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Arzneimittel-Sparpaket: ABDA macht sich stark für aut idem

BERLIN (ks). Es sind in erster Linie die Kritiker der Aut-idem-Regelung, die sich in der gegenwärtigen Diskussion um diese Sparmaßnahme zu Wort melden: Die pharmazeutische Industrie fürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen, Ärzte sehen ihre Therapiehoheit gefährdet und gemeinsam mit den Verbraucherschützern bangen sie alle um das Wohl der Patienten. Einzig die Apothekerschaft scheint keine Angst vor aut idem zu haben. Nun hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) auch der Öffentlichkeit erklärt, warum sie die Befürchtungen der Aut-idem-Gegner nicht teilt.

Pressekonferenzen zum Sparpaket gab es schon einige. Insbesondere die Aut-idem-Regelung war und ist scharfer Kritik ausgesetzt. Die ABDA hat sich etwas mehr Zeit gelassen, ihre Argumente in die Öffentlichkeit zu tragen. Doch am vergangenen Montag war es soweit. ABDA-Päsident Hans-Günter Friese und ABDA-Hauptgeschäftsführer Rainer Braun erläuterten den zahlreich erschienenen Journalisten den Standpunkt der Apotheker. Friese verwies zunächst darauf, dass dem Entwurf des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) ein Fünf-Punkte-Katalog vorausging, der vom Bundesgesundheitsministerium im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen, den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden vereinbart wurde. Keiner der Beteiligten stieß sich Ende September an der Aut-idem-Regelung.

Doch nun hat sich die Stimmung gewandelt: den Apothekern wird vorgehalten, sie seien in ihrer Position zu aut idem isoliert. Diesen Eindruck erweckte auch die öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses vor zwei Wochen. Hier waren die Befürworter der Substitutionsregelung eindeutig in der Minderzahl. Da sich die Diskussion zunehmend polemisch gestalte und Apotheker als alleinige Gewinner der gesetzlichen Neuregelung dargestellt würden, sei es Anliegen der ABDA, die Diskussion um aut idem wieder zu versachlichen, erklärte Friese.

Aut idem ist keine neue Erfindung

So stellte der ABDA-Präsident heraus, dass die Therapiehoheit des Arztes durch die im AABG vorgesehene Aut-idem-Regelung nicht gefährdet sei. Es stehe dem Arzt frei, im Einzelfall zu entscheiden, ob er dem Apotheker die Möglichkeit der Substitution einräume. Will er ein konkretes Präparat verordnen, so kann er dies durch ein entsprechendes Kreuz auf der Verordnung kenntlich machen. Zudem werde neben dem Wirkstoff auch die Wirkstärke, die Packungsgröße und die Darreichungsform auf der Verordnung festgelegt. Die Gefahr, dass Spritzen durch Salben oder Tabletten durch Tropfen ersetzt werden, besteht daher nicht. Auch sei aut idem für den Apotheker nichts Neues, im Nacht- und Notdienst werde es schon lange problemlos praktiziert. Ebenso wenig meldeten jene acht europäischen Staaten, bei denen eine entsprechende Regelung bereits existiert, negative Erfahrungen. Nach Auffassung Frieses profitieren auch die Patienten von aut idem: eine sofortige Rezeptbelieferung wird künftig problemlos möglich sein.

Wollte man Apothekern eine sachgerechte Umgangsweise mit aut idem nicht zugestehen, müsste konsequenterweise auch die Verpflichtung zur Abgabe von Importarzneimitteln gestrichen werden, gab Friese weiterhin zu bedenken. Auch den Umstand, dass wirkstoffgleiche Generika zuweilen unterschiedliche Indikationsstellungen haben, spreche nicht gegen die Aut-idem-Regelung. In diesen Fällen kann der Arzt bewusst ein bestimmtes Medikament verordnen. Darüber hinaus sei die Wirkweise eines Arzneimittels wirkstoffbezogen, d. h. sie ist bei wirkstoffidentischen Präparaten trotz unterschiedlicher Indikationsstellung die gleiche. Dies sei auch der Grund für die Bildung von Festbetragsgruppen gewesen. Hier wurden gegenseitig austauschfähige Arzneimittel ohne Beachtung der Indikationsstellung in Gruppen sortiert. Würde man die Austauschbarkeit nun negieren, so wäre das gesamte Festbetragskonzept obsolet, folgerte Friese. Dann könnte jeder Hersteller unter Verweis auf spezielle Indikationen verlangen, dass sein Produkt aus dem Festbetragssystem herausgenommen wird.

Auch das wiederkehrende Argument ungeklärter Haftungsfragen wies Friese zurück. Die bisherige Regelung bleibe bestehen. Da der Arzt neben dem Wirkstoff auch Wirkstärke, Packungsgröße und Darreichungsform festlege, seien alle therapeutisch relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt. Der Arzt haftet somit auch weiterhin für eine fehlerhafte Therapieentscheidung, der Apotheker für die Nicht-Einhaltung des vorgegebenen Auswahlspielraums. Bei Bedenken obliegt dem Apotheker nach der Apothekenbetriebsordnung ohnehin die Pflicht, mit dem verordnenden Arzt Rücksprache zu halten.

Keine Sorge um Arbeitsplätze in der Industrie

Ebenso wenig kann den ABDA-Präsidenten das seitens der pharmazeutischen Industrie vorgebrachte Argument, aut idem vernichte Arbeitsplätze, überzeugen: "Wenn die Ärzte Zielvereinbarungen zu Generika konsequent umsetzen würden, wären die Auswirkungen nicht anders als bei einer Auswahl durch den Apotheker" sagte Friese.

Fragwürdig sei auch, wie es sein könne, dass aut idem Arbeitsplätze zerstören soll, die Realisierung der Alternativ-Vorschläge zur Einsparung von 900 Millionen Mark jedoch nicht. Zudem werde sich an der Anzahl der Verordnungen nichts ändern. Insofern werde es bei der Verschiebung von Marktanteilen möglicherweise auch zur Verschiebung von Arbeitsplätzen kommen, nicht jedoch zu deren Vernichtung. Auch seien es weniger die einzelnen Unternehmen, die sich so vehement gegen aut idem aussprächen als vielmehr die Verbände.

Heftig wehrte sich Friese auch gegen die Vorhaltungen, Apotheker würden durch vermehrte Naturalrabatte das große Geschäft wittern. Um das durch aut idem anvisierte Einsparvolumen von 20 Prozent zu neutralisieren, müsste die Industrie den Apothekern einen 35-prozentigen Zusatzrabatt auf die Einkaufspreise gewähren, rechnete Friese vor. Dass dies geschehe, nachdem die Hersteller ihre Preise abgesenkt hätten, um in das untere Preis-Drittel zu gelangen, sei eine völlig unrealistische Annahme.

Höhere Apothekenrabatte ohne aut idem untragbar

Letztlich würde mit der Streichung der Aut-idem-Regelung aus dem AABG auch jegliche Grundlage für eine Erhöhung des Apothekenrabatts entfallen, betonte Friese. Etwaige mit aut idem einhergehende Rabatte für Apotheker sollten auch den Anstieg des Apothekenrabatts auf sechs Prozent kompensieren. Durch einen Wegfall der Aut-idem-Regelung verbunden mit der Einführung eines sechsprozentigen Kassenrabatt sei es Apotheken "nicht einmal ansatzweise möglich, durch eine Warenlageroptimierung betriebswirtschaftliche Kostenvorteile zu erreichen". Dies hätte auch zur Folge, dass in jeder zweiten Apotheke ein Arbeitsplatz gefährdet sei, erklärte Friese.

Insgesamt habe die ABDA den Eindruck, dass diejenigen, die derzeit so aktiv gegen aut idem lobbyieren, in Wirklichkeit den unabhängigen Apotheker als "lästigen" Arzneimittelfachmann empfinden, der ihre Kreise stört - vielleicht auch ihre Marketingkreise. Friese betonte, dass Apotheker jedoch mehr können als sie dürfen und bereit sind, dieses "Mehr" auch zu leisten. Deshalb sei die vorgesehene Aut-idem-Regelung "ein wichtiger Schritt in eine stärkere Nutzung apothekerlicher Kompetenz zu einer effizienteren Arzneimittelversorgung".

Gefragt nach einem möglichen Kompromiss in Sachen aut idem regte der ABDA-Hauptgeschäftsführer Braun an, dass die Drittel-Linie alle drei Monate neu festgelegt werden könnte. Dies würde für Generikahersteller eine größere Planungssicherheit schaffen.

Es sind in erster Linie die Kritiker der Aut-idem-Regelung, die sich in der gegenwärtigen Diskussion um diese Sparmaßnahme zu Wort melden: Die pharmazeutische Industrie fürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen, Ärzte sehen ihre Therapiehoheit gefährdet und gemeinsam mit den Verbraucherschützern bangen sie alle um das Wohl der Patienten. Einzig die Apothekerschaft scheint keine Angst vor aut idem zu haben. Nun hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) auch der Öffentlichkeit erklärt, warum sie die Befürchtungen der Aut-idem-Gegner nicht teilt.

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