DAX profitiert vom "Obama-Effekt"

(hps). Politische Börsen haben kurze Beine – die Börsenweisheit scheint sich derzeit zu bestätigen, nachdem die Aktienmärkte schon während des US-Präsidentschaftswahlkampfes einen Sieg Obamas vorweggenommen hatten. Nun gewinnen die wirtschaftlichen Probleme wieder an Bedeutung. Doch so ganz sang- und klanglos werden die Bullen wohl doch nicht einfach verschwinden.

DAX brennt Kursfeuerwerk ab – dennoch keine schnelle Trendwende in Sicht

Die kräftigen Kursgewinne der letzten Woche stehen jetzt natürlich im krassen Widerspruch zu den aktuellen konjunkturellen Daten. Der Aktienmarkt ist schon viel weiter als die Unternehmensprognosen der Analysten – und das verunsichert manche Marktteilnehmer. Mit der Berichtssaison voll im Gange dürften die Anleger dabei noch den ein oder anderen Nackenschlag einstecken müssen. Respekt einflößend wirkt auch der Verkaufsdruck, der derzeit offensichtlich von Investmentfonds und Versicherern ausgeht. Weil ihnen scharenweise die Anleger davon laufen, steigen sie im großen Stil aus den Aktienmärkten aus. Ein positiver Faktor scheint dagegen aus der Politik zu kommen: Erfahrungsgemäß schaffen US-Präsidentschaftswahlen für gewisse Zeit ein stabiles Börsenumfeld. Von Obama wird viel erwartet, und so manches an Vertrauensvorschuss hat die Börse bereits eingepreist. Dennoch dürfte der Börsenzug kurzfristig noch weiter Richtung Norden rollen.

Aus der Perspektive der Analysten

Einige Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Gewinne der letzten Woche mehrheitlich auf das Konto Bilanzkosmetik" der Fondsgesellschaften gehe und die Kurserholung bereits bei rund 5000 Punkten an ihrem oberen Ende angekommen sei. In diesem Sinne will beispielsweise die Landesbank Berlin von Bodenbildung an der Börse gar nicht erst reden. Die meisten Analysten gehen indes in den kommenden Wochen eher von einem Seitwärtstrend aus. Die Landesbank Baden-Württemberg sieht hierbei eine Spanne von 4500 und 5000 DAX-Punkten. Dabei sehen die meisten den "Obama-Effekt" bereits wieder abklingen.

Einig sind sich die Experten indes in einem: Der momentane Kursaufschwung wird nicht nachhaltiger Natur sein. Das meint auch das Brokerhaus Lang & Schwarz, sieht aber zumindest die Tiefstände als überwunden an. Diese Ansicht ist derzeit allerdings nicht mehrheitsfähig. Pessimisten verweisen auf die vielen Anleger, die den Absprung nicht rechtzeitig geschafft hatten und auf die die Kurse über 5000 DAX-Punkte wie eine Einladung zum Verkaufen wirken müssten.

Charttechniker verweisen darauf, dass der Abwärtstrend erst mit Überwinden der 6200er Marke im DAX beendet wäre. Von einer endgültigen Bodenbildung wollen daher auch sie nicht reden. Der Königsweg scheint nach Einschätzung der Analystengilde im Kauf von "defensiven Titeln" zu liegen. Werte also, die nur im geringen Maße am Konjunkturverlauf hängen. Gemeint sind Aktien aus der Telekommunikation und dem Pharmabereich, namentlich die Telekom und Bayer.

Aktien im Fokus

Linde ist im zweiten Anlauf mit Limit 67,50 Euro am letzten Montag glattgestellt worden. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel – auch nicht am Frankfurter Parkett. Es werden daher weitere Positionsglattstellungen vorgenommen: Infineon ist gut gelaufen und wird zum Börsenschluss am Mittwoch verkauft. RWE wird mit einem Limit von 70 Euro zum Verkauf gestellt. Bei TUI ist die schmerzhafte Konsequenz eines missratenen Einstiegs zu ziehen, der Wert wird liquidiert. Die Aktie hat sich inzwischen seit ihrem Tiefstand im Oktober um etwa 30% erholt. Auch BASF wird glattgestellt mit Limit 29 Euro, nachdem sich die Aktie um fast 50% von ihrem Tief absetzten konnte. DAX am 5. 12. (16.00 h): 5204 Punkte..

MusterdepotAktiezum KursTipp vomKurs aktuellVeränderung in %StrategieInfineon 5,446.8. 6,10+ 12%Verkauft 27.8.SAP 34,4017.7. 38,07+ 11%Verkauft 27.8.Lufthansa 14,159.7. 15,45+ 9%Verkauft 3.9.Daimler 39,1517.7. 42,05+ 7%Verkauft 3.9.Adidas 38,802.7. 39,39+ 2%Verkauft 24.9.Bayer 55,446.8. 54,20– 2%Verkauft 24.9.Commerzbank 9,968.10. 11,00+ 10%Verkauft 9.10.ThyssenKrupp 16,308.10. 18,00+ 10%Verkauft 13.10.Linde 61,2316.10. 67,50+ 10%Verkauft 3.11.Commerzbank 18,852.7. 9,70- 52%HaltenAllianz 108,802.7. 71,00– 34%HaltenTUI 14,709.7. 10,40– 29%VerkaufenBASF 40,5517.7. 27,60– 38 %Limit 29 EuroThyssenKrupp 33,7023.7. 15,45– 54%KaufenBayer 44,3130.10. 42,75– 3%HaltenTelekom 11,8930.10. 11,60– 2%HaltenInfineon 2,4630.10. 2,78+ 13%VerkaufenRWE 64,0030.10. 68,60+ 7%Limit 70 Eurozum Vergleich: DAX seit 2. 7.6305,00 5204,00- 17%

Aus der Sicht des Querdenkers

Inzwischen ist der DAX der hier dargestellten Prognose von 5500 Punkten recht nahe gekommen – und die Optimisten sind nach wie vor am Ruder. Die Realwirtschaft ist in der Krise, aber einige Investoren spekulieren eben bereits auf die Zeit danach. Die Frage ist nur, ob sie damit nicht etwas zu früh begonnen haben. Die Börse nimmt bekanntlich Ereignisse ca. ein halbes Jahr vorweg. Die Rechnung der Optimisten dürfte allerdings nicht ganz aufgehen. Denn klar ist, dass die Wirtschaft zumindest bis ins zweite Quartal 2009 hinein rückläufig sein wird. Es ist also im besten Fall damit zu rechnen, dass wir Ende des ersten Quartals 09 einen vorsichtig optimistischen Ausblick aus den Quartalsberichten herauslesen können. Das wird sicher spannend, ist aber momentan für die Börse noch Lichtjahre entfernt. Damit scheint klar: Die Bären haben Zeit genug, um nochmals zum Prankenschlag auszuholen. Daher sollte man langsam wieder bestehende Positionen abbauen. Der Rückschlag wird kommen, wobei das Ausmaß der Korrektur noch unklar ist. Bleibt es bei den gegenwärtigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sollte der Boden bei rund 4200 DAX-Punkten halten. Wenn uns aber die Amerikaner als nächstes eine Kreditartenkrise oder ähnliches präsentieren sollten, wäre die 4000er Marke im DAX sicher nicht zu halten. Wobei auch zu bedenken ist, dass bei derart hohen Schwankungen höhere Gewinne zu machen sind als in einem Aufwärtstrend mit angezogener Handbremse. Also lassen Sie uns der Zukunft gelassen entgegen sehen. Oder um es mit Franz Beckenbauer auszudrücken: A bissl was geht immer!
Peter Spermann
Peter Spermann ist Dozent für Wirtschaftslehre und beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit der Börse. In der AZ-Rubrik "Querdenker" vertritt er konsequent den Standpunkt des Antizyklikers.
Foto: Imago

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