Arzneimittel und Therapie

Brustkrebstherapie im Wandel

Neues zum Mammakarzinom aus San Antonio und St. Gallen

In zwei wichtigen Kongressen zum Mammakarzinom wurde die Bedeutung der Tumorbiologie zur Auswahl einer geeigneten, individualisierten Therapie hervorgehoben. Die zunehmende Kenntnis der Tumorpathologie sowie prädiktiver und prognostischer Faktoren führt von einer empirischen Onkologie zur zielgerichteten Krebstherapie. Dieser Weg verläuft in kleinen Schritten und muss durch aussagekräftige Studien und internationale Konsensuserklärungen gefestigt werden. Damit befassten sich die Kongresse in San Antonio und St. Gallen.

Der Brustkrebskongress in St. Gallen findet alle zwei Jahre statt (zuletzt im Frühjahr 2007 mit 4500 Teilnehmern aus 94 Nationen). Im Vordergrund stehen der umfassende Überblick über das diagnostische und therapeutische Vorgehen beim frühen Mammakarzinom und die Erarbeitung von Therapieempfehlungen. Ein Panel aus 39 Mitgliedern erarbeitet anschließend ein Konsensuspapier, das in verschiedenen Arbeitsgruppen diskutiert und aufgearbeitet wird. Es werden keine Vorschriften oder "Rezepte" vorgestellt, sondern Empfehlungen ausgesprochen. Die Präsentation wichtiger Studienergebnisse steht nicht im Vordergrund, wenn auch in einigen Postern die Updates wichtiger Studien gezeigt werden. Wichtige Ziele des Kongresses sind:

  • Die Verbesserung der Therapie durch prädiktive Faktoren.
  • Das Erstellen von Risikokategorien zur besseren Risikoabschätzung.
  • Update der spezifischen Therapieoptionen.

Das 29. San Antonio Breast Cancer Symposium fand im Dezember 2006 statt. An diesem wissenschaftlichen Kongress nahmen knapp 8000 Teilnehmer aus 86 Ländern teil. Unter anderem wurden die Ergebnisse großer randomisierter Studien zur Therapieoptimierung beim Mammakarzinom vorgestellt und diskutiert. Themenschwerpunkte waren

  • Diagnostik und Epidemiologie
  • Operationstechniken
  • Hormontherapie
  • primär-systemische Chemotherapie
  • adjuvante Chemotherapie, unter anderem:
  • – Anthrazyklintherapie vs. Taxantherapie
  • – konventionelle Dosierung vs. dosisdichte Therapie
  • – Antikörpertherapie mit Trastuzumab
  • palliative Chemotherapie

Zweite Interimsanalyse von BCIRG 006

Wichtige Ergebnisse zur adjuvanten Chemotherapie ergab die zweite Interimsanalyse der BCIRG (BCIRG = Breast Cancer International Research Group) 006-Studie. Diese Studie ist eine von vier Untersuchungen, die sich mit dem Einsatz von Trastuzumab in der Adjuvans, also im frühen Stadium einer Brustkrebserkrankung, befassen. Im Rahmen dieser Studien werden zusätzlich die Rolle von Trastuzumab in Kombination mit unterschiedlichen Docetaxelhaltigen Protokollen und mögliche Alternativen zu Anthrazyklinen untersucht. So wird unter anderem ein Anthrazyklin-freies Therapieregime eingesetzt (Anthrazykline sind üblicherweise fester Bestandteil der Standardprotokolle zur adjuvanten Therapie des frühen Mammakarzinoms). Der Hintergrund ist folgender: Anthrazykline sind kardiotoxisch und unter Trastuzumab besteht ebenfalls ein erhöhtes herzschädigendes Risiko. Durch eine Anthrazyklinfreie Chemotherapie könnte somit das kardiotoxische Risiko gesenkt werden. Die in San Antonio vorgestellte zweite Interimsanalyse der BCIRG 006-Studie bestätigt diese Hypothese.

Anthrazyklinfreie Regime ohne hohes kardiales Risiko

Für die BCIRG 006-Studie wurden über 3000 Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom für drei verschiedene Regime randomisiert. Die Frauen erhielten eine der folgenden Therapien:

  • 4 Zyklen Doxorubicin und Cyclophosphamid, gefolgt von 4 Zyklen Docetaxel (AC-T)
  • 4 Zyklen Doxorubicin und Cyclophosphamid, gefolgt von 4 Zyklen Docetaxel sowie ein Jahr lang Trastuzumab (AC-TH)
  • 6 Zyklen Docetaxel und Carboplatin sowie ein Jahr lang Trastuzumab (TCH).

Durch diesen Studienaufbau sollte der Stellenwert von Trastuzumab als Kombinationspartner von Docetaxel (Taxotere®) mit oder ohne Anthrazyklin (Doxorubicin) validiert werden. Nach median drei Jahren zeigte eine Zwischenanalyse, dass das Anthrazyklin-freie TCH-Regime bei Patientinnen mit frühem HER2-positivem Mammakarzinom genauso wirksam ist wie die Behandlung mit dem Anthrayzklin-haltigen AC-TH-Regime und wie dieses zu einer signifikanten Reduktion des Rezidivrisikos und des Sterberisikos führt (das bedeutet also, dass Kombinationen mit Trastuzumab einen Benefit gegenüber den Therapien ohne Trastuzumab aufweisen). Gleichzeitig war das TCH-Protokoll kardial signifikant besser verträglich als die Therapie mit Anthrazyklinen. Diese Ergebnisse – vergleichbare Wirksamkeit der beiden Trastuzumab-haltigen Protokolle bei besserer Verträglichkeit des TCH-Regimes – veranlasste die Studienleiter zur Äußerung, der Stellenwert der Anthrazykline beim HER2-positiven Mammakarzinom sei zu überdenken.

Auch auf der St. Gallen Konsensuskonferenz wurden die Taxane (Docetaxel, Paclitaxel) neben den Anthrazyklinen als wichtigste Substanzgruppe für die adjuvante Behandlung des primären Mammakarzinoms bestätigt. Konsens bestand auch darüber, dass Patientinnen mit HER2-positivem Tumor zusätzlich zur Chemotherapie Trastuzumab erhalten sollten. In St. Gallen wurde jedoch keine Präferenz für ein bestimmtes Regime erarbeitet.

Welches Regime soll gewählt werden?

Eine deutsche Arbeitsgruppe aus 17 Brustkrebsexperten hat die Aussagen von St. Gallen für die klinische Anwendung in Deutschland konkretisiert: Danach stehen für Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom das TCH-Regime, das AC-TH-Regime und das AC-T-H-Regime als adjuvante Chemotherapie plus Trastuzumab zur Verfügung. Alle drei Regime gelten bezüglich ihrer Wirksamkeit als gleichwertig. Das TCH-Regime hat jedoch – da es kein Anthrazyklin enthält – den Vorteil, kein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko zu induzieren. In der BCIRG 006-Studie lag die Anzahl der Patientinnen mit kongestivem Herzversagen im TCH-Arm um den Faktor 5 niedriger als im AC-TH-Arm (4 vs. 20 Fälle; p = 0,0015). Asymptomatische Verschlechterungen der Herzfunktion waren im TCH-Arm um etwa die Hälfte reduziert (p < 0,0001). Darüber hinaus zeigten sich bei sensorischen Neuropathien, Nagelveränderungen und Myalgien deutliche Vorteile für das TCH-Regime.

Ist bei Patientinnen mit HER2-negativem Mammakarzinom und Lymphknotenbefall eine adjuvante Chemotherapie indiziert, sind weiterhin Anthrazyklin- und Taxan-haltige Regime die Therapie der Wahl. Aufgrund der Datenlage sollten sechs Zyklen TAC (Docetaxel, Doxorubicin, Cyclophosphamid) oder drei Zyklen FEC gefolgt von drei Zyklen Docetaxel (5-FU, Epirubicin, Cyclophosphamid – Docetaxel) appliziert werden. Der Zusatz der Taxane führt bei dieser Patientengruppe zu einem statistisch signifikanten Überlebensvorteil.

Quelle

Prof. Dr. Wolfgang Eiermann, München, Prof. Dr. Jörn Hilfrich, Hannover: Pressekonferenz "Brustkrebstherapie im Wandel – Neues aus San Antonio und St. Gallen", München, 26. März 2007, veranstaltet von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt.

Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Janni, München, Prof. Dr. Jens Huober, Tübingen, Prof. Dr. Christian Jackisch, Offenbach, Prof. Dr. Michael Untch, Berlin: "Brustkrebstherapie im Wandel – Neues aus San Antonio und St. Gallen", München, 25. und 26. März 2007, veranstaltet von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH und AstraZeneca GmbH, Wedel.

Apothekerin Dr. Petra Jungmayr
Aufgrund von Angaben zum Alter, Menopausenstatus und zu Tumoreigenschaften werden Therapievorschläge nach den Leitlinien von St. Gallen und dem National Comprehensive Cancer Net (NCCN) erstellt.
St. Gallen 2007 – was ist neu?
  • große Relevanz korrekter pathologischer Befunde
  • Therapieentscheidung orientiert sich an der Tumorbiologie
  • starke Betonung der richtigen Targets
  • Aufnahme von Trastuzumab in den Konsens
  • Zunehmende Bedeutung der Taxane
  • keine allgemeingültigen Standards für die Chemotherapie
  • Tamoxifen bleibt weiterhin eine Option
  • klares Votum für Aromatasehemmer
  • Aromatasehemmer risikoadaptiert einsetzen
  • LHRH-Analoga haben an Bedeutung gewonnen
Therapieentscheidung Für eine Therapieempfehlung wird ein korrekter pathologischer Befund immer wichtiger. Einigkeit herrscht darüber, dass sich die Entscheidung an der Tumorbiologie orientieren muss und es keine allgemeingültigen Standards für eine Chemotherapie gibt.
Foto: DAK/Wigger

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.