Arzneimittel und Therapie

Viele neue Therapieansätze, aber noch keine neuen Standards

Über 40000 Frauen erkranken pro Jahr in Deutschland am Mammakarzinom. Die Therapiemöglichkeiten wurden in den letzten Jahren um einige wichtige Neuentwicklungen bereichert.


Bis vor wenigen Jahren standen beim Mammakarzinom nach der Operation nur wenig systemtherapeutische Möglichkeiten zur Verfügung:

  • adjuvante Chemotherapie nach dem CMF-Regime (Cyclophosphamid, Methotrexat, Fluorouracil),
  • seit Mitte der 80er Jahre Anthracycline bei bestimmten Risikopatientinnen,
  • das Antiöstrogen Tamoxifen.


In den letzten zehn Jahren wurden mehrere neue Substanzen für die Chemotherapie entwickelt, aber auch ganz neue Therapiemethoden, wie die Antikörpertherapie, und Verfahren, die eine Höherdosierung der Chemotherapie erlauben (Wachstumsfaktoren, Gewinnung peripherer Blutstammzellen). Der Stellenwert der neuen Substanzen und Verfahren kristallisiert sich erst nach und nach heraus. Ob die Innovationen die Behandlung definitv verbessern, muß in den großen klinischen Studien, die zur Zeit laufen, erst nachgewiesen werden.

Adjuvante Chemotherapie


Behandlungsziel ist in der adjuvanten Situation des Mammakarzinoms, das heißt bei Operation mit anschließender adjuvanter Chemo- oder Hormontherapie, stets die Heilung. Mit konventionellen Chemotherapieregimes erleiden immer noch 40 bis 50% der Patientinnen ein Rezidiv bzw. bekommen Metastasen.
Bei nodalpositiven Patientinnen wird im Moment in US-amerikanischen Studien der Zusatz eines Taxans (Docetaxel oder Paclitaxel) zur adjuvanten Chemotherapie untersucht. Aus der Therapie des metastasierten Mammakarzinoms ist bekannt, daß Taxane hohe Remissionsraten erzielen können.
In einer großen deutschen Studie soll bei Hochrisikopatientinnen (neun axilläre Lymphknoten befallen) ein dosisintensiviertes Standardprotokoll mit einer Hochdosis-Chemotherapie verglichen werden. Die Patientinnen haben unter konventionellen Therapieschemata nur eine Fünfjahres-Überlebensrate von 10 bis 30% und damit eine ähnlich schlechte Prognose wie Frauen mit metastasiertem Mammakarzinom.

Therapie des metastasierten Mammakarzinoms


Mehr Erfahrungen mit den neuen Substanzen und Methoden liegen für das metastasierte Mammakarzinom vor. Nur etwa 20% der Frauen im metastasierten Stadium haben mit den konventionellen Therapien eine Heilungschance. Bei den übrigen steht die Palliation als Therapieziel im Vordergrund, das heißt die Symptom- und Tumorkontrolle (anhaltende Remissionen mit dem Ziel der Lebenszeitverlängerung) bei möglichst geringen Nebenwirkungen.
Monotherapien mit Paclitaxel oder Docetaxel ergaben in Vergleichsstudien mit dem CMF-Regime oder Anthracyclinen zwar höhere Remissionsraten, aber bislang keine Verlängerung der Überlebenszeit. So erzielte eine Ein-Stunden-Infusion von 100 mg Docetaxel/m2 zwar mit 52% eine höhere Remissionsrate als Doxorubicin, doch die Patientinnen überlebten nicht länger. Vermutlich müssen die neuen Substanzen in vorhandene oder dosisintensivierte Regimes integriert werden, um eine verbesserte Wirkung zu zeigen.
Phase-II-Studien, die bei metastasiertem Mammakarzinom nach Remissionsinduktion eine Hochdosis-Chemotherapie einsetzten, weisen zumindest auf eine mögliche Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens hin. Als Induktionstherapie erhielten Patientinnen mit metastasiertem Mammakarzinom in einer Studie vier Zyklen eines anthracyclinhaltigen Regimes. Nur Patientinnen in vollständiger Remission bekamen dann randomisiert früh oder spät (das heißt, erst im Fall eines Rezidivs) eine Hochdosis-Chemotherapie. Interessanterweise war das Gesamtüberleben bei der späten Hochdosis-Chemotherapie besser als bei der frühen.
In der multizentrischen Studie GEBDIS soll nach einer Induktionstherapie aus Docetaxel und Doxorubicin eine frühe Hochdosis-Chemotherapie mit einer optimierten konventionellen Chemotherapie (drei weitere Zyklen Docetaxel und Doxorubicin) plus später Hochdosis-Chemotherapie (erst bei erneuter Tumorprogression) verglichen werden.
Metastasen treten oft immer wieder an denselben Stellen auf. Daher könnten bei ausgewählten Patientinnen auch lokale Therapien, wie die Operation von Lungen- oder Lebermetastasen oder die Bestrahlung von befallenen Lymphknoten, die Heilungschancen verbessern. Nach einer guten Remission durch die Induktionstherapie könnte man diese lokalen Maßnahmen durchführen, um dann die Hochdosis-Chemotherapie als Sicherheitsmaßnahme anzuschließen.
Für die palliative Therapie des Mammakarzinoms dürften gleich mehrere Neuentwicklungen der letzten Jahre einen Fortschritt bedeuten. Dies sind einerseits die Taxane, von denen insbesondere Docetaxel hohe Remissionsraten erzielt (nach Anthracyclin-Versagen noch bis zu 30%), andererseits aber auch Substanzen mit besserer Verträglichkeit. Beispielsweise führen auch Vinorelbin, Gemcitabin oder Fluorouracil (letzteres als kontinuierliche Infusion) zu beachtlichen Rückbildungsraten, ohne einen Haarausfall auszulösen. Eine vielversprechende Kombination besteht aus Fluorouracil, Folinsäure und Vinorelbin. Sie erzielte auch bei Anthracyclin- oder Taxan-vorbehandelten Frauen noch Remissionsraten von gut 30%.
Fluorouracil steht in Zukunft auch in oraler Form zur Verfügung: UFT oder Capecitabin werden im Körper zu Fluorouracil umgewandelt. Capecitabin erzielte nach Vorbehandlung mit Anthracyclinen und Paclitaxel noch eine Remissionsrate von 20%. Zwei orale Tagesdosen werden eingenommen, Folinsäure ist nicht mehr notwendig. Haarausfall und Knochenmarksuppression treten nicht auf; als Hauptnebenwirkung wird das Hand-Fuß-Syndrom (schmerz- und eventuell fieberhafte Schwellung der Hände und Füße) angegeben.
Eine Antikörpertherapie mit Herceptin dürfte im kommenden Jahr in den USA zugelassen werden. Sie eignet sich nur für solche Frauen, bei denen eine HER2/neu-Überexpression auf der Tumoroberfläche nachgewiesen ist. Dies sind etwa ein Viertel aller Mammakarzinom-Patientinnen. Der Antikörper verhindert das Andocken des Wachstumfaktors (human epidermal growth factor) an seinen Rezeptor. Als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie mit Anthracyclin oder Taxan erhöhte Herceptin die Remissionsrate von 36 auf 62% und verlängerte die Zeit zur Tumorprogression um drei Monate. Quelle
Dr. med. Ute Klaassen, Essen, wissenschaftliche Vortrags- und Fortbildungstagung "Kolorektales Karzinom und Mammakarzinom", Münster, 15. November 1998, veranstaltet von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
Susanne Wasielewski, Münster

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