Arzneimittel und Therapie

Raucherentwöhnung

Hilfe beim Rauchstopp Der neue partielle Nicotinagonist Vareniclin kann helfen, von der Zigarette loszukommen. Trotzdem ist für eine erfolgreiche Tabakentwöhnung in erster Linie eine Verhaltensumstellung zwingend erforderlich.

Vareniclin erleichtert den Entwöhnungsprozess

Mit dem partiellen Nicotinagonist Vareniclin (Champix®) steht seit 1. März eine neue Option zur Verfügung, die Rauchern als Unterstützung zur Tabakentwöhnung angeboten werden kann. Wir baten Prof. Dr. Anil Batra, Universität Tübingen, um eine Bewertung des neuen Wirkstoffs, der insbesondere für starke Raucher eine neue alternative Unterstützung beim Ausstieg aus der Nicotinsucht sein könnte.

Vareniclin bindet mit einer hohen Affinität und Selektivität an die neuronalen α4-β2-nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren, wo es als partieller Agonist wirkt – das heißt als Substanz, die sowohl agonistische (mit geringerer intrinsischer Wirkung als Nicotin) als auch in Gegenwart von Nicotin antagonistische Wirkungen zeigt. Elektrophysiologische Studien in vitro und neurochemische Studien in vivo haben gezeigt, dass Vareniclin an nicotinerge Acetylcholin-Rezeptoren bindet und die rezeptorvermittelte Aktivität stimuliert, jedoch auf einem wesentlich niedrigeren Niveau als Nicotin. Nicotin konkurriert mit Vareniclin um dieselbe humane Bindungsstelle, Vareniclin besitzt allerdings eine höhere Affinität. Daher kann Vareniclin die Fähigkeit von Nicotin, die α4-β2-Rezeptoren voll zu aktivieren und damit das mesolimbische Dopamin-System zu stimulieren, wirksam blockieren. Damit wird der neuronale Mechanismus, der dem beim Rauchen verspürten Verstärkungs- und Belohnungseffekt zugrunde liegt, unterbunden: So reduziert Vareniclin die Entzugssymptomatik und das Verlangen nach einer Zigarette und dämpft bei einem Rückfall das Belohnungssystem.

DAZ

Vareniclin wirkt ja vor allem gegen die körperliche Abhängigkeit, indem er als partieller Agonist die Nicotinrezeptoren im Gehirn blockiert, sodass der Suchtstoff wirkungslos bleibt. Ist dieser neue Wirkstoff wirklich so viel besser als die anderen Präparate zur Nicotinentwöhnung oder werden hier den Nicotinsüchtigen zu viele Hoffnungen gemacht?

Batra: Vareniclin ist ein völlig neuartiger Wirkstoff. Es besetzt die Nicotinrezeptoren im Gehirn und imitiert hierdurch einen Teil der Wirkung des Nicotins aus der Zigarette. Es verhindert aber eine zusätzliche positiv erlebte Wirkung des Rauchens, da das Nicotin aus der Zigarette am blockierten Rezeptor keine Wirkung mehr entfalten kann. Dies soll für den Raucher zur Folge haben, dass er zwar keine Entzugssymptome spürt, jedoch auch keine Wirkung der Zigarette. Somit wird das Rauchen unattraktiv, das Rauchverhalten wird – lerntheoretisch gesehen – gelöscht. Insbesondere für starke Raucher sowie für Raucher, die mit den bisherigen Medikamenten nicht erfolgreich aufhören konnten, ist hier eine neue alternative medikamentöse Unterstützung gegeben. Die Daten aus den Studien sprechen für eine überlegene Wirksamkeit gegenüber Bupropion. Ein direkter Vergleich mit Nicotin wurde noch nicht vorgenommen, aufgrund der vorhandenen Daten ist aber davon auszugehen, dass Vareniclin mindestens so gut, wenn nicht noch besser ist, als alle anderen verfügbaren Medikamente. Allerdings sollte an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Tabakentwöhnung nach wie vor in erster Linie eine Verhaltensumstellung fordert. Nur eine Auseinandersetzung mit dem bisherigen Rauchverhalten, eine klare Abstinenzmotivation und die Vorbereitung von Bewältigungsstrategien für rückfallgefährliche Situationen sichern die langfristige Abstinenz. Jedes Medikament kann allenfalls in den ersten Wochen den Entwöhnungsprozess erleichtern. Bislang ist das Interesse an diesem Präparat hoch, wenngleich natürlich aufgrund der kurzen Dauer der Zulassung noch keine Erfahrungen zu langfristigen Erfolgen gegeben werden können.

DAZ

Als häufigste Nebenwirkungen wurden von den Probanden der Zulassungsstudien Übelkeit und Kopfschmerzen angegeben – wie bedeutsam ist dies für die Compliance in der Praxis?

Batra: Die bisher beobachteten Nebenwirkungen scheinen von den meisten Rauchern toleriert zu werden. Übelkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen treten im Vergleich zu Placebo unter Vareniclin am häufigsten auf. Allerdings sind die Abbruchquoten in den Studien nicht wesentlich höher gewesen als unter Placebo. Vermutlich werden diese Nebenwirkungen zwar wahrgenommen, allerdings als nicht so gravierend erlebt, als dass die Compliance hierdurch nachhaltig gestört würde. Ob weitere Nebenwirkungen in Zukunft berichtet werden, lässt sich noch nicht abschätzen. Das bisherige Nebenwirkungsprofil sieht eher günstig aus.

DAZ

Als Anwendungsdauer für Vareniclin werden zwölf Wochen empfohlen. Sollte man es bis dahin nicht geschafft haben, von der Zigarette loszukommen, ist es dann möglich, die Therapie länger fortzusetzen? Nutzt eine weitere Behandlung mit Vareniclin?

Batra: Empfohlen wird die zwölfwöchige Anwendung von Vareniclin. Sollte ein Raucher im Verlauf der Behandlung – wenn auch spät – abstinent geworden sein, so kann im Einzelfall eine Fortsetzung der Behandlung um weitere zwölf Wochen erwogen werden. Sollte allerdings bis zu diesem Zeitpunkt kein Erfolg erreicht worden sein, ist eine Fortsetzung der Behandlung mit Vareniclin vermutlich aussichtslos. Hier könnten – bei nachgewiesener Motivation des Rauchers – andere Techniken und Unterstützungen ausprobiert werden.

DAZ

Ist eine Kombination von Vareniclin mit anderen Therapien zur Raucherentwöhnung denkbar?

Batra: Eine Kombination von Vareniclin mit einer psychotherapeutischen Unterstützung (in Form einer verhaltenstherapeutischen Unterweisung) ist natürlich unerlässlich. In den bisherigen Studien wurde eine supportive Begleitung angeboten. Aufgrund vieler anderer Untersuchungen wissen wir, dass Medikamente in der Kombination mit einer verhaltenstherapeutischen Behandlung die höchsten Effekte aufweisen. Es gibt noch keine Untersuchungen zu Kombinationen von Vareniclin mit anderen zugelassenen Medikamenten zur Tabakentwöhnung. Eine Kombination mit Nicotin scheint angesichts des beschriebenen Wirkmechanismus von Vareniclin aus pharmakologischer Sicht wenig sinnvoll. Auf vorhandene Daten können wir an dieser Stelle jedoch nicht zurückgreifen. Gleiches gilt für Bupropion, auch hier liegen keine Daten vor. Angesichts des Wirkungsprofils von Bupropion (Mundtrockenheit, Schlafstörungen, Übelkeit) wäre zu befürchten, dass die Kombination verschiedener Medikamente auch eine Kombination verschiedener Nebenwirkungen zur Folge hat.

DAZ

Die Herausforderung bei der Raucherentwöhnung besteht ja darin, auch über einen längeren Zeitraum abstinent zu bleiben. Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit für einen langfristig erfolgreichen Ausstieg mit Vareniclin – auch im Vergleich zu Bupropion und den Nicotinersatzpräparaten – ein?

Batra: Die medikamentöse Behandlung hat natürlich immer das Problem der auf die Dauer der Anwendung beschränkten Wirksamkeit. Die Sucht wird hierdurch nicht kausal behandelt, lediglich die Entzugssymptomatik kann leichter überwunden werden. Insofern ist bei allen Medikamenten (Nicotinersatztherapie, Bupropion, Vareniclin) mit einer Rückfälligkeit nach Absetzen der Produkte zu rechnen. Hierin unterscheidet sich grundsätzlich Vareniclin nicht von Bupropion oder Nicotinersatzpräparaten. Langzeitbeobachtungen im Rahmen der vorhandenen Studien weisen allerdings darauf hin, dass der Vorteil von Vareniclin in der Effektivität gegenüber Bupropion auch nach 52 Wochen noch messbar ist.

DAZ

Was kostet eine zwölfwöchige Therapie mit Vareniclin im Vergleich zu Bupropion und zu den bisher zur Verfügung stehenden Nicotinersatzpflastern bzw. -kaugummis?

Batra: Die Behandlungskosten betragen bei einer zwölfwöchigen Anwendung ca. 330,00 Euro. Die Behandlungskosten liegen damit pro Tag bei ca. 3,60 Euro. Die Behandlung mit Bupropion (Zyban®) ist etwas günstiger und kostet etwa 2,60 Euro. Ähnliches gilt für die Nicotinersatzprodukte. Die Behandlungskosten für Vareniclin werden von den Kassen jedoch leider nicht übernommen. Die Raucher müssen die durch das Nichtrauchen eingesparten Gelder am Anfang ihrer Abstinenz in die Raucherentwöhnungsmedikation investieren.

DAZ

Herr Professor Batra, herzlichen Dank für das Gespräch!

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