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Arzneimittel-Sparpaket: Verzögerungen durch Streit um aut idem

BERLIN (ks). Das Arzneimittel-Sparpaket erhitzt nach wie vor die Gemüter. Einige der ursprünglich vorgesehenen Sparmaßnahmen wurden bereits modifiziert. Und nun ist auch die Verabschiedung vertagt worden. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf am kommenden Freitag im Bundestag abschließend beraten werden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wollte die Sparmaßnahmen zu Beginn des nächsten Jahres in Kraft treten lassen. Doch nach einer turbulenten Anhörung von Verbänden und Sachverständigen im Gesundheitsausschuss in der vergangenen Woche sind sich einige Vertreter der Koalitionsfraktionen nicht mehr so sicher über ihr Regelwerk. Insbesondere die Aut-idem-Regelung war scharfen Angriffen ausgesetzt. Daher soll diese Woche nochmals eingehend über das Gesetzespaket diskutiert werden.

Der Preisabschlag auf patentgeschützte Arzneimittel ist bereits seit vergangenem Donnerstag kein Thema mehr. Nach einem Gespräch mit dem Bundeskanzler Gerhard Schröder einigte man sich, dass diese Sparmaßnahme durch eine Einmalzahlung von 400 Millionen Mark durch Unternehmen des Verbands der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) ersetzt wird. Dieser Tauschhandel wurde von vielen mit Argwohn betrachtet. Die Spitzenverbände der Krankenkassen erklärten einvernehmlich ihre Ablehnung gegenüber dem "Ablass-Handel". Sie wollten mit der Absenkung der nicht-festbetragsregulierten Arzneimittel jährlich 500 Millionen Mark einsparen. Zudem bezweifeln sie, dass der VFA das versprochene Geld tatsächlich so schnell bei seinen Mitgliedsfirmen einsammeln und in einem Fonds bereitstellen kann.

Aut idem unter Beschuss

Und nun steht die Aut-idem-Regelung auf dem Prüfstand. Bei der öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit wollte die Fraktion der Grünen von Ärzten und Generika-Unternehmen hören, wie sie zu dieser Regelung stehen. Leonard Hansen, zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, machte deutlich, dass die KBV sich der angedachten Regelung zwar nicht gänzlich verschließt, dass vorab jedoch noch einige zivil- und sozialrechtliche Fragen zu klären seien. In der Akutversorgung sei aut idem weniger problematisch. Anders sei die Situation aber bei chronisch Kranken.

Hier sieht auch Hansen erhebliche Verträglichkeits- und Compliance-Probleme. Der Geschäftsführer des Deutschen Generikaverbandes Thomas Hummel wiederholte das Angebot eines dreiprozentigen Rabatts auf Festbetrags-Arzneien, wenn aut idem fällt. Er fürchtet nicht nur um die Patienten, sondern auch um die Generika-Unternehmen, deren Ruin er voraussagt, wenn die vorgesehene Aut-idem-Regelung Wirklichkeit werden sollte.

ABDA allein auf weiter Flur

Seitens der SPD-Fraktion interessierte man sich vor allem für die potenziellen Einsparungen durch die unterschiedlichen Sparinstrumente. Die Vertreter der ABDA, der Betriebskrankenkassen und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) kamen dabei zu abweichenden Ergebnissen zwischen einer und zwei Milliarden Mark im Jahr. Die Kassen sind sich jedenfalls sicher, dass die Einsparungen keinesfalls die Mehrausgaben kompensieren können.

Bei Fragen nach aut idem hielt sich die SPD an die Fürsprecher der vorgesehenen Regelung. Und die fanden sich nahezu ausschließlich in den Reihen der ABDA. Lediglich Prof. Dr. Peter Schönhöfer, Mitherausgeber des Arznei-Telegramms, unterstützte die Argumente der Apothekerschaft. ABDA-Präsident Hans Günter Friese erklärte, dass durch die Angabe von Wirkstoff, Dosierung und Darreichungsform auf der ärztlichen Verordnung das Auswahlfenster für den Apotheker ausreichend beschrieben sei. Er hat für die Befürchtungen der Aut-idem-Gegner kein Verständnis, auch Haftungsfragen sieht er nicht anders als es bei der gegenwärtigen Regelung der Fall ist. Die ABDA war naturgemäß auch der einzige Verband, der sich gegen die Erhöhung des Kassenrabatts aussprach. Doch dieser einzelne Hilferuf wird wohl kaum gehört werden.

Klare Ablehnung der Verbraucherschützer

Die CDU/CSU-Fraktion bohrte ebenfalls an der Aut-idem-Regelung. Hier durften Verbraucherschützer ihre ablehnende Haltung kundtun. Auch sie sehen den Patienten als Opfer der Sparmaßnahme. Sie fürchten vor allem bei älteren Patienten Verunsicherungen, die in keinem Verhältnis zum möglichen Einsparvolumen stehen. Weiterhin wurde nach den Auswirkungen auf den Wettbewerb gefragt. Die Pharma-Industrie stellte abermals ruinöse Szenarien eines Verdrängungswettbewerbs dar.

Am vergangenen Mittwoch hat der Gesundheitsausschuss erneut beraten. Eine Beschlussfassung ist erst für Dezember vorgesehen. Dann ist auch der zweite Anlauf für die Verabschiedung durch den Bundestag geplant. Voraussichtlich kann das Gesetz erst im Frühjahr in Kraft treten. In welcher Form, wird sich weisen. Im Gesundheitsministerium erklärt man aut idem nach wie vor keine klare Absage. Allerdings wird eingeräumt, dass Detailfragen noch zu klären sind.

Das Arzneimittel-Sparpaket erhitzt nach wie vor die Gemüter. Einige der ursprünglich vorgesehenen Sparmaßnahmen wurden bereits modifiziert. Und nun ist auch die Verabschiedung vertagt worden. Eigentlich sollte der Gesetzentwurf am kommenden Freitag im Bundestag abschließend beraten werden. Doch nach einer turbulenten Anhörung von Verbänden und Sachverständigen im Gesundheitsausschuss sind sich einige Vertreter der Koalitionsfraktionen nicht mehr so sicher über ihr Regelwerk. Insbesondere die Aut-idem-Regelung war scharfen Angriffen ausgesetzt. Daher soll diese Woche nochmals eingehend über das Gesetzespaket diskutiert werden.

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