DAX auf Kurs Richtung 5800 Punkte

(hps). Nach dem Notverkauf des Brokerhauses Bear Stearns und der Verstaatlichung der beiden großen Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac ist nun das Investmenthaus Lehman Brothers pleite. Mitbewerber Merrill Lynch fällt an die Bank of America. Gut ein Jahr nach dem Ausbruch der Kreditkrise sind damit nur noch zwei der ehemals fünf großen Investmentbanken der USA übrig: JP Morgan und Goldman Sachs.

Kreditkrise zwingt das deutsche Börsenbarometer unter die 6000er Marke

"Erst wenn die Flut zurückgeht, zeigt sich, wer nackt geschwommen ist" – ein Zitat von US-Milliardär Warren Buffet. Nun herrscht Ebbe an den Finanzmärkten. Und es sind interessanterweise gerade die ansonsten so adrett gekleideten Herrschaften, die sich jetzt die Blöße geben. Inzwischen mussten bereits drei der fünf größten US-Investmentgesellschaften die Segel streichen. Auch die American International Group (AIG), einst die größte Versicherungsgesellschaft der Welt, war nur noch durch eine staatliche Intervention aufzufangen. "Wenn es Firmen wie Lehman und AIG an den Kragen geht, ist nichts mehr sicher", so ein Händler. Insbesondere unter den kleineren Instituten dürfte es daher wohl noch zahlreiche Opfer geben. Das rief die amerikanische Notenbank (FED) auf den Plan. Von ihr erhoffte man sich in dieser kritischen Situation billigeres Geld. Aber: Die Herrschaften um FED-Chef Bernanke widerstanden diesmal der Versuchung, den Börsianern nach dem Mund zu reden. Zur Begründung führte die FED an, dass für sie die Sorge um die Inflation ebenso schwer wiegt wie die Bedenken hinsichtlich der Wirtschaftslage. Die Aktien honorierten dies mit einer kleinen Verschnaufpause, um danach wieder zusammenzuklappen. Für einen groß angelegten Einstieg ist derzeit kaum ein Investor zu gewinnen.

Die Perspektive der Analysten

Mit dem Bruch der 6000er Marke beim DAX verabschiedeten sich auch die Optimisten aus dem Markt. Nach dem Lehman-Zusammenbruch scheint es den Analysten zudem an berechenbaren Parametern zu mangeln. Kurzum: Die Stunde der Charttechniker ist angebrochen. Pessimisten fürchten nun Rückschläge bis auf rund 5200 Punkte. Dazu gehören auch die Experten der Postbank. Sie sehen den DAX bei ca. 5500 Punkten. Analysten der WGZ-Bank fürchten den schwachen Euro. Sie rechnen damit, dass amerikanische Anleger ihre Aktienbestände in Europa aus Furcht vor Währungs-verlusten reduzieren und damit eine Verkaufswelle auslösen könnten. Unter diesen Umständen kalkulieren sie mit einem Rückschlag bis auf 5650 DAX-Punkte. Da nimmt die LBBW-Bank mit ihrer 5800-Punkte-Prognose noch eine vergleichsweise optimistische Haltung ein.

Aktien im Fokus

Ein Teil der Ernte wurde bereits wohlweislich eingebracht. Für den Rest gilt: Augen zu und durch. Auffällig ist die relative Stärke bei Bayer einerseits, sowie die schwache Form bei Commerzbank und ThyssenKrupp auf der anderen Seite. Das Bankenbündnis von Commerzbank und Dresdner Bank kam zur Unzeit und findet derzeit keine Zustimmung. Als zweitgrößte Bank Deutschlands ist die Commerzbank aber stark unterbewertet. ThyssenKrupp ist ein schwankungsfreudiger Zykliker. Sein Comeback hängt an den Rohstoffpreisen.

DAX am 17. September (17.00 h): 5893 Punkte..

Aktiezum KursTipp vomKurs aktuellVeränderung in %StrategieInfinion 5,446.8. 6,10+ 12%Verkauft 27.8.SAP 34,4017.07. 38,07+ 11%Verkauft 27.8.Lufthansa 14,159.7. 15,45+ 9%Verkauft 3.9.Daimler 39,1517.07. 42,05+ 7%Verkauft 3.9.Commerzbank 18,852.7. 14,30– 24%Halten Allianz 108,802.7. 100,30– 7% Limit 119 EuroAdidas 38,802.7. 37,30– 4%Limit 42,70TUI 14,709.7. 12,00– 11%Halten BASF 40,5517.07. 35,20– 18%Halten ThyssenKrupp 33,7023.07. 25,60– 24%Halten Bayer 55,446.8. 56,34+ 2%Halten zum Vergleich: DAX seit 2. 7.6305,00 5893,00– 7%

Aus der Sicht des Querdenkers

Nur ca. fünf Jahre hatte der DAX gebraucht, um von rund 2200 Punkten im März 2003 auf über 8000 Punkte zur Jahreswende 2007/08 zu klettern. Ein imposanter Anstieg, dem nun eine Pause folgt. Wie immer bei solchen Gelegenheiten, melden sich die Untergangspropheten zu Wort. Das gesamte Finanzsystem stünde diesmal auf der Kippe. Nun, es wäre nicht das erste Mal. Bereits vor knapp 20 Jahren erlebte die Börse eine ähnliche Bankenkonsolidierung.
Nüchtern betrachtet muss man doch konstatieren, dass sich der Rückzug an der Börse in geordneten Bahnen vollzieht. Die Anleger finden sogar den Mut, Werte wie Bayer oder SAP (siehe Tabelle) kräftig nach oben zu setzen. Kein Vergleich mit der Baisse von 1987. Die Jung-Broker, die hier schon vom "Crash" reden, kennen den richtigen Niedergang nur aus dem Bilderbuch. Sie haben keine Nerven und verfügen über nur wenig Erfahrung.
Wir befinden uns in einer ganz normalen Korrekturphase, die noch nicht einmal voll ausgeschöpft ist. Freilich hat das Tagesgeschäft für die Profis ein paar böse Überraschungen auf Lager. "Too big to fail", so die landläufige Meinung in Amerika: Häuser wie Lehman Brothers seien einfach zu groß, um sie untergehen zu lassen. Weit gefehlt. Lehmans Hilferuf nach Unterstützung wurde ignoriert. Die Investmentbank wurde filetiert, Teile davon wurden von der Barclays Bank übernommen. Die Rettung von Lehman & Co ist indes nicht das Thema. Das wahre Problem ist der US-Immobilienmarkt. Die Bankenpleite wird solange weitergehen, bis sich am Häusermarkt die ersten Käufer zurückmelden. Dann wird es interessant, denn die Börsen werden postwendend mit einer kräftigen Aufwärtsbewegung antworten – wovon freilich momentan noch keiner reden mag. Aber der globale Handel ist nicht tot, das Öl inzwischen relativ weit zurückgekommen und Geld reichlich vorhanden. Man sollte daher den anvisierten Korridor von 5700 bis 5800 DAX-Punkten im Auge behalten. Das sieht nach einem lukrativen Investment aus, auch wenn derzeit noch keine konkreten Indizien für eine Trendwende auszumachen sind. Weit ist dieser Punkt aber nicht mehr entfernt.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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