Arzneimittel und Therapie

Alzheimer-Erkrankung: Kein Benefit durch Entzündungshemmer

In der Pathogenese einer Alzheimer-Erkrankung spielen entzündliche Prozesse eine wichtige Rolle. Daher hofft man, mithilfe antiinflammatorischer Substanzen das Fortschreiten der Demenz verlangsamen oder gar verhindern zu können. Nachdem kleinere Untersuchungen teilweise hoffnungsvolle Ergebnisse lieferten, konnte in einer großen Studie der Nutzen von nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) nicht bestätigt werden.

Der Morbus Alzheimer ist eine der häufigsten Erkrankungen alter Patienten. Man schätzt, dass allein in den USA mehr als vier Millionen Patienten an einer Alzheimer-Demenz leiden. In den letzten zehn Jahren wurden unterschiedliche therapeutische Strategien verfolgt, unter anderem der Einsatz von Cholinesterase-Hemmern sowie die präventive und therapeutische Gabe von nicht-steroidalen Antirheumatika.

Für den Einsatz antiinflammatorischer Medikamente spricht die Pathophysiologie der Erkrankung, die durch Entzündungen gesteuert oder zumindest moduliert wird. Experimentelle und neurophysiologische Daten lassen den Schluss zu, dass Entzündungen ein Teil der pathologischen Kaskade sind, die zu der Bildung Amyloid-beladener Plaques führen.

Die Entzündungskaskade aktiviert Mikroglia (Zellen, die die Immunantwort von Gehirnzellen beeinflussen), welche wiederum die Bildung neuritischer Plaques fördern. Durch ein Unterbrechen der Entzündungsvorgänge erhofft man sich eine Verlangsamung der Erkrankung. Zudem weisen zahlreiche epidemiologische Studien sowie Laborbeobachtungen mit Zellkulturen und Nagern auf einen Benefit von Entzündungshemmern hin.

Einjährige doppelblinde Studie

Nachdem mehrere Studien mit verschiedenen spezifischen und unspezifischen Entzündungshemmern (z. B. Indomethacin, Diclofenac, Ibuprofen, Prednison, Hydroxychloroquin) zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, wurde von einer Alzheimer-Studiengruppe eine größere plazebokontrollierte, randomisierte, doppelblinde Studie mit einem selektiven und einem nicht-selektiven COX-Hemmer initiiert und an vierzig ambulanten Zentren durchgeführt.

An der Studie nahmen 351 Probanden mit milder bis moderater Alzheimer-Demenz teil. Sie wurden in drei Gruppen aufgeteilt, die Teilnehmer der ersten Gruppe erhielten einmal täglich 25 mg des selektiven COX-2-Hemmers Rofecoxib, die zweite Gruppe zwei mal täglich 220 mg Naproxen und die Probanden der dritten Gruppe ein Plazebo.

Es wurde bewusst ein nicht-selektives NSAR und ein selektiver COX-2-Inhibitor gewählt, da bislang nicht klar ist, welcher Typ der NSAR am besten wirkt und COX-1 und COX-2 unterschiedliche Funktionen haben.

Das primäre Studienendziel war die kognitive Verschlechterung (ermittelt mit Hilfe des Alzheimer Disease Assessment Scale-Cognitive Subscale Score) nach einem Jahr. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem Aktivitäten des täglichen Lebens, Lebensqualität sowie die Zeit bis zur Heimeinweisung. Nach einjähriger Behandlungsdauer wurden die gesammelten Daten mit Hilfe diverser statistischer Analysen ausgewertet.

Keine Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen

Weder die Einnahme von Naproxen noch von Rofecoxib hatte einen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten, die unter Plazebo und Verum gleichermaßen abnahmen. Dasselbe gilt für die sekundären Studienendpunkte, für die die aktive Therapie ebenfalls keinen Benefit ergab.

Wie zu erwarten war, wurden in den Verum-Gruppen mehr unerwünschte Wirkungen wie Müdigkeit, Verwirrtheit, Mundtrockenheit und Hypertonie registriert. Die Häufigkeit gastrointestinaler Symptome war in allen Gruppen gleich.

Abkehr von dieser Therapieschiene?

In dieser Studie konnte kein Nutzen für die Einnahme selektiver oder nicht-selektiver Entzündungshemmer festgestellt werden, obwohl die bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten (epidemiologische Studien, kleinere Pilotstudien, Laboruntersuchungen, Messungen an Hirnzellen) ein anderes Ergebnis hätten erwarten lassen.

Das bedeutet indes noch nicht die Abkehr von dieser Therapierichtung, da in Zell- und Tierversuchen unter einigen NSAR eine Abnahme der Amyloid-Bildung festgestellt wurde. Bevor der Einsatz von nicht-steroidalen Antirheumatika bei der Alzheimer-Demenz endgültig beurteilt werden kann, müssen die unterschiedlichen Funktionen von COX-1 und COX-2 im Gehirn näher untersucht und eventuell neue oder selektiv wirkende COX-Hemmer entwickelt werden.

Ferner muss eruiert werden, ob es bestimmte Hochrisiko-Gruppen gibt, die bereits von einer präventiven Gabe der COX-Inhibitoren profitieren. Des Weiteren muss geklärt werden, über welchen Zeitraum eine COX-Einnahme zu erfolgen hat.

Literatur

Alzheimer's Disease Cooperative Study: Effects of Rofecoxib or Naproxen vs Placebo on Alzheimer Disease Progression. J. Am. Med. Ass. 289, 2819 - 2826 (2003). Launer, L.: Nonsteroidal Anti-inflammatory Drugs and Alzheimer Disease. What's Next? J. Am. Med. Ass. 289, 2865 - 2867 (2003).

In der Pathogenese einer Alzheimer-Erkrankung spielen entzündliche Prozesse eine wichtige Rolle. Daher hofft man, mithilfe antiinflammatorischer Substanzen das Fortschreiten der Demenz verlangsamen oder gar verhindern zu können. Nachdem kleinere Untersuchungen teilweise hoffnungsvolle Ergebnisse lieferten, konnte in einer großen Studie der Nutzen von nicht-steroidalen Antirheumatika nicht bestätigt werden.

Der Fall Auguste D. - die Erstbeschreibung der Alzheimer-Demenz Alois Alzheimer hatte in der Städtischen Irrenanstalt Frankfurt/Main eine 51-jährige Patientin namens Auguste Deter behandelt, die hier am 25. November 1901 eingeliefert wurde, und der nur wenig mehr als die Erinnerung an ihren Vornamen geblieben war. "Wie heißen Sie?", fragte er. "Auguste" stammelte sie nach längerem Zögern. "Familienname?" "Auguste." "Wie heißt Ihr Mann?" "Ich glaube Auguste." Wort für Wort hielt Alzheimer in der folgenden mehrtägigen Befragung seiner verwirrten Patientin fest.

Sorgfältig prüfte er die intellektuellen und sprachlichen Fähigkeiten der Kranken, ihre Reflexe, die Organfunktionen. Eine Diagnose stellte er nicht - konnte er auch nicht, er war wie seine Kollegen, die er hinzuzog, ratlos. Fünf Jahre später starb die Kranke, und Alzheimer notierte gewissenhaft: "Allgemein verblödet" und "völlig stumpf".

Danach sezierte er ihr Gehirn und entdeckte einen "eigenartigen Krankheitsprozess": Beträchtliche Teile der Hirnrinde, die Gedächtnis, Orientierung und das Gefühlsleben ermöglichen, waren stark verändert. Dagegen fand er Eiweißablagerungen (das Jahrzehnte später als Amyloid erkannte Protein), verfilzte Faserbündel, tote Nervenzellen - nur einige Fortsätze der Nervenzellen hatten den Verfall überdauert. Die Besonderheit lag darin, dass es sich um eine Demenz handelte, bei der keine Arteriosklerose im Gehirn vorlag.

1906 veröffentlichte Alzheimer seine Fallstudie "Eine eigenartige Krankheit der Hirnrinde". Sie wurde archiviert und - vergessen. Kaum ein Fachkollege mochte sich mit dem tristen Leiden näher befassen, das zudem nur wenig Reputation versprach. Und auch ein dreiviertel Jahrhundert später galt die Krankheit als eine exotische, selten auftretende Altersdemenz (Altersschwachsinn), die in den Lehrbüchern mit ein paar Zeilen abgetan wurde, obschon allein in Deutschland zu dieser Zeit Hunderttausende von ihr betroffen waren.

(Quelle: www.m-ww.de)

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