Arzneimittel und Therapie

Primäre Hypertonie: Erfüllen Betablocker alle Erwartungen?

In einer Metaanalyse schnitten Betablocker bei der Behandlung der primären Hypertonie schlecht ab: Sie verringerten das Schlaganfallrisiko im Vergleich zu Placebo/Nicht-Behandlung nur um 19% und erhöhten es im Vergleich zu anderen Antihypertensiva um 16%.

Betablocker wurden ursprünglich für die Behandlung der koronaren Herzkrankheit entwickelt. Studien zeigten, dass sie bei Patienten nach Herzinfarkt, mit Angina pectoris oder mit Herzinsuffizienz wirksam sind. Darüber hinaus werden sie bei Tachykardien, vor allem Vorhofflimmern, mit Erfolg eingesetzt. Aufgrund ihrer Wirksamkeit in der Sekundärprävention der koronaren Herzkrankheit folgerte man, dass Betablocker sich auch zur kardiovaskulären Primärprävention bei Patienten mit Bluthochdruck eignen.

Beliebte Blutdrucksenker

Inzwischen werden Betablocker seit 30 Jahren breit in der Behandlung des unkomplizierten Bluthochdrucks angewendet und noch immer empfohlen – ohne dass ein Schutz vor Herzinfarkt und Schlaganfall ausreichend bewiesen ist.
 

Primäre Hypertonie

Bluthochdruck ohne direkte Ursache. Im Gegensatz dazu ist die sekundäre Hypertonie Folge einer organischen Erkrankung, z. B. einer Nierenerkrankung, Schilddrüsenüberfunktion oder angeborenen Gefäßverengung.

Metaanalyse zu Atenolol und anderen Betablockern

Eine Metaanalyse ergab kürzlich, dass der Betablocker Atenolol in der Primärprävention bei Hypertonikern nicht sehr wirksam ist. Die Metaanalyse wurde jetzt um neue Daten zu Atenolol und Daten zu anderen Betablockern erweitert.

Eine Datenbankrecherche in Cochrane Library und PubMed erfasste randomisierte, kontrollierte Studien zur Therapie der primären Hypertonie. Mindestens die Hälfte der Patienten einer Behandlungsgruppe musste einen Betablocker als Ersttherapie bekommen haben, und es mussten Ergebnisse für Gesamtsterblichkeit und/oder kardiovaskuläre Erkrankungen vorliegen. Die Daten wurden für Betablocker allgemein und für drei Untergruppen ausgewertet: Atenolol, alle Betablocker außer Atenolol und schließlich Betablocker und Diuretika gemischt in einer Behandlungsgruppe, wobei über die Hälfte ihre antihypertensive Therapie mit dem Betablocker begonnen hatte.

20 randomisierte, kontrollierte Studien

13 Studien (n = 105.951) verglichen Betablocker mit anderen Antihypertensiva, sieben Studien (n = 27.433) mit Placebo oder keiner Behandlung.

Am häufigsten wurde der Betablocker Atenolol eingesetzt (in 14 Studienarmen), gefolgt von Propranolol (5), Metoprolol (3), Pindolol (2) und Oxprenolol (1). Zu den Vergleichstherapien gehörten Calciumantagonisten (7 Studienarme), Diuretika (5), ACE-Hemmer (3) und Angiotensin-II-Blocker (1).
 

Zielwerte einer Hypertoniebehandlung

Unter Ruhebedingungen sollte der Blutdruck zuverlässig systolisch unter 140 mmHg und diastolisch unter 90 mmHg liegen. Andere Therapieziele gelten für Kinder und in der Schwangerschaft. Bei Diabetikern ist die konsequente Senkung des Blutdruckes unter 130/80 mmHg zu empfehlen, insbesondere bei Mikroalbuminurie oder manifester diabetischer Nephropathie (aus der Leitlinie "Arterielle Hypertonie"). In der Metaanalyse wurden die erzielten Blutdruckwerte nicht erfasst.

Schlaganfallrisiko im Vergleich zu Placebo verringert...

In den Vergleichsstudien mit Placebo oder Nicht-Behandlung sank das relative Risiko eines Schlaganfalls mit einem Betablocker um 19%. Allerdings reduzierten Betablocker weder das Herzinfarktrisiko noch die Gesamtsterblichkeit.

...aber im Vergleich zu anderen Antihypertensiva erhöht

Die Vergleichsstudien mit anderen Antihypertensiva zeigten, dass das Schlaganfallrisiko mit Betablockern um 16% höher liegt als mit anderen Antihypertensiva (signifikanter Unterschied). Die Gesamtsterblichkeit war um 3% erhöht (nicht signifikant). Beim Herzinfarktrisiko bestand kein Unterschied. Am größten war der Unterschied zwischen Atenolol und Nicht-Betablockern (n = 56.301): Das Schlaganfallrisiko war um 26% erhöht. Für Betablocker in gemischten Studien (n = 33.971) lag das Schlaganfallrisiko um 9% höher als für andere Antihypertensiva. In den Nicht-Atenolol-Studien genügte die Datenmenge mit 9004 Teilnehmern und 77 Schlaganfällen nicht, um Schlüsse zu ziehen.

Fazit aus der Metaanalyse

Die erweiterte Metaanalyse ergab sowohl für Atenolol als auch für Betablocker insgesamt ein wesentlich gesteigertes Schlaganfallrisiko im Vergleich zu anderen Antihypertensiva. Im Vergleich zu Placebo oder Nicht- Behandlung senkten Betablocker das Schlaganfallrisiko nur um 19% (etwa die Hälfte von dem, was man aufgrund einer früheren Metaanalyse erwartet hatte), ohne das Herzinfarktrisiko oder die Mortalität wesentlich zu beeinflussen.

Warum wirken Betablocker schlechter?

Obwohl Betablocker den am Arm gemessenen Blutdruck etwa gleich stark reduzierten wie andere Antihypertensiva, erzielten sie nicht die gleiche schlaganfallpräventive Wirkung. Mögliche Gründe können ungünstige metabolische Effekte (auf Glucose- und Fettstoffwechsel), aber auch abweichende hämodynamische Wirkungen sein. Betablocker scheinen den zentralen systolischen Blutdruck nicht so stark zu senken wie ACE-Hemmer, Diuretika und Calciumantagonisten, was ihre geringere Schutzwirkung vor einer linksventrikulären Hypertrophie erklären könnte.

Gefahren bei plötzlichem Absetzen

Da Betablocker in der Primärprävention des Schlaganfalls weniger wirksam sind als andere Antihypertensiva, sollten sie in der Behandlung des primären Bluthochdrucks nicht mehr als Mittel der ersten Wahl empfohlen werden. In klinischen Studien sollten sie nicht mehr als Vergleichs-Antihypertensivum eingesetzt werden.

Allerdings muss vor abruptem Absetzen der Betablocker gewarnt werden: Ein plötzlicher Therapieabbruch, insbesondere hoher Dosen, wie 100 mg Atenolol, kann bei Patienten, die neben der Hypertonie doch schon eine latent vorhandene koronare Herzkrankheit besitzen, zu Rebound-Angina führen und sogar einen Herzinfarkt beschleunigen. Außerdem kann es zum plötzlichen Wiederanstieg des Blutdrucks (Rebound-Hypertonie) kommen. Wenn Betablocker abgesetzt werden, empfiehlt es sich langsam auszuschleichen ("heruntertitrieren"), während die Behandlung mit dem neuen Antihypertensivum beginnt.

Wer braucht noch Betablocker?

Hier sei noch einmal betont: Unzureichende Ergebnisse haben Betablocker nur in der Behandlung der unkomplizierten, also primären Hypertonie. Patienten mit koronarer Herzkrankheit, nach einem Herzinfarkt, mit Herzinsuffizienz oder mit einer Tachykardie profitieren von der Behandlung. Auch innerhalb der Patientengruppe mit unkomplizierter Hypertonie existiert eine Minderheit, die Betablocker weiterhin als Antihypertensivum der ersten Wahl erhalten sollte: Die Symptome hyperadrenerger und übermäßig ängstlicher Personen mit Bluthochdruck werden durch die Behandlung verringert.

Apothekerin Susanne Wasielewski

Quelle 
Lindholm, L. H., et al.: Should β blockers remain first choice in the treatment of primary hypertension? A meta-analysis. Lancet 366, 1545 – 1553 (2005). 
Beevers, D. G.: The end of ß blockers for uncomplicated hypertension? Lancet 366, 1510 – 1512 (2005).

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