DAX geht vor Quartalsberichten in Deckung

(hps). Kleine Kurserholungen, die sofort Gewinnmitnahmen nach sich ziehen – das ist das typische Szenario nach einem Ausverkauf an der Börse. Die Pessimisten nehmen vor allem den verhaltenen Ausblick der Unternehmen auf das kommende Jahr zum Anlass, selbst kleine Kursgewinne sofort wieder sicherzustellen. Die gute Nachricht: Der Zinssatz im Interbankenhandel sinkt – ein Zeichen, dass der Liquiditätsstrom wieder in Bewegung kommt.
Profis nehmen Gewinne mit und lecken ihre Wunden

Die Aktienmärkte verabschieden sich vom Thema Finanzkrise und widmen sich dem Schreckgespenst der Rezession. Die meisten Analysten halten die Gewinnprognosen für das 3. Quartal noch immer für zu hoch angesetzt. Mehr noch fürchten sie allerdings die Vorschau der Konzerne auf das 1. Quartal 2009. Diesbezügliche Enttäuschungen seien noch nicht eingepreist, so ist zu hören. Allerdings sah das bisherige Zahlenwerk gar nicht so übel aus. Nach IBM und Intel glänzten letzte Woche auch Honeywell, Google, Apple, McDonalds und Pfizer. Caterpillar, American Express und Dupont enttäuschten zwar, jedoch stehen dort selbst die reduzierten Gewinnprognosen in keinem Verhältnis zu dem bislang erlittenen Kursrutsch. Wirklich schlecht liefen bislang allerdings Yahoo, Boeing und Texas Instruments. Gerade solche Ergebnisse sind für einen Markt, der nach guten Gründen für Gewinnmitnahmen sucht, ein gefundenes Fressen.

Aus der Perspektive der Analysten

Die Stimmungslage der Experten lässt sich relativ leicht darstellen. Die einen rechnen noch mit neuen Jahrestiefständen beim DAX – dazu gehören z. B. die Analysten der DZ Bank und der Weberbank. Entsprechend defensiv ist auch ihre Strategie. Ihr Rat lautet: An guten Tagen verkaufen. Andere, wie beispielsweise die LBBW, gehen davon aus, dass der DAX sein Tief bereits gesehen hat. Eine schnelle Erholungsrallye halten jedoch auch sie für ausgeschlossen. Sie tippen für die nächsten Wochen eher auf eine Seitwärtsbewegung. Die Stuttgarter Ellwanger & Geiger gehören zu den wenigen Experten, die bei "Extremverwerfungen" konkret zum Einstieg raten. Die ganz überwiegende Zahl der Profis vermeiden indes kurzfristige Kursprognosen. Stattdessen werden immer mehr Empfehlungen mit Langfristcharakter veröffentlicht. "Buy"-Empfehlungen also, die per definitionem einen Kursanstieg von über 10 Prozent erwarten lassen. Den Instituten wird dabei wohl kaum entgangen sein, dass viele Aktien eine solche Größenordnung derzeit schon allein im Tagesgeschäft absolvieren.

Das Stimmungsbild des Analysten also eine einzige Tristesse? Nicht ganz. Warren Buffett, Multimilliardär und Lichtgestalt unter den Börsengurus, rät jetzt zum Einstieg und engagiert sich jetzt wieder selbst im großen Stil an der Börse.

Aktien im Fokus

Bei Linde ergibt sich bei einem 10%igen Aufschlag auf den Einstandskurs ein Verkaufslimit von 67,50 Euro. Dieses wurde letzten Dienstag nur knapp verpasst. In dieser Woche setzen wir per Handelsbeginn am Donnerstag (23. Oktober) auf fallende Kurse bei VW mit dem Put-Optionsschein der Citygroup, Basis 220 Euro, Fälligkeit am 15. Dezember 2008. (WKN CG0WMZ). VW notiert derzeit bei knapp 240 Euro. Dieses Kursniveau wird allgemein als völlig überzogen angesehen. Das Rückschlagpotenzial der Aktie wird bis auf 60 Euro eingestuft. DAX am 22. Oktober (16.30 h): 4560 Punkte..

MusterdepotAktiezum KursTipp vomKurs aktuellVeränderung in %StrategieInfinion 5,446.8. 6,10+ 12%Verkauft 27.8.SAP 34,4017.7. 38,07+ 11%Verkauft 27.8.Lufthansa 14,159.7. 15,45+ 9%Verkauft 3.9.Daimler 39,1517.7. 42,05+ 7%Verkauft 3.9.Adidas 38,802.7. 39,39+ 2%Verkauft 24.9.Bayer 55,446.8. 54,20– 2%Verkauft 24.9.Commerzbank 9,968.10. 11,00+ 10%Verkauft 9.10.ThyssenKrupp 16,308.10. 18,00+ 10%Verkauft 13.10.Commerzbank 18,852.7. 10,20– 46%KaufenAllianz 108,802.7. 67,00– 38%HaltenTUI 14,709.7. 8,50– 42%HaltenBASF 40,5517.7. 23,70– 42%HaltenThyssenKrupp 33,7023.7. 15,30– 54%HaltenLinde 61,2316.10. 61,20+/– 0%Limit 67,50zum Vergleich: DAX seit 2. 7.6305,00 4560,00– 28%

Aus der Sicht des Querdenkers

Die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Finanzmarkt-Turbulenzen wurden durch die zahlreichen Rettungspakete weltweit vorerst besänftigt. Die Unternehmensmeldungen sind bislang phasenweise sogar recht vernünftig ausgefallen, so dass sich der bislang erlittene Kursrutsch an den Börsen häufig als überzogen darstellt. Unterstützend wirkt zudem, dass die Zinssätze im Interbankenhandel nun tatsächlich nachgeben, was auf eine Entspannung am Interbankenmarkt hindeutet. Der Geldverleih kommt also langsam wieder in Schwung – wahrscheinlich die bislang beste Nachricht für die Börse. Kurzfristig deutet somit vieles darauf hin, dass die Börse ihren Boden bei rund 4200 DAX-Punkten erneut testen und verteidigen wird. Danach könnte der DAX, wenn auch zaudernd, sein Potenzial bis 5500, eventuell sogar bis 6000 Punkte ausreizen.
Mittelfristig jedoch ist die Lage trostlos. Der DAX bliebe selbst nach einer solchen Kurserholung im Abwärtstrend. Ein Ausbruch nach oben ist unter den gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unwahrscheinlich. Das Problem dabei: Die Schäden, die die Kreditkrise verursacht hat, sind bislang noch nicht richtig in der Realwirtschaft angekommen und werden wohl erst im kommenden Jahr sichtbar. Es kann also gut sein, dass die Unternehmensberichte zum 4. Quartal 2008 uns noch eine relativ heile Welt vorgaukeln, der wahre Absturz bei den Gewinnen sich aber erst im Verlauf des kommenden Jahres einstellen wird. Die Entspannung im Interbankenhandel, so ist zu befürchten, kommt zu spät und wird die Situation nicht mehr retten können. Hauptbetroffene sind die Amerikaner. Das Weihnachtsgeschäft hat man in den USA, bevor es überhaupt angefangen hat, bereits schon abgeschrieben. Die Konzerne werden auf die Kostenbremse treten und Mitarbeiter entlassen. Den Anfang machten bereits Yahoo und die Bank of America, wo mehrere tausend Mitarbeiter gehen müssen. Auch bei Merck müssen aktuell über 7000 Mitarbeiter ihren Hut nehmen.
Nun konnten die Amerikaner in vergleichbaren Situationen früher immer noch auf Gewinne bei ihren Aktien oder Immobilien zurückgreifen. Das wird diesmal nicht möglich sein. Und die amerikanische Sparquote liegt bekanntlich bei Null. An Kredite kommt der Normalbürger nach der jüngsten Verschärfung der Kreditrichtlinien ebenfalls kaum mehr heran. Welche Branchen werden also als erstes fallen? An vorderster Front mit Sicherheit die Automobilhersteller. Man rechnet damit, dass von den großen drei Herstellern GM, Ford und Chrysler nur noch einer übrig bleiben wird. Noch schlimmer wird es für die Zulieferer und Autohändler. Gleich danach wird die Krise den Handel erreichen. Die Touristikindustrie leidet ebenfalls unter der Konsumschwäche. Und bei den Finanzinstituten wird das Kesseltreiben weiter gehen. Und wie werden die Auswirkungen auf Deutschland und Europa eingeschätzt? Katastrophal, geht es nach dem Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter. Seiner Ansicht nach wird Deutschland im kommenden Jahr wirtschaftlich genauso leiden wie die USA. Schlechte Nachrichten also? Für die Wirtschaft auf jeden Fall. Für die Börse – bedingt. Die Situation erinnert an den Abschwung der japanischen Börse. Der Nikkei-Index lag 1987 noch bei rund 40.000 Punkten. Heute notiert er nicht einmal 9000 Punkte. Trotzdem verbuchten die großen Exporteure deutliche Kursgewinne. Ein ähnlich selektives Vorgehen ist auch bei den deutschen Werten zu erwarten. Insbesondere die Hersteller von Investitionsgütern werden auf der Sonnenseite zu finden sein. Bald trennt sich die Spreu vom Weizen.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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