DAX: Des Bären letzter Auftritt?

(hps). Es ist die alte Leier: Die Konjunkturzahlen sind mies und die Unternehmensausblicke bestenfalls verhalten. Die beste Chance der Optimisten scheint wohl darin zu liegen, dass sich die Bären mit ihrem ewig gleichen Lamento bald zu Tode langweilen. Immerhin ist der neuerliche, große Ausverkauf bislang ausgeblieben. Sind die Tage der Pessimisten gar gezählt?

Skeptiker noch in der Überzahl, aber der Verkaufsdruck nimmt ab

Das düstere Konjunkturbild lässt Anleger regelrecht im Pessimismus versinken. Die Arbeitslosenzahlen in den USA steigen kontinuierlich an, was für den Konsum nichts Gutes erwarten lässt. Selbst die Wahl von Obama zum Präsidenten der USA oder das relativ kräftige Konjunkturprogramm in China konnte zunächst nur vorübergehend zur Verbesserung der Gemütslage beitragen. Nun ist die Rezession eine Konjunkturphase, die von der Stimmungslage der Konsumenten ganz entscheidend beeinflusst wird. Und gerade hier lassen die Verantwortlichen derzeit wirklich keine Gelegenheit aus, um sich gegenseitig in ihrer Schwarzmalerei zu überbieten. Allen voran der Internationale Währungsfonds (IWF), der neuerdings die gesamte Welt in eine Rezession stürzen sieht. Kollektives Jammern ist angesagt. Möglicherweise erweist sich da am Ende die Wahl des Charismatikers Obama von psychologisch nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Die Perspektiven aus Analystensicht

Schlechte Quartalsergebnisse, düstere Konjunkturaussichten, und die Angst vor dem Verkaufsdruck seitens angeschlagener Hedge Fonds – die Analysten bedienten sich auch letzte Woche der gleichen Wortwahl und kamen daher fast einhellig zum selben Ergebnis wie die Landesbank Berlin: Es droht ein erneuter Rückfall in Richtung der Jahrestiefstände. Aktien seien nur in "Schwächephasen" ein Kauf. Die Experten des Allianz Global Investors sehen ebenfalls den Tiefpunkt an der Börse noch nicht ausgelotet und raten den Anlegern zur Abstinenz. Auch der ehemalige US-Notenbankchef Greenspan sieht die Kurse weiter fallen. Der Leiter der Aktien bei den Deka Fonds zieht dagegen immerhin eine kleine Bärenmarktrallye in Betracht. Exemplarisch für die momentane Stimmungslage scheint die Ansicht der Analysten der Bremer Landesbank und der DZ Bank zu sein. Dort erwartet man zunächst schwierige Wochen in Folge der unsicheren Unternehmensausblicke, danach aber höhere Kurse. Eine solche Einschätzung wirft allerdings Fragen auf: Wenn die Anleger nach dem Zahlenreigen steigende Kurse erwarten, warum dann noch mit den Zukäufen warten? Und in Hinblick auf den Herdentrieb der Pessimisten: Was, wenn die Leitbörse New York eine andere Richtung einschlägt? Das wird spannend.

Aktien im Fokus

Infineon ist am 5. November per Schlusskurs mit 17% Plus aus dem Musterdepot ausgeschieden und das Engagement bei TUI wurde ebenfalls mit Minus 28% beendet. Bei BASF wird das Verkaufslimit aufgehoben – da ist noch mehr drin.

Letzte Woche war Shopping angesagt: Zum Anfangskurs am Donnerstag (13. November) wurde gekauft: Erneut Linde als fundamental überzeugender Wert. Die positive Jahresprognose wurde hier vom Konzern bestätigt. Deutsche Börse AG und Adidas sehen technisch gut aus, kommen aber auch fundamental gut weg. DAX am 12. November (Schluss): 4620 Punkte..

MusterdepotAktiezum KursTipp vomKurs aktuellVeränderung in %StrategieInfineon 5,446.8. 6,10+ 12%Verkauft 27.8.SAP 34,4017.7. 38,07+ 11%Verkauft 27.8.Lufthansa 14,159.7. 15,45+ 9%Verkauft 3.9.Daimler 39,1517.7. 42,05+ 7%Verkauft 3.9.Adidas 38,802.7. 39,39+ 2%Verkauft 24.9.Bayer 55,446.8. 54,20– 2%Verkauft 24.9.Commerzbank 9,968.10. 11,00+ 10%Verkauft 9.10.ThyssenKrupp 16,308.10. 18,00+ 10%Verkauft 13.10.Linde 61,2316.10. 67,50+ 10%Verkauft 3.11.TUI 14,709.7. 10,59- 28%Verkauft 5.11.Infineon 2,4630.10.2,87+ 17%Verkauft 5.11.Commerzbank 18,852.7.7,00- 62%HaltenAllianz 108,802.7. 56,60– 42%HaltenBASF 40,5517.7. 25,60– 46 %HaltenThyssenKrupp 33,7023.7. 13,30– 60%KaufenBayer 44,3130.10. 40,20– 9%HaltenTelekom 11,8930.10. 11,20– 5%HaltenRWE 64,0030.10. 64,80+ 1%Limit 70 Eurozum Vergleich: DAX seit 2. 7.6305,00 4620,00- 27%

Aus der Sicht des Querdenkers

Bären leben mitunter gefährlich. Und das nicht nur in Bayern. Auch die Pessimisten an der Börse sollten langsam auf der Hut sein. Die Gewinnmitnahmen nach der Wahl Obamas und die kräftige Konjunkturspritze der chinesischen Regierung haben längst nicht mehr das Volumen und die Abwärtsdynamik, die man noch vor ein paar Wochen beobachten konnte. Da scheint also schon eine Menge an schlechten Nachrichten in den Kursen eingepreist zu sein. Die Bären sollten aber auch aufpassen, dass sie nicht dem vorweihnachtlichen, hoffnungsvollen Streben nach Harmonie und Frieden zum Opfer fallen. Wenn sich die Akteure schon Auge um Auge mit der Christbaumkugel sehen, verklärt sich ihr Blick und produziert oft die merkwürdigsten Kurssprünge. Da haben wir schon zum Ausklang des letzten Jahres bei einem DAX-Stand von 8000 die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Natürlich haben die Pessimisten Recht mit ihrem Einwand, dass dieses Mal aus fundamentaler Sicht alles gegen einen Kursanstieg spricht. Aber Zahlen lassen sich – mit etwas gutem Willen – auch uminterpretieren. Als völlig losgelöster Bulle könnte man argumentieren: Die Zinsen streben weltweit gegen Null, die Inflation ist rückläufig und das Öl so billig wie schon lange nicht mehr. Die höhere Arbeitslosigkeit bedeutet, dass die Firmen ihre Kosten senken und damit ihre Gewinnmargen wieder aufbessern. Und dann gibt es natürlich noch Obama. Man geht immer hoffnungsfroh ins neue Jahr – und Obama ist der Hoffnungsträger. Also, liebe Bären, aufgepasst: Das leise Donnern, das ihr da aus der Ferne wahrnehmt, stammt möglicherweise gar nicht von den Anlegern, die ihr scharenweise in die Flucht geschlagen habt. Es könnte sich vielmehr um das Hallen der Hufe einer herannahenden Bullenherde handeln. Als Anleger sollte man diese Option zumindest in Betracht ziehen. Nicht obwohl, sondern gerade weil sie derzeit niemand auf der Rechnung hat. Also weg mit dem Bärenfell und die Pessimisten aufs Horn nehmen!
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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