Arzneimittel und Therapie

Neues aus San Antonio und St. Gallen

Neben dem amerikanischen Krebskongress ASCO sind die Symposien in San Antonio und St. Gallen die wichtigsten Plattformen zur Präsentation und Diskussion neuer Ergebnisse zum Mammakarzinom. Wichtige praxisrelevante Neuerungen betreffen adjuvante, neoadjuvante und endokrine Therapien. Eine individualisierte Therapie aufgrund der Genexpression lässt sich zurzeit noch nicht in den Alltag umsetzen.

Welche Chemotherapie?

Die Gabe von FEC (5-Fluorouracil, Epirubicin, Cyclophosphamid) über sechs Zyklen hinweg ist zurzeit das Standardregime bei der adjuvanten Behandlung eines Mammakarzinoms. Die Ergebnisse taxanhaltiger Protokolle liefern zwei weitere wichtige Therapieoptionen: In der BCIRG001-Studie konnte eine Überlegenheit von TAC (Docetaxel, Doxorubicin, Cyclophosphamid) gegenüber FAC (5-Fluorouracil, Doxorubicin, Cyclophosphamid) gezeigt werden, und in der PACS01-Studie konnten subgruppenspezifische Vorteile einer sequenziellen Gabe von Taxotere im Vergleich zum sechszyklischen Standardregime FEC gezeigt werden.

Eine Therapie nach dem TAC-Regime zeigt den größten Benefit bei Patientinnen mit geringem Lymphknotenbefall (betroffen sind ein bis drei Lymphknoten); HER-2-neu-Status und Hormonrezeptorstatus spielen keine Rolle. Das Regime ist aggressiver als das FEC-Schema und erfordert die zusätzliche Gabe von Wachstumsfaktoren (G-CSF wie Neulasta®) und Ciprofloxacin, um Neutropenien vorzubeugen. Taxanhaltige Therapien sollten in der adjuvanten Situation weiterhin innerhalb von Studien durchgeführt werden. Dasselbe gilt für dosisdichte Therapien mit Taxanen.

Welche endokrine Therapie?

Frauen mit Hormonrezeptor-positiven Erkrankungen werden nach der Tumorentfernung (und im Bedarfsfall nach einer Chemotherapie) hormonell behandelt. Ziel dieser endokrinen Therapie ist das Unterbinden des estrogenabhängigen Tumorwachstums. Die Standardtherapie für Frauen nach der Menopause war bislang die fünfjährige Gabe von Tamoxifen. Dieses Vorgehen wird nun geändert oder zumindest modifiziert. Die Grundlage für diese Änderung sind die neueren Studien ATAC, MA-17, IES bzw. deren Follow-up. Für die Praxis werden mehrere Vorgehensweisen diskutiert:

  • Beginn mit Tamoxifen (z. B. während zwei Jahren), gefolgt von einer dreijährigen Einnahme eines Aromataseinhibitors ("Switchen" oder sequenzielle Therapie)
  • Therapiebeginn mit einem Aromatasehemmer (primäre Therapie)
  • fünfjährige Tamoxifentherapie, gefolgt von fünf Jahren Therapie mit einem Aromataseinhibitor (erweiterte Therapie)

Ungeklärt ist bislang, welcher der drei Aromatasehemmer (Anastrozol [Arimidex®], Letrozol [Femara®], Exemestan [Aromasin®]) den größten Benefit aufweist, wie lange der Aromatasehemmer gegeben werden soll, ob er primär, sequenziell oder erweitert am besten wirkt, ob es Subpopulationen gibt, die besonders gut auf einen bestimmten Aromatasehemmer ansprechen und welche Langzeitnebenwirkungen (Knochendichte, Lipidstoffwechsel) zu erwarten sind. Solange dies nicht bekannt ist, sollten die Aromatasehemmer gemäß ihrer Zulassung (Entscheidung aufgrund publizierter Daten) eingesetzt werden. Bei Hochrisikopatientinnen wird eine erweiterte Hormontherapie (fünf Jahre Tamoxifen und fünf Jahre ein Aromatasehemmer) empfohlen; Patientinnen mit einer HER-2-neu-Überexpression sollten ebenfalls mit einem Aromataseinhibitor behandelt werden.

Vor der Operation therapieren?

Präoperative (synonym neoadjuvante oder primär systemische) chemotherapeutische oder endokrine Therapien werden immer häufiger eingesetzt. Bereits vor der Operation findet also eine Therapie statt. Dadurch kann in vielen Fällen der Tumor so verkleinert werden, dass eine brusterhaltende Operation möglich wird. Darüber hinaus kann festgestellt werden, ob der Tumor auf eine bestimmte Chemotherapie anspricht (In-vivo-Chemosensitivitätstestung). Die frühzeitige Visualisierung des Therapieeffekts ermöglicht die Identifizierung prädikativer Faktoren.

So gilt z. B. die pathologisch bestätigte Komplettremission (pCR) nach präoperativer Chemotherapie als Surrogatmarker für gute Heilungschancen. Die Überlebensrate wird durch eine vorgezogene Chemotherapie nicht beeinflusst, die Therapie kann aber wesentlich individueller gestaltet werden. Zudem kann relativ früh festgestellt werden, ob der Tumor einer Patientin auf ein bestimmtes Zytostatikum anspricht, das heißt, unwirksame Therapien können vermieden werden. Auch in der neoadjuvanten Therapie werden Taxane verwendet, zum Beispiel vier Zyklen AC (Doxorubicin, Cyclophosphamid) gefolgt von vier Zyklen Docetaxel. Für die endokrine neoadjuvante Therapie werden Aromataseinhibitoren während mindestens drei Monaten eingesetzt.

Neue Optionen mit Antikörpern

Trastuzumab (Herceptin®), das seit längerem in der metastasierenden Krankheitsphase Anwendung findet, wird in ersten Studien zur neoadjuvanten Therapie eingesetzt. In Kombination mit Taxanen und Carboplatin wurden hohe pCR-Raten erzielt. Ferner wird die Kombination von Trastuzumab und Bevacizumab (Avastin®), einem Angiogeneseinhibitor untersucht. Man rechnet hier mit synergistischen Effekten und so genannten "cross-talks" der unterschiedlichen Wachstumsfaktor-Rezeptoren.

Ein weiterer Ansatz ist die Kombination mehrerer Antikörper mit Tamoxifen und Tyrosinkinaseinhibitoren als immunologisch-biologischer "Cocktail". Man hofft, durch die Kombination mehrere intrazelluläre Signaltransduktionswege gleichzeitig zu blockieren und Resistenzentwicklungen zu verhindern.

Differenzierte Risikoeinteilung

Die Therapie eines Mammakarzinoms richtet sich unter anderem nach bestimmten Risikofaktoren. Je ausgeprägter diese sind, umso intensiver wird die Therapie ausfallen. Auf dem diesjährigen Kongress in St. Gallen wurde eine neue Risikogruppe definiert, die "intermediate Risk Gruppe". Bei Patientinnen, die in diese Gruppe fallen, wird abgewogen, ob eine Chemotherapie indiziert ist und mit welchem Nutzen diese verbunden sein kann.

Noch nicht praxisreif ist eine Therapieempfehlung aufgrund präziser Prädiktoren. Es erscheint viel versprechend, das Genexpressionsprofil (die biologische Signatur) eines Tumors festzustellen, um dann eine individualisierte Therapie einleiten zu können. Mit einem DNA-Chip kann die Genexpression des Tumors gemessen werden. Bislang fehlt aber eine Standardisierung der gemessenen Werte und die Relevanz der vorliegenden Genexpression kann noch nicht exakt beurteilt werden.

In den USA sind bereits einige Tests zur Ermittlung der Expression krebsrelevanter Gene erhältlich, so zum Beispiel der 70-Gentest Oncotype DX-Test, der jedoch noch nicht routinemäßig eingesetzt werden kann und dessen Eignung zuerst noch validiert werden muss. Sinnvoll und bereits praktikabel ist die Bestimmung einzelner Marker wie des HER-2-neu-Status oder die Bestimmung von p53.

 

Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

 

Quelle

Dr. Jürgen Hoffmann, Frankfurt; Priv.-Doz. Dr. Stefan Krämer, Düsseldorf; Dr. Gün- ther Raab, Stuttgart; Priv.-Doz. Dr. Wolf- gang Janni, München; Prof. Dr. Charles Vogel, Miami: Symposium „Adjuvante Brustkrebstherapie im Wandel der Zeit  –  Neues aus San Antonio und St. Gallen“; München, 12. und 13. Februar 2005, veran- staltet von sanofi-aventis, Berlin.

Antikörpertherapie: Neues aus San Antonio

Trastuzumab neoadjuvant hohes Ansprechen Bevacizumab wirksam Trastuzumab und Bevacizumab viel versprechend Trastuzumab und Zytostatika keine Kardiotoxizität Trastuzumab mono sichere Dauerbehandlung Biologisch-immunologische Cocktails zukünftige therapeutische Perspektive

Wichtige aktuelle Studien

  • BCIRGOO1-Studie. In der zweiten Zwischenanalyse nach annähernd fünf Jahren zeigte sich, dass Frauen mit Brustkrebs in einem frühen Stadium mit Lymphknotenbefall, die postoperativ TAC erhielten, ein um 28% geringeres Rezidivrisiko aufwiesen als Frauen, die mit FAC therapiert wurden. Das Mortalitätsrisiko konnte um 30% gesenkt werden.
  • PACS01. Vergleich von 6 x FEC vs. 3 x FEC gefolgt von 3 x Docetaxel; diese sequenzielle Therapie zeigt einen Benefit für Patientinnen über 50 Jahre.
  • ATAC. Direkter Vergleich von Anastrozol vs. Tamoxifen über fünf Jahre hinweg; Anastrozol ist Tamoxifen in der frühen adjuvanten Therapie überlegen (insbesondere für N0).
  • IES. Fünf Jahre Tamoxifen vs. zwei bis drei Jahre Tamoxifen gefolgt von zwei bis drei Jahren Exemestan; Exemestan ist Tamoxifen in der sequenziellen adjuvanten Therapie überlegen (für N0 und N+).
  • MA-17. Tamoxifen fünf Jahre lang, gefolgt von fünf Jahren Plazebo oder Letrozol; Letrozol hat in der erweiterten adjuvanten Therapie eine Überlegenheit gegenüber Plazebo (für N+).
  • ARNO-Studie. Eine adjuvante Sequenztherapie mit Anastrozol ist der alleinigen Tamoxifentherapie überlegen.
  • NSABP B-27. In der dreiarmigen Studie erhielten die Probandinnen neoadjuvant 4 x AC oder 4 x AC gefolgt von 4 x Docetaxel präoperativ oder 4 x AC neoadjuvant gefolgt von 4 x Docetaxel postoperativ. Durch die präoperative zusätzliche Gabe des Taxans konnte die Rate pathologischer Komplettremissionen nahezu verdoppelt werden. Dies hat sich allerdings bislang nicht in einem verbesserten Gesamtüberleben niedergeschlagen.

AC = Doxorubicin + Cyclophosphamid FEC = Fluorouracil + Epirubicin + Cyclophosphamid

Risikoeinschätzung und Bewertung

Mithilfe des Programms www.adjuvantonline.com kann der potenzielle Nutzen bestimmter Therapien in Abhängigkeit bekannter Risikofaktoren relativ genau ermittelt werden.

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