DAX gibt erstes Lebenszeichen von sich

(hps). Die Börse ganz im Fieber um die Kurskapriolen bei VW. Einmal verleihen die Wolfsburger dem DAX Flügel, dann wieder holen sie den Leitindex mit brachialer Gewalt auf den Boden der Tatsachen zurück. Wer indes genauer hinschaut, wird breit angelegte Käufe bei den DAX-Werten entdecken.
DAX hofft und leidet mit den Turbulenzen um die VW-Aktie

Es ist ja nicht so, als gäbe es nur noch Hiobsbotschaften von der Unternehmensfront und aus Wirtschaft. So sind die Verkaufszahlen der US-Eigenheime letzten Monat erstmals um über 5% geklettert, während der Angebotsüberhang offensichtlich langsam abgebaut wird. Dies ist freilich den niedrigen Preisen durch die Zwangsvollstreckungen zuzuschreiben – aber immerhin. Das amerikanische Telekommunikationsunternehmen Verizon hat im dritten Quartal einen Gewinnanstieg von 32% gemeldet. Das klingt zumindest nicht unbedingt nach einer Weltwirtschaftskrise. Und trotzdem werden solche Meldungen nach wie vor von Mollklängen übertönt. Neben der Angst vor einer Rezession ist es nun vor allem die Angst vor einer Abgabewelle durch Investmentfonds, die die Anleger verunsichern. Der Kapitalabfluss bei den Fonds nimmt immer mehr zu, was die Institutionellen dazu veranlasst, größere Aktienpositionen aufzulösen, um damit für Liquidität zu sorgen. An der Börse scheint eine Schreckensnachricht die andere zu jagen.

Aus der Perspektive der Analysten

Bestenfalls ein Aufflackern der Kurse erwarten die Profis der WestLB vor dem Hintergrund der schlechten Gewinnaussichten der Unternehmen und des allgemeinen Wirtschaftsabschwungs. Das meinen auch die Analysten der Landesbank Berlin. Sie erwarten sogar neue Jahrestiefs beim DAX. Auch die DZ-Bank untermauert diese These und wähnt dabei insbesondere den Technologie- und Energiesektor wegen der Konjunkturschwäche bzw. dem fallenden Ölpreis unter Druck. Auch die Weberbank will selbst im Falle einer technischen Erholung von einem Einstieg in die DAX-Werte nichts wissen. Die MM Warburg Bank wittert zwar eine Zinssenkung durch die US-Notenbank, vermutet dahinter aber nur ein kurzes Strohfeuer für die Börse. Und schließlich die technischen Analysten: Sie haben keine große Hoffnung, dass die 4000er Marke im DAX den Fall der Kurse nachhaltig aufhalten wird. Stattdessen spekulieren sie auf ein Ende mit Schrecken – den kräftigen Ausverkauf, der bei rund 3800 Punkten schließlich die Wende zum Besseren herbeiführen soll.

Thema der Woche: Die VW-Aktie

Die Ankündigung aus dem Hause Porsche war an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Man wolle den Investoren Gelegenheit geben, "in Ruhe und ohne Risiko" ihre Leerverkäufe-Positionen aufzulösen, so verlautetet es aus der Stuttgarter Zentrale am Sonntag vor einer Woche. Hintergrund: Porsche will seinen Anteil bei VW auf 75% aufstocken, um bei den Wolfsburgern einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag durchsetzen zu können, und kaufte deshalb an der Börse die Anteile der Wolfsburger fleißig auf. Dabei waren diejenigen Investoren, die mit so genannten Leerverkäufen auf fallende Kurse bei VW gesetzt hatten, nun gezwungen, sich zu jedem Preis einzudecken. Da derzeit jedoch nur noch eine geringe Zahl an VW-Papieren tatsächlich verfügbar ist – man rechnet mit nur noch knapp 6% der Stimmrechte im Streubesitz – schoss der Kurs der VW-Aktie durch die Decke. Zeitweise notierte sie über 1000 Euro. Klaus Kaldemorgen, Chef des DWS-Fonds der Deutschen Bank, wirft Porsche unverblümt Kursmanipulation vor. Wie dem auch sei – die Ankündigung des Sportwagenherstellers hatte jedenfalls gravierende Konsequenzen: Neben den umfangrei-chen Eindeckungen der Leerverkäufer mussten auch unterinvestierte Investmentfonds, die den DAX zur Bezugsgröße haben, VW-Aktien nachkaufen, um mit der Performance des Leitindex einigermaßen Schritt halten zu können. Das dürfte den Porsche-Managern gut ins Konzept gepasst haben, denn die Stuttgarter verfügen über VW-Kaufoptionen, die nun im Preis förmlich explodiert sind. Und die Differenz zwischen dem Bezugskurs der Option und dem aktuellen Börsenkurs könnte Porsche – wenigstens teilweise – liquidieren. Dabei reden wir über eine Größenordnung von mindestens 50 Mrd. Euro. Letzten Mittwoch fing Porsche dann tatsächlich an, die Kaufoptionen zu liquidieren – der VW-Kurs brach daraufhin um 40% ein.

Ob Porsche dieses Manöver wirklich schadlos überlebt, ist indes nicht sicher. Herr Kaldemorgen taxiert den tatsächlichen Wert der VW Aktie auf rund 50 Euro. Morgan Stanley auf knapp 70 Euro. Heftige Kursverluste bei VW sind also nur eine Frage der Zeit. Womit sich die Frage stellt: Wie wird die Börse auf die Bewertungsverluste bei Porsche reagieren, wenn derart überzogene Kaufkurse erst einmal in den Büchern stehen und der VW-Kurs danach heftig einbricht? Ganz abgesehen von dem politischen Gegenwind, dem sich der Konzern jetzt gegenüber sieht. Wer hoch steigt, kann tief fallen. Firmenchef Wendelin Wiedeking kennt offensichtlich nur den steilen Aufstieg. Und am Rande bemerkt: In einem persönlichen Gespräch mit dem Geschäftsführer der Stuttgarter Börse legte dieser dar, wie einfach es derzeit für Porsche ist, die vom Gesetz vorgesehene Meldepflicht für den Erwerb von Unternehmensanteilen zu umgehen. Im Normalfall müssen solche Käufe schrittweise gemeldet werden, wenn ein Unternehmen 5, 10, 15 usw. Prozent der Stimmrechte eines anderen Unternehmens erwirbt. Sichert sich jedoch ein Unternehmen – wie im Fall Porsche geschehen – die Anteile über Kaufoptionen, entfällt diese Meldepflicht. Porsche muss sich erst als Mehrheitseigner outen, wenn die Kaufoptionen tatsächlich eingelöst werden. Eine klare Gesetzeslücke, wie sich nun zeigt.

Aktien im Fokus

Unser VW-Put Optionsschein hätte wohl 2,66 Euro gekostet. Der Schein hätte rund 5 Euro gebracht – notierte allerdings zwischenzeitlich auch nahe Null. Und dieser Put würde vielleicht auch noch gutes Geld bringen – wenn man ihn nur auch bekommen hätte. Sämtliche Anbieter von VW-Optionsscheinen bieten erst gar keinen Kauf- bzw. Briefkurs mehr an. Andere stellen zwar einen Briefkurs ein, der liegt dann allerdings beim Drei- bis Fünffachen über dem Geld- bzw. Rückkaufkurs. Normal wären hier 10% Aufschlag. Ganz klar: Die Banken wollen sich hier auf keinerlei Abenteuer einlassen und verkaufen solche Scheine erst gar nicht. Und dies scheint ja auch ein Krieg unter den ganz Großen zu sein. Porsche kämpft hier mit harten Bandagen. Da hat man als kleiner Privatanleger nichts verloren.

Aufgenommen zum Anfangskurs am Donnerstag (30. 10.) werden Bayer, Telekom, Infineon und RWE. Telekom und RWE dürften dabei als "Defensivtitel" geschätzt werden. Für Bayer und Infineon spielt dagegen eher die gute charttechnische Kon-stellation eine Rolle. DAX am 29.10. (21.00 h Xetra): 4775 Punkte..

MusterdepotAktiezum KursTipp vomKurs aktuellVeränderung in %StrategieInfinion 5,446.8. 6,10+ 12%Verkauft 27.8.SAP 34,4017.7. 38,07+ 11%Verkauft 27.8.Lufthansa 14,159.7. 15,45+ 9%Verkauft 3.9.Daimler 39,1517.7. 42,05+ 7%Verkauft 3.9.Adidas 38,802.7. 39,39+ 2%Verkauft 24.9.Bayer 55,446.8. 54,20– 2%Verkauft 24.9.Commerzbank 9,968.10. 11,00+ 10%Verkauft 9.10.ThyssenKrupp 16,308.10. 18,00+ 10%Verkauft 13.10.Commerzbank 18,852.7. 7,70– 59%KaufenAllianz 108,802.7. 61,00– 44%HaltenTUI 14,709.7. 8,77– 40%HaltenBASF 40,5517.7. 25,00– 38%HaltenThyssenKrupp 33,7023.7. 13,70– 59%HaltenLinde 61,2316.10. 61,00+/– 0%Limit 67,50zum Vergleich: DAX seit 2. 7.6305,00 4775,00– 24%

Aus der Sicht des Querdenkers

Ende September wurde an dieser Stelle die Vermutung geäußert, dass der Börsenmonat Oktober recht ungemütlich werden könnte. Nun, er wurde tatsächlich ziemlich holprig. Und es ist bezeichnend, dass der letzte Handelstag in diesem Schreckensmonat auf Halloween fällt. Aber gut. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass der DAX in diesem Umfeld aus dem Stand die Kehrtwende zum Aufschwung schafft. Die Latte muss auch gar nicht so hoch hängen, denn auch eine Kurserholung innerhalb eines so genannten Bärenmarktes – also eines übergeordneten Abwärtstrends – dürfte für ein Kursplus von ca. 30 bis 50% gut sein. 5500 DAX-Punkte sind da schon drin. Da lohnt es sich allemal, den DAX dabei zu begleiten. Die Akteure jammern ja grundsätzlich immer dann, wenn alle anderen auch jammern. Aber dieser zur Schau getragene Pessimismus weiß zwischenzeitlich nicht mehr so recht zu überzeugen. So ist beispielsweise augenfällig, dass eine SAP, die nun letzte Woche tatsächlich schlechte Zahlen ablieferte, sich danach um 5% nach oben bewegte. Die Anleger haben offenkundig realisiert, dass man bei dem zurückliegenden Ausverkauf doch deutlich übertrieben hatte. Es ist eben alles in Relation zur gegenwärtigen Preisbasis zu sehen. Selbst die anstehende Zinssenkung durch die amerikanische Notenbank wäre im Normalfall ein "Non-Event", weil sie an der derzeitigen wirtschaftlichen Malaise nichts ändert. Sie dürfte aber innerhalb einer Kurserholung sehr wohl hilfreich sein. Beachtlich auch die Kurssprünge bei Werten wie Siemens, Telekom, Metro oder BASF. Die Schnäppchenjäger sind bereits auf der Jagd.
Spekulieren wir also auf die Erholung. Und das in dem Bewusstsein, dass die Bären sicher später nochmals zum Tanz bitten werden. Durch eine Kurserholung wird nichts gut. Nichts ist dadurch im Reinen. Wir nutzen lediglich die Tradingchancen, die per se allerdings beachtlich sind.
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.

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