Arzneimittel-Spargesetz: Neue Sparmaßnahmen im Arzneimittelbereich kritisiert

BERLIN (ks). Grundsätzlich ist allen Verbänden und Organisationen des Gesundheitswesens klar, dass man den steigenden Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht tatenlos zusehen kann. Dies wurde bei der Anhörung zum Arzneimittel-Sparpaket am 18. Januar im Gesundheitsausschuss des Bundestages deutlich. An einigen der Maßnahmen, die die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) vorsieht, übten die Experten jedoch scharfe Kritik. Umstritten sind insbesondere die Nachjustierung der Festbetragsregelung und das Bonus-Malus-System für Vertragsärzte.

Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) lobte grundsätzlich das schnelle Handeln der Bundesregierung. "Die Finanzlage der Krankenkassen hat das dringend nötig", betonte BKK-Chef Wolfgang Schmeinck. Den vorliegenden Gesetzentwurf hält er jedoch für nicht geeignet, das gesetzgeberische Ziel einer wirtschaftlichen und am Bedarf ausgerichteten Arzneimittelversorgung zu erreichen. Schon im Vorfeld der Anhörung hatte der BKK-Bundesverband scharfe Kritik an den geplanten Neuregelungen bei Festbeträgen geübt. Die Kassen befürchten durch die vorgesehene Absenkung der Erstattungsobergrenzen eine finanzielle Mehrbelastung der Patienten. Weder glauben sie, dass die Hersteller ihre Preise freiwillig auf den Festbetrag absenken, noch dass sie von der Möglichkeit Gebrauch machen, flächendeckend Rabattverträge mit Herstellern zu schließen, um eben diese Mehrbelastung der Patienten auszuschließen.

In den Augen der Kassenvertreter ist mit den Änderungen bei den Festbeträgen zudem nicht so viel zu sparen, wie im Gesetzentwurf eingeplant. 2006 könnten lediglich 250 Mio. Euro gespart werden, in den Folgejahren 500 Mio. Euro. Die Bundesregierung erhofft sich hingegen allein in diesem Bereich Einsparungen von jährlich 800 Mio. Euro. In ihrer schriftlichen Stellungnahme schlagen die Spitzenverbände daher eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Kostensenkung vor: So sollte der Festzuschlag bei der Apothekenvergütung von 8,10 Euro auf 7,45 Euro reduziert und der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel halbiert werden. Die erhöhte Mehrwertsteuer ab 2007 werde die Kassen mit zusätzlichen 700 Mio. Euro belasten. Mit der verringerten Apothekenvergütung ließen sich den Kassen zufolge jährlich 410 Mio. Euro sparen.

Effektive Festbetragsregelung nicht gefährden

Auch der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Rainer Hess, hält nicht viel von den Veränderungen im Festbetragsbereich. Er sieht das bislang effektivste Einspar-Instrument insbesondere durch die vorgesehenen Rabattvereinbarungen gefährdet. Diese würden zu Wettbewerbsverzerrungen unter den Herstellern und damit zu voraussehbaren Ausgabensteigerungen zu Lasten der GKV führen. Hess kritisierte ebenso wie der Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, Peter Sawicki, die geplante Neuformulierung bei der Bewertung von patentgeschützten Wirkstoffen.

Um von der Festbetragsregelung ausgenommen zu sein, müssen diese künftig eine neuartige Wirkweise oder (bislang: und) eine therapeutische Verbesserung aufweisen. Hess fürchtet dadurch von den Herstellern "eine Flut von Verfahren" zur Überprüfung der bestehenden Festbetragsgruppen auf den G-BA zukommen: "Das behindert garantiert die Bildung neuer Festbetragsgruppen". Für Sawicki macht die Regelung schlicht "keinen Sinn", weil neue Wirkstoffe unter Umständen sogar ein therapeutischer Rückschritt sein könnten.

Apotheken brauchen Vorbereitungszeit

Auch bei den Verbänden der pharmazeutischen Industrie und der Ärzteschaft fallen die geplanten Änderungen zur Festbetragsregelung durch. Die ABDA kritisiert in ihrer schriftlichen Stellungnahme vor allem die Regelung zu den Rabattverträgen, mit denen Versicherte von der Zahlung des Differenzbetrages zwischen Festbetrag und Apothekenverkaufspreis entlastet werden sollen. Nach dem derzeitigen Wortlaut bedeute die Vorschrift auch für Apotheken eine Mehrbelastung und sei zudem praktisch nicht zum 1. April 2006 umsetzbar. Denn Apotheken müssen dann bei der Abgabe eines Festbetragsarzneimittels stets prüfen, ob im konkreten Fall eine Rabattvereinbarung besteht. Dazu benötigen sie eine Vielzahl von Informationen, die zudem von der Apothekensoftware verarbeitet werden können müssen. Die Schaffung dieser technischen Voraussetzungen sei zwar möglich, werde aber aller Erfahrung nach rund ein Jahr dauern, erklärte Thomas Klopp von der Werbe- und Vertriebsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH (ABDATA).

ABDA fürchtet neue Inkasso-Risiken

Die ABDA rügt darüber hinaus die Formulierung zum beabsichtigten Preismoratorium. Dieses soll sichergestellt werden, indem Preiserhöhungen einen zusätzlichen Herstellerrabatt zur Folge haben. Die Regelung sei unklar belaste damit die Apotheken, die das Inkasso des Rabatts übernehmen und das Risiko dieses Verfahrens tragen müssen. Die ABDA fordert daher eine Ergänzung der Vorschrift, wonach die Apotheke von der Krankenkasse die gewährten Rabattbeträge zurückfordern kann, wenn der Hersteller, die von den Apotheken geforderten Zahlungen nicht in der vorgesehenen Frist leistet. Auch beim künftigen 10-prozentigen Kassen-Abschlag auf patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel werden die Apotheker für das Inkasso eingesetzt. Hier müsse ebenfalls noch dafür Sorge getragen werden, dass für die Apotheken keine unzumutbaren Inkassorisiken entstehen.

Der Gegenpol zum neuen Rabatt auf Medikamente des generikafähigen Marktes ist das Verbot von Naturalrabatten, das künftig im Heilmittelwerbegesetz festgeschrieben sein soll. Auch hieran übt die ABDA Kritik. Sie lehnt das generelle Verbot von Rabatten ab, da diese ein übliches und ökonomisch sinnvolles Element im Handel seien. Der Begründung des Gesetzentwurfes sei nur insoweit zu folgen, soweit beabsichtigt ist, Rabatte zu unterbinden, die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung unterlaufen. Eine Reglementierung im rezeptfreien Markt sei jedoch unangemessen.

ADKA warnt vor Rabattverbot für Krankenhausapotheken

Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierten, dass das Rabattverbot offenbar auch für Krankenhausapotheken gelten soll. Hier erfolgt die Preisbildung aber grundsätzlich anders als in öffentlichen Apotheken. ADKA-Präsident Steffen Amann warnte, dass das Rabattverbot die Arzneimittelkosten in Kliniken nach oben treiben werde. Nach einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger würde allein der Wegfall von Gratispackungen an Krankenhäuser Mehrkosten von 200 Mio. Euro mit sich bringen. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen, hielt dem entgegen, dass diese Mehrkosten schnell kompensiert werden, wenn das "Anfixen" mit teuren Arzneimitteln im Krankenhaus durch das Rabattverbot unterbunden werden kann.

Ärzte kämpfen gegen Bonus-Malus-Regelung

Breiten Raum beim Experten-Hearing nahm zudem die vorgesehene Bonus-Malus-Regelung bei Über- oder Unterschreitung festgelegter Tagestherapiekosten für Vertragsärzte ein. Während die Krankenkassen diese Regelung befürworten, übt die Ärzteschaft harsche Kritik: Sie sei eine große bürokratische Belastung und beschädige das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. Nicht nur die Malus-Regelung halten die Ärzte für falsch - auch Boni wollen sie nicht haben. "Sparsam wirtschaftende Ärzte könnten so schnell in den Ruf geraten, in die eigene Tasche zu wirtschaften", gab KBV-Vorstand Ulrich Weigeldt zu bedenken. Der Hartmannbund bezeichnete es als "unethisch und unakzeptabel", Ärzte für Rationierungen zu belohnen.

Der Gesundheitsausschuss wird sich am 25. Januar erneut mit dem Gesetzentwurf befassen und dem Parlament eine Empfehlung aussprechen.

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