Arzneimittel und Therapie

Neues zu Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms

Alle zwei Jahre findet in St. Gallen (Schweiz) ein internationaler Kongress zum frühen Mammakarzinom statt. Die mehrtägige Konferenz endet nach ausführlichen Diskussionen mit Konsensusbeschlüssen zu wichtigen Themen. Diese Ergebnisse fließen in internationale und nationale Leitlinien ein, allerdings unter Berücksichtigung länderspezifischer Eigenheiten und Möglichkeiten.

Im März 2009 tagten zum elften Mal rund 5000 Ärzte aus etwa 100 Ländern in St. Gallen über Diagnostik und Therapie des frühen Mammakarzinoms und diskutierten die neuesten Forschungsergebnisse. Anschließend wurden die Ergebnisse von einem Expertengremium aus 43 Wissenschaftlern bewertet und in Form von Empfehlungen zusammengefasst (Konsensus-Meeting). Unter anderem wurde über folgende Themen diskutiert:

  • Operation (Axilla, Tumorränder)
  • Bestrahlung
  • Pathologie (Hormonrezeptoren, Proliferationsmarker Ki67, Grading)
  • Gensignaturen
  • endokrine Therapien
  • Chemotherapien
  • Targeted Therapies
  • neoadjuvante systemische Therapie
  • Feritilität
  • Mammakarzinom des Mannes

Die offizielle Publikation mit dem Konsensus wird im Sommer erwartet (Publikation in den Annals of Oncology). Zeitnah, das heißt wenige Tage nach Kongressende wurden die in St. Gallen gefassten Beschlüsse in einem Gremium deutscher Experten diskutiert und unter Berücksichtigung aktueller Leitlinien (AGO, S3-Leitlinie; siehe Kasten) bewertet. Die Aussagen der in St. Gallen erstellten Empfehlungen und aktueller Leitlinien sind oftmals gleich, können aber auch in einigen Punkten voneinander abweichen. Dazu einige Beispiele:

Bisphosphonate: Im Gegensatz zu den Empfehlungen der AGO-Leitlinien lehnt St. Gallen die adjuvante Therapie mit Bisphosphonaten (Zoledronsäure) mehrheitlich ab.

Endokrine Therapie: Erstmals werden in den Empfehlungen von St. Gallen Aromatase-Hemmer bei postmenopausalen Frauen als Standardtherapie anerkannt. Diese sollten von Anfang an (upfront) gegeben werden. Das deutsche Expertengremium schließt sich diesen Empfehlungen an, wenn auch Tamoxifen für Frauen mit geringem Risiko als Alternative genannt wird. Auch die sequentielle Therapie (das heißt zuerst Tamoxifen, dann ein Aromatase-Hemmer) ist den AGO-Leitlinien zufolge eine Therapiemöglichkeit.

Tumorbiologische Faktoren: St. Gallen sieht in einem hohen Ki-67-Wert (Ki-67 ist ein Proliferationsmarker) einen unabhängigen Prognosefaktor; die deutschen Experten stufen den Stellenwert von Ki-67 geringer ein. Umgekehrt sehen die Empfehlungen von St. Gallen in den tumorassoziierten Proteolysefaktoren uPA (Plasminogenaktivator vom Urokinasetyp) und dessen Inhibitor PAI-1 (Plasminogenaktivator-Inhibitor Typ 1) keine nützlichen Prognosefaktoren; die AGO-Leitlinien stufen uPA/PAI-1 hingegen als nützliche Prognosefaktoren ein.

Einsatz von Genchips: Molekulare Signaturen, die mithilfe von Genchips wie Oncotype DX® oder Mammaprint® ermittelt werden, können den Empfehlungen von St. Gallen zufolge als zusätzliche Entscheidungshilfe herangezogen werden. Die deutschen Experten empfehlen den Einsatz von Genchips nur im Rahmen von Studien.

Adjuvante Chemotherapie: St. Gallen nennt kein Standardprotokoll für die adjuvante Chemotherapie bei Patienten ohne erhöhtes Risiko und empfiehlt ein dosisdichtes Regime bei Hochrisikopatientinnen. Im Vergleich zu diesen kargen Angaben führt die AGO-Leitlinie ausführliche und differenzierte Protokolle in Abhängigkeit möglicher Risikofaktoren auf. Liegen keine Risikofaktoren vor und sind keine Lymphknoten befallen, wird eine sechszyklische anthrazyklinhaltige Chemotherapie (FEC, FAC) empfohlen. Bei Lymphknotenbefall und bei Vorliegen von Risikofaktoren spielen taxanhaltige Protokolle eine wichtige Rolle. Dabei scheint es unerheblich zu sein, ob das Taxan Docetaxel (Taxotere®) im Rahmen einer Kombinationstherapie oder eines sequentiellen Regimes eingesetzt wird. Bei Hochrisikopatientinnen wird in den AGO-Leitlinien ebenfalls ein dosisdichtes Protokoll empfohlen.

 

 

Quelle
Prof. Dr. Andreas Schneeweis, Heidelberg: Update St. Gallen 2009: Konsequenzen für die Therapie des frühen Mammakarzinoms. Fachpresse-Konferenz am 24. März 2009 in Berlin; veranstaltet von Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt.

Prof. Dr. Wolfgang Eiermann, München: "Taxotere beim Mammakarzinom – Studienupdate aus San Antonio". Fachpresse-Roundtable, München, 14. Januar 2009, veranstaltet von der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt.

 



Apothekerin Dr. Petra Jungmayr

 

 

Wichtige taxanhaltige Chemotherapieprotokolle

Adjuvanz (ohne Her2-Überexpression)
  • TAC (Docetaxel, Doxorubicin, Cyclophosphamid)
  • FEC-T (Fluorouracil, Epirubicin, Cyclophosphamid gefolgt von Doxetaxel)
  • EC-T (Epirubicin, Cyclophosphamid gefolgt von Docetaxel)
  • AC-Pw (Doxorubicin, Cyclophosphamid, gefolgt von wöchentlich Paclitaxel)
  • AC-T (Doxorubicin, Cyclophosphamid gefolgt von Docetaxel)*
  • Anthracyclinfreies Regime: TC (Docetaxel, Cyclophosphamid)
*Mit äquieffektiven Resultaten bei der 5-Jahres-Überlebensrate wie TAC (Studienupdate aus San Antonio 2008)

Wichtige Leitlinien in Deutschland

  • S3-Leitlinie "Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms"; Stand 2008; Aktualisierung alle drei bis vier Jahre. www.awmf-leitlinien.de
  • AGO-Leitlinie (Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft für gynäkologische Onkologie); interdisziplinäre kurz gefasste Leitlinie, die jedes Jahr aktualisiert wird (aktuelle Version 2009). www.ago-online.org

Wichtige internationale Kongresse zum Thema Brustkrebs

  • Konsensuskonferenz in St. Gallen (International Conference on Primary Therapy of Breast Cancer); findet alle zwei Jahre statt
  • ASCO-Kongress (ASCO = American Society of Clinical Oncology); jährlicher Kongress der amerikanischen Krebsgesellschaft
  • SABCS (San Antonio Breast Cancer Symposium); findet jährlich im Dezember statt.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.