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Arzneimittelspargesetz in der Kritik: "So wird es nicht funktionieren"

BERLIN (ks). Der Bundestag hat am 17. Februar das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) verabschiedet. Nun muss das Gesetz nur noch den Bundesrat passieren, dann kann es zum 1. April in Kraft treten. Vertreter der Regierungsfraktionen betonten anlässlich der letzten Lesung im Bundestag erneut die Notwendigkeit, für Einsparungen im Arzneimittelbereich zu sorgen. Opposition und Industrie kritisierten das neue Spargesetz.

Nachdem die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Kassen im vergangenen Jahr wieder deutlich angestiegen sind, soll das AVWG für Kostendämpfung sorgen. Dazu hat sich die große Koalition ein Bündel unterschiedlicher Maßnahmen ausgedacht.

So sind Naturalrabatte an Apotheken künftig verboten. Damit die Kassen auch etwas davon haben, müssen Generikahersteller ihnen einen zehnprozentigen Abschlag auf die Herstellerabgabepreise gewähren. Das Naturalrabattverbot gilt auch für rezeptfreie Medikamente und Tierarzneimittel. Zudem sind Krankenhausapotheken in die Regelung einbezogen. Die große Koalition verspricht sich von dem umfassenden Verbot eine verbesserte Transparenz und einen stärkeren Preiswettbewerb. Die CDU-Gesundheitspolitikerin Annette Widmann-Mauz verwies in der Debatte darauf, dass Verhandlungen mit dem Hersteller über Mengen und Preise sowie Skonti weiterhin möglich bleiben (zu weiteren Einzelheiten und Auswirkungen des AVWG auf Apotheken siehe auch den Beitrag von Prof. Dr. Hilko J. Meyer ab S. 72).

Bonus-Malus-Regelung kommt

Darüber hinaus normiert das AVWG für alle Arzneimittel einen zweijährigen Preisstopp. Auch die Festbetragsregelung für Arzneimittel wird nachjustiert: Mithilfe neuer Definitionen soll künftig sichergestellt werden, dass echte Innovationen mit therapeutischem Zusatznutzen nicht in die Festbetragsregelungen einbezogen werden. Zudem werden die Festbeträge abgesenkt. Krankenkassen wird die Möglichkeit eingeräumt, Patienten die Zuzahlung zu erlassen, wenn diese sich für Festbetragsarzneimittel entscheiden, deren Preis mindestens 30 Prozent unter dem eigentlichen Festbetrag liegt. Widmann-Mauz betonte, dass der Patient damit zum ersten Mal ein eigenes ökonomisches Interesse habe, ein preiswertes Medikament vom Arzt verordnet zu bekommen. "Das bedeutet auch, dass der Arzt erstmals nicht mehr allein die Verantwortung für eine wirtschaftliche Verordnungspraxis trägt und damit in der Kritik steht", so die CDU-Politikerin.

Zu den umstrittensten Maßnahmen des AVWG gehört die Bonus-Malus-Regelung für Vertragsärzte. Sie sieht vor, dass Ärzten das Honorar gekürzt wird, wenn sie für bestimmte Krankheiten festgelegte Tagestherapiekosten um mehr als zehn Prozent überschreiten. Wenn sie besonders preisgünstige Arzneien verschreiben, können sie dagegen einen Bonus erhalten. Die Regelung wurde gegenüber dem ersten AVWG-Entwurf erheblich entschärft, da sie nun nur noch greifen soll, wenn sich die Selbstverwaltung regional nicht auf andere erfolgreiche Sparmaßnahmen einigt.

Kritik aus der Opposition

Der FDP-Sozialpolitiker Daniel Bahr bezeichnete das AVWG als "Kostendämpfungsmonstrum", mit dem die Arzneimittelversorgung für die Patienten erheblich verschlechtert und die freie Therapiewahl eingeschränkt werde. Auch das Naturalrabattverbot geht Bahr zu weit: Auch wenn es in diesem Bereich sicherlich Auswüchse gegeben habe, sei beispielsweise nicht verständlich, warum es auch Tierarzneien treffe. Kritik kam auch aus der Linksfraktion: Deren gesundheitspolitischer Sprecher Frank Spieth erklärte, dass die Kostenentwicklung durch das AVWG "lediglich kurzfristig und sehr gering gebremst" werde. Die Einsparungen würden am Ende durch die Mehrwertsteuererhöhung im Wesentlichen wieder aufgefressen. Spieth zufolge gibt es nur eine wirksame Alternative: die Positivliste für Arzneimittel. Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, Biggi Bender, kritisierte unter anderem die Bonus-Malus-Regelung: Mit hohem Verwaltungsaufwand im Vorfeld und bei der Kontrolle werde lediglich viel Ärger bei denjenigen bewirkt, die diese Regelung umsetzen sollen. "So wird es nicht funktionieren."

Innovationsschutzklausel beruhigt den VFA nicht

"Mit der Verabschiedung des AVWG hat das Parlament den Pharmastandort Deutschland schwer belastet und Patienten erneut zu Leidtragenden einer verfehlten Kostendämpfungspolitik gemacht", beklagte der Vorsitzende des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) Andreas Barner den Parlamentsbeschluss. Insbesondere die Bonus-Malus-Regelung und die drastisch abgesenkten Erstattungsobergrenzen würden die Patienten treffen. Auch wenn die Bonus-Malus-Regelung nun etwas flexibler gestaltet worden sei, würden niedergelassene Ärzte letztlich angehalten, Therapien mit billigen Präparaten durchzuführen. "Das geht zu Lasten der Versorgungsqualität für die Patienten", warnte Barner. Durch das Absenken der Festbeträge drohe zudem die Gefahr, dass Patienten für patentgeschützte Arzneimittel künftig tiefer in die eigene Tasche greifen müssen. Auch die neue Innovationsschutzklausel überzeugt den VFA-Vorsitzenden nicht: Trotz unbestreitbarer Verbesserungen biete sie nach wie vor nicht die Gewähr, dass neuartige Arzneimittel oder solche, die eine therapeutische Verbesserung bringen, von den Erstattungsobergrenzen freigestellt werden. Barner hat ohnehin wenig Verständnis dafür, dass sich die Politik immer wieder auf den Arzneimittelsektor fokussiert – dieser sei nicht das zentrale Problem der gesetzlichen Krankenkassen. Statt neuer Restriktionen für den Arzneimittelmarkt brauche Deutschland eine echte Gesundheitsreform.

BAH erwartet nur kurzfristige Entlastung für die GKV

Auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hätte es lieber gesehen, wenn sich der Gesetzgeber schnell an eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens gemacht hätte. Das AVWG sei ein weiterer "genereller Systemfehler in der GKV-Ausgabenbegrenzung". Da der Anstieg der Arzneimittelausgaben 2005 überwiegend gesetzestechnisch bedingt gewesen sei, sei es nicht logisch, darauf mit einem die Arzneimittelhersteller einseitig belastenden Gesetz zu reagieren. Beim BAH ist man überzeugt, dass das AVWG allenfalls eine kurzfristige Beruhigung der GKV-Finanzsituation bringen wird.

Durch die Koalitionsbeschlüsse von Union und SPD – insbesondere die Erhöhung der Mehrwertsteuer – ergäben sich in absehbarer Zeit erneut GKV-Mehrausgaben, die nicht von der Arzneimittelindustrie zu verantworten seien.

BKK: Pharmaunternehmen nehmen Schlüsselrolle ein

Der Vorstandsvorsitzende des BKK-Bundesverbandes Wolfgang Schmeinck versprach, dass die Betriebskrankenkassen die neuen Möglichkeiten des AVWG nutzen werden. In den nächsten Monaten werde es eine zentrale Aufgabe sein, zu verhindern, dass Versicherte bei Festbetragsarzneimitteln Aufzahlungen leisten müssen. Dabei weise das AVWG den pharmazeutischen Unternehmen eine Schlüsselrolle zu: "Sie entscheiden durch ihre Preispolitik, ob die Absenkung der Festbeträge ein Erfolg wird und ob es zu nennenswerten Rabattverträgen kommt", so Schmeinck. Da Arzneimittel keine schlichten Konsumgüter seien, erwartet er von der Pharmaindustrie, dass sie ihrer besonderen Verantwortung entsprechend handelt. Nach der Verabschiedung des AVWG durch das Parlament werden zunächst die neuen Festbeträge festgesetzt. Sodann müssen die Pharmaunternehmen entscheiden, für welche Arzneimittel sie ihre Preise dem neuen Festbetrag anpassen. Schmeinck: "Dort, wo eine solche Anpassung nicht erfolgt, werden wir sehr sorgfältig analysieren, für welche Arzneimittel Rabattverträge zur guten und aufzahlungsfreien Versorgung der Versicherten notwendig sind".

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