchen nicht nur die Atemwege, sondern fast alle Organsysteme. Es fördert praktisch alle Krebsarten der Atem- und Verdauungswege sowie Leukämie. In Deutschland fordert das Rauchen mindestens 110.000 Todesopfer jährlich. Damit ist Rauchen das bedeutendste Einzelrisiko in unserem Leben. Doch obwohl die schädlichen Wirkungen des Rauchens seit Langem allgemein bekannt sind, ist es vielen Rauchern kaum möglich, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie sind psychisch und physisch abhängig. Häufige Entzugssymptome sind Nervosität, Gereiztheit, Kopfschmerzen, Konzentrationsschwäche und Hungergefühl. Die suchterzeugende Komponente ist das Nicotin. Etwa 20% des im Tabak enthaltenen Nicotins werden beim Rauchen inhaliert, wovon wiederum rund 90% resorbiert werden. Bei einem Nicotingehalt von etwa 10 mg pro Zigarette gelangen ca. 1,8 mg ins Blut und sorgen für die vom Raucher als angenehm empfunden Effekte. Hierzu gehören unter anderem eine Zunahme der Pulsfrequenz mit Erhöhung des systolischen und diastolischen Blutdruckes (deshalb wird die erste Zigarette am Morgen als besonders angenehm empfunden) sowie zentral vermittelte atemstimulierende und euphorisierende Effekte. Daran ist auch das "positive Belohnungssystem" (mesolimbische Dopaminsystem) wesentlich beteiligt, das für die Suchtentwicklung von zentraler Bedeutung ist. Es bewirkt die positive Verstärkung eines Verhaltens und ist in das Entstehen von Emotionen maßgeblich involviert.

Ein Generalangriff auf die Gesundheit

Neben Nicotin enthält Tabakrauch allerdings noch über 4800 weitere Substanzen (z. B. polyzyklische Aromaten, N-Nitrosoverbindungen, Epoxide, Aldehyde, Säuren sowie verschiedene Metallverbindungen), von denen mehr als 70 Krebs erzeugen und das Erbgut schädigen können. Ferner erhöht Rauchen das Risiko für Arteriosklerose, Infarkte und Aneurysmen, es fördert die Insulinresistenz und sowie das Auftreten von altersabhängiger Makuladegeneration, Glaukom und Parodontitis. Rauchen ist also geradezu ein Generalangriff auf die Gesundheit. Es gibt daher nichts Effektiveres, alle wesentlichen Gesundheitsrisiken gleichzeitig zu senken, als mit dem Rauchen aufzuhören.

Produktvielfalt schafft Wahlmöglichkeit

Die am weitesten verbreitete Methode, um Rauchern die Entwöhnung zu erleichtern, ist die Nicotinersatztherapie. Hierfür steht eine Vielzahl verschiedener Darreichungsformen zu Verfügung. Der Kunde kann wählen und sich für die ihm sympathischste Form entscheiden. Auch dadurch steigen die Erfolgschancen. Grundsätzlich wird zwischen

  • langsam, kontinuierlich freisetzenden (Pflastern) sowie

  • schnell, diskontinuierlich freisetzenden Arzneiformen (Kaugummi, Inhaler, Lutschtabletten)

unterschieden. Letztere sollen in erster Linie das spontane Verlangen nach der Zigarette unterdrücken, indem sie die durch den Konsum einer Zigarette ausgelösten Nicotinspiegelspitzen im Plasma imitieren. Im Gegensatz dazu werden durch Nicotinpflaster stabile Plasmaspiegel aufgebaut, weshalb Raucher hier gelegentlich den "Kick" vermissen und diese Darreichungsform als subjektiv weniger wirksam empfinden. Allerdings erhöhen alle Nicotinersatzpräparate die Abstinenzraten unabhängig von der Darreichungsform signifikant. Dem Prinzip der Entwöhnung folgend sollen die Dosis und/oder die Frequenz der Applikation kontinuierlich reduziert werden.

Kaugummis sind keine Genuss- sondern Arzneimittel


Bei Nicotinkaugummis wird ein langsames, intermittierendes Kauen über 30 Minuten empfohlen. Lutschtabletten sollen dagegen im Mund zergehen, indem man sie regelmäßig von einer Seite der Mundhöhle auf die andere wechselt bis sie sich vollständig aufgelöst hat (ca. 10 Minuten). Lutschtabletten dürfen nicht zerkaut oder geschluckt werden.

Beim Kauen der Nicotinkaugummis wird das Nicotin vorwiegend über die Mundschleimhaut in den Körper aufgenommen. So entsteht im Blut eine Nicotinkonzentration, die das Rauchverlangen über einen längeren Zeitraum ausschaltet. Wenn der Anwender einen starken Nicotingeschmack wahrnimmt, sollte die Kaubewegung unterbrochen und die Kaumasse vorübergehend zwischen Zahnfleisch und Wange deponiert werden. Nach Abklingen der Geschmacksempfindung durch Resorption oder Verschlucken des Nicotins beginnt man dann erneut mit dem Kauen. Bei zu schnellem bzw. zu intensivem Kauen kann es zu Speichelfluss, Übelkeit oder Sodbrennen kommen. Da das Nicotin in Kaugummis üblicherweise an Kationenaustauscherharze gebunden ist und von diesen durch den alkalischen Speichel freigesetzt wird, sollten vor dem Kauen keine Cola oder andere saure Getränke konsumiert werden, damit der pH-Wert des Speichels nicht gesenkt wird. Wichtig ist zudem, den entwöhnungswilligen Raucher darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Kaugummis um ein Arzneimittel und nicht um ein Genussmittel handelt.

Bupropion vermindert das Verlangen

Eine Alternative zur Nicotinersatztherapie bietet der Wirkstoff Bupropion (Zyban®). Hierbei handelt es sich um ein Antidepressivum, das im Gehirn ähnliche Veränderungen bewirkt wie Nicotin. So bleiben dem Raucher die ihm bekannten Zigarettenwirkungen wie Euphorie und Atemstimulierung, auf denen die Sucht beruht, zunächst erhalten, wohingegen die nicht auf Nicotinwirkungen beruhenden Noxen ausgeschaltet werden. Bupropion ist ein schwacher Hemmer der synaptischen Wiederaufnahme von Noradrenalin (erleichtert den Entzug) und Dopamin (mindert das Verlangen). Der genaue, für den Rauchstopp verantwortliche Wirkmechanismus ist jedoch unklar. Es wird empfohlen, mit der Behandlung zu beginnen, während der Patient noch raucht. Der motivierte Patient sollte zu Beginn der Therapie den "Rauchverzichtstag" innerhalb der beiden ersten Behandlungswochen festlegen. Die Anfangsdosierung beträgt 150 mg einmal täglich während der ersten sechs Tage, diese wird ab Tag 7 auf 150 mg zweimal täglich heraufgesetzt. Zwischen den aufeinander folgenden Einzeldosen muss eine Zeitspanne von mindestens acht Stunden liegen. Insgesamt beträgt die Behandlungsdauer sieben bis neun Wochen. Wenn bis zur siebten Behandlungswoche keine Wirkung erzielt wurde, ist die Behandlung abzubrechen. Allerdings ist bei der Therapie mit dem zentral wirksamen Stoff aufgrund der teils schwerwiegenden Nebenwirkungen Vorsicht geboten. Neben Mundtrockenheit und gastrointestinalen Störungen klagen Patienten vor allem über zentralnervöse Reaktionen wie Schwindel, Zittern, Schlaflosigkeit und Angstzustände. Gelegentlich kann der Wirkstoff auch eine Tachykardie und Blutdruckanstieg auslösen. Im Sommer 2009 hat die FDA zudem eine Verschärfung des Warnhinweis im Hinblick auf neuropsychiatrischen Nebenwirkungen wie depressive Verstimmungen und Suizidgedanken angeordnet. Bei einer Therapie mit Bupropion müssen verschiedene Vorsichtsmaßnahmen berücksichtigt werden. So dürfen Patienten das Medikament nicht einnehmen, die zu Krampfanfällen neigen, unter Bulimie, Anorexie oder einer Leberzirrhose leiden. Darüber hinaus sollte Bupropion auf keinen Fall zusammen mit MAO-Hemmer verabreicht werden.

CAVE!


Da Tabakrauch – z. B. durch Induktion des CYP1A2 – die Pharmakokinetik einiger Arzneistoffe beeinflusst, kann es in der Entwöhnungsphase zu unerwünschten Wirkungen aufgrund erhöhter Arzneistoffkonzentrationen kommen. Tipps, wie mit diesem Problem in der pharmazeutischen Betreuung umzugehen ist sowie eine Übersicht über betroffene Medikamentengruppen finden Sie in der DAZ 1/2010:

Arzneimittel und Raucherentwöhnung.

DAZ 2010, Nr. 1, S. 44 – 51

Vareniclin reduziert das Belohnungsgefühl

Seit 2007 ist in Deutschland auch Vareniclin (Champix®) zur Behandlung der Tabakabhängigkeit zugelassen. Die Substanz ist ein partieller Agonist am α4β2-Nicotinrezeptor. Dieser Rezeptor vermittelt die suchterzeugenden Verstärkereffekte des Nicotins. Durch den Agonist Vareniclin kommt es zu einer Verringerung des Rauchverlangens und der Entzugssymptome. Als Partialagonist erreicht Vareniclin lediglich 45% der Effektivität von Nicotin. Wird erneut geraucht, hemmt Vareniclin die Nicotineffekte, da es trotz der niedrigen Effektivität eine höhere Affinität zur Bindungsstelle aufweist. Daher kann Nicotin dann die α4β2-Rezeptoren nicht mehr voll aktivieren, es kommt zu einer verminderten Dopaminfreisetzung im Belohnungssystem. Infolgedessen werden der beim Rauchen verspürte Verstärkereffekt und das Belohnungsgefühl reduziert. Als Nebenwirkungen werden Schwindel, Übelkeit, lebhafte Träume, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schlaflosigkeit und Flatulenz genannt. Dafür lag die Gewichtszunahme in klinischen Studien mit weniger als drei Kilogramm sogar etwas unter Placebo. Die empfohlene Dosis beträgt zweimal täglich 1 mg Vareniclin. Der Patient sollte für sich ein Datum festlegen, ab dem er nicht mehr raucht. Die Behandlung sollte dann ein bis zwei Wochen vor diesem Datum begonnen werden. Die empfohlene Behandlungsdauer beträgt zwölf Wochen, bei Patienten mit hohem Rückfallrisiko kann ein zweites zwölfwöchiges Behandlungsintervall angeschlossen werden.

Nicotininhaler: Inhaler ahmt Hand-zu-Mund-Ritual nach


Nicotininhaler aus Kunststoff sehen aus wie eine Zigarettenspitze. Aus ihnen wird Nicotin ähnlich dem Pfeifenrauchen gepafft, oder wie beim Zigarettenrauchen gezogen. Der Inhaler ahmt damit auch das Hand-zu-Mund-Ritual des Rauchens nach, was manche Kunden als Vorteil empfinden. Im Unterschied zur Zigarette wird dabei das Nicotin zum allergrößten Teil über die Mundschleimhaut resorbiert. Die Patronen, die in den Inhaler eingelegt werden, enthalten einen porösen Polyethylen-Stopfen, auf den 10 mg Nicotin und Menthol aufgebracht sind. Durch Ansaugen von Luft wird Nicotin freigesetzt, eingeatmet und über die Mund- und Rachenschleimhaut aufgenommen. Die pharmakologische Nicotinwirkung tritt – ähnlich wie beim Nicotinkaugummi – nach etwa 30 Minuten ein.

Vareniclin steht unter Beobachtung

2009 fiel Vareniclin durch gehäufte Nebenwirkungsmeldungen auf und wurde von der FDA unter besondere Beobachtung gestellt. Es war von schweren Hautreaktionen, Sehstörungen, Angioödemen und einem erhöhten Unfallrisiko berichtet worden. Zwar wurde auch in Deutschland über entsprechende Nebenwirkungen berichtet, eine veränderte Risikosituation ließ sich aus Sicht des BfArM aus den Fallberichten nicht ableiten. Zudem konnte kein sicherer kausaler Zusammenhang zur Arzneimitteleinnahme hergestellt werden. Unabhängig von diesen Nebenwirkungsmeldungen wurde nach der Markteinführung bei Patienten, die mit Hilfe von Vareniclin das Rauchen aufgeben wollten, über Verhaltensänderungen, Denkstörungen, Angstzustände, Psychosen, Stimmungsschwankungen, Aggressivität, Depressionen, suizidales Verhalten sowie Suizidgedanken und -versuche berichtet. Auch bei diesem Präparat wurde der diesbezüglich Warnhinweis seitens der FDA im vorletzten Jahr verschärft. Ärzte sollten sich bewusst sein, dass sich bei Patienten, die versuchen das Rauchen aufzugeben, eine schwere Depression entwickeln kann, und diese Patienten entsprechend beraten. Falls Agitiertheit, eine depressive Stimmungslage oder Veränderungen im Verhalten beobachtet werden oder falls der Patient Suizidgedanken oder suizidales Verhalten entwickelt sollte Vareniclin daher sofort abgesetzt werden.

Soziales Umfeld muss unterstützen

Bei der Raucherentwöhnung gilt: die Betroffenen brauchen einen langen Atem, um von ihrer Sucht loszukommen. Zwar zeigen sich erstaunlich hohe Kurzzeiterfolge, aber die Abstinenzrate sinkt bereits im ersten Jahr erheblich. Daher braucht es die Unterstützung des sozialen Umfelds, um den Ex-Raucher auf seinem Weg zur dauerhaften Abstinenz kontinuierlich zu motivieren. Jeder Tag, an dem nicht geraucht wird, sollte Familienangehörigen oder Kollegen Anlass für eine lobende Erwähnung sein. Um sich selbst zu motivieren sollte der Betroffene eine Statistik über seinen Zigarettenkonsum führen und regelmäßig eine unvoreingenommene Selbstüberprüfung seines Gesundheitszustandes vornehmen (z. B. Leide ich beim Treppensteigen weniger unter Kurzatmigkeit?). Stressfreie Zeiten wie der Urlaub eignen sich am besten für eine Entwöhnung.


Apotheker Dr. Andreas Ziegler



DAZ 2011, Nr. 1, S. 74

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