Arzneimittel und Therapie

Entwarnung für COX-Hemmer

Daten aus der WHI-Studie zeigen geringes kardiales Risiko

Cyclooxygenase-Inhibitoren (COX-Inhibitoren, syn. nicht-steroidale Antirheumatika) können über einen längeren Zeitraum eingenommen das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöhen. In welchem Ausmaß einzelne Wirkstoffe wie Ibuprofen, Diclofenac oder die Coxibe das Risiko beeinflussen, wird kontrovers diskutiert. Eine weitere Auswertung der Women’s Health Initiative untersuchte nun, ob kardiovaskuläre Ereignisse bei postmenopausalen Frauen mit der Einnahme von NSAR assoziiert sind und ob es einen Zusammenhang mit der Selektivität für die beiden Isoformen der Cyclooxygenase (COX 1 und COX 2) gibt. Wir baten den Pharmakologen Prof. Dr. Thomas Herdegen um eine Bewertung der Studie.

Das kardiovaskuläre Risiko von Cyclooxygenase-Inhibitoren (COX-Inhibitoren) ist eine immer wieder beschworene Gefahr. Im letzten Jahr wurde für Diclofenac eine Kontraindikation für die Herzinsuffizienz Grad II (NYHA II) ausgesprochen. Generell gilt die Annahme, dass selektive COX-2-Inhibitoren (Coxibe) ein hohes relatives Risiko aufweisen. Was bringt nun die WHI (Women’s Health Initiative)-Studie Neues zu diesem Thema [1]? Hier ist die Studienpopulation von Interesse, denn die WHI umfasste insgesamt 162.000 Frauen aus den USA, die zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses in den Jahren 1993 bis 1998 zwischen 50 und 79 Jahren alt waren. Der Beobachtungszeitraum betrug drei bis neun Jahre, verglichen wurde die Einnahme von NSAR mit keiner Einnahme. Alle Frauen, die ein nicht-steroidales Antirheumatikum (einschließlich selektive COX-2-Inhibitoren und nicht-selektive NSAR), aber keine Acetylsalicylsäure nahmen, wurden in einer Gruppe zusammengefasst, die dann unterteilt wurde in

  • die Einnahme selektiver COX-2-Inhibitoren (z.B. Rofecoxib, Celecoxib);
  • die Einnahme nicht-selektiver NSAR mit einer stärkeren Hemmung der COX-2 gegenüber COX-1 (u.a. Naproxen, Nabumeton, Diclofenac, Piroxicam) und
  • die Einnahme nicht-selektiver NSAR mit einer stärkeren Hemmung der COX-1 gegenüber COX-2 (u.a. Ibuprofen, Ketoprofen, Indometacin).

Die Einnahme von COX-Inhibitoren erhöhte das kardiovaskuläre (KV) Risiko um relativ 10% (HR 1,10), die selektiven COX-2-Inhibitoren (Coxibe) erhöhten das Risiko demgegenüber nur um weitere 3% (HR 1,13).

Bei Patienten, die wegen bestehender kardiovaskulärer Risiken bereits Acetylsalicylsäure einnahmen, wurde das kardiovaskuläre Risiko durch selektive Coxibe nicht erhöht (HR 0,90).

Der Vergleich von COX-Inhibitoren mit stärkerer Hemmung von COX-2 gegenüber COX-1 ergab ein erhöhtes Risiko von relativ 17% und gegenüber Naproxen von 22%, das durch Einnahme von Acetylsalicylsäure nicht vermindert wurde. Diese Daten wurden gegen zahlreiche Faktoren adjustiert. Dennoch ist interessant, dass wesentlich mehr Frauen, die COX-Inhibitoren einnahmen, schwer übergewichtig waren als Frauen ohne Gebrauch.

Selektivität der COX-Inhibitoren berücksichtigen

Der entscheidende Vergleich ist das Risiko von COX-Inhibitoren-Nutzern vs. Menschen, die keine COX-Inhibitoren einnahmen. Hier wird eine neue Metaanalyse bestätigt [2], in der das kardiovaskuläre Risiko entgegen früherer Annahmen nur gering erhöht ist und vom kardialen Risiko-Status des Nutzers abhängt. Für Diclofenac wurde bei hohem bzw. niedrigem kardiovaskulärem Risiko zehn bzw. zwei kardiovaskuläre Ereignisse bei 1000 Patienten errechnet, die die jeweilige Höchstdosis über ein ganzes Jahr genommen hatten (für Ibuprofen wurden zwölf bzw. zwei zusätzliche Ereignisse errechnet) [2]. Der relative Unterschied zu Coxiben aus der WHI-Studie würde rein rechnerisch weniger als ein zusätzliches Ereignis/1000 Nutzer/365 Tage/Höchstdosis betragen.

Bezüglich des kardiovaskulären Risikos ist die Subgruppen-Analyse alles andere als eindeutig. Coxibe haben durchgängig ein niedrigeres Hazard Risiko wie COX-Inhibitoren mit preferenzieller COX-2-Hemmung (Diclofenac, Naproxen [!], Piroxicam). Bei Teilnehmern mit ischämischen Ereignissen in der Vorgeschichte (Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, koronarer Stent) traten unter COX-Inhibitoren keine kardiovaskulären Nebenwirkungen auf, während sie bei gesunden Teilnehmern das Risiko um relativ 14% erhöhten.

Das kardiovaskuläre Risiko allein ist aber nicht ausschlaggebend für die Wahl des COX-Inhibitors, denn hier ist das gesamte Risikoprofil zu betrachten. So ist z.B. das gastrointestinale Risiko von Naproxen gegenüber Coxiben viel höher als das kardiovaskuläre Risiko [1], und Coxibe lassen als einzige Gruppe der COX-Inhibitoren die Thrombozytenaggregation unverändert.

Frauen, die Acetylsalicylsäure einnahmen, bei denen also offensichtlich bereits ein kardiovaskuläres Risiko vorlag, hatten kein erhöhtes Risiko unter COX-Inhibitoren bzw. Coxiben. Dies bestätigt nicht nur eine ältere Arbeit [3], sondern auch die Einschätzung, dass eine sorgfältige Kardioprotektion mit ASS das Risiko von Coxiben vermindert. Außerdem lässt sich durch die Berücksichtigung der Nierenfunktion das Risiko weiter minimieren [4].

Diese Daten wie auch die Metaanalyse [2] rechtfertigen weder eine Kontraindikation für Diclofenac für Patienten mit Herzinsuffizienz mit NYHA-II und KHK, noch ergibt sich die Notwendigkeit, für Ibuprofen als einen ebenso (wenig) schädlichen COX-Inhibitor, die gleiche Kontraindikation auszusprechen. Da Ibuprofen (und eventuell auch Naproxen und Metamizol) die Wirkung von ASS antagonisiert, müssen wir vorsichtig mit den verbleibenden analgetisch wirksamen COX-Inhibitoren umgehen.

Quelle

[1] Bavry AA, Thomas F, Allison M et al. Nonsteroidal Anti-Inflammatory Drugs and Cardiovascular Outcomes in Women: Results From the Women‘s Health Initiative. Circ Cardiovasc Qual Outcomes. 2014;4:603-610

[2] Coxib and traditional NSAID Trialists‘ (CNT) Collaboration, Bhala N, Emberson J, Merhi A et al. Vascular and upper gastrointestinal effects of non-steroidal anti-inflammatory drugs: metaanalyses of individual participant data from randomised trials. Lancet. 2013;382:769-779

[3] Strand V. Are COX-2 inhibitors preferable to non-selective non-steroidal anti-inflammatory drugs in patients with risk of cardiovascular events taking low-dose aspirin? Lancet 2007;370:2138-2151

[4] Herdegen T. Pharmako-logisch! Nicht-steroidale Analgetika. DAZ 2011;44:5182-5219

 

Prof. Dr. med. Thomas Herdegen, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Universitäts- Klinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Hospitalstraße 4, 24105 Kiel

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